B.W. STEVENSON - My Maria (RCA Victor Records APL1-0088, 1973)
Vier LP's in etwas mehr als zwei Jahren, und die erst noch allesamt hörenswert - das ist zumindest auch nicht unbedingt eine alltägliche Ausbeute für einen Künstler. B.W. Stevenson schaffte das locker und das hatte natürlich einen Hintergrund. Der Musiker war schon seit langer Zeit am Schreiben von Songs, während er kreuz und quer durch Amerika trampte, nie über längere Zeit irgendwo sesshaft war, und schliesslich doch noch entdeckt wurde. Als es soweit war, hatte er bereits zahlreiche hervorragende Songs geschrieben, von denen allerdings keine veröffentlicht worden waren. Einmal darauf angesprochen, ob er denn nicht einmal seine Biographie schreiben wolle, antwortete B.W. Stevenson: "Well, I've never done anything but hitchhike, write songs and sing". Geboren am 5. Oktober 1949 als Louis Charles Stevenson in Dallas Texas, verbrachte er einen Grossteil seines Lebens auf den staubigen Prärie-Strassen im Süden von Dallas. Wenn er sang, hörten die Menschen ihm überall zu, denn er war mit einer wundervollen bärigen Stimme gesegnet, und er wusste immer spannende Geschichten zu erzählen, die er in gefühlvolle Songs als Texte verpacken konnte. Er sprach vielen Menschen aus dem Herzen, indem er über ihre Alltagssorgen, aber auch über ihre Wünsche, ihre Hoffnungen und ihre Träume sang.
Zentrale Themen in seinen Songs waren auch stets das verlassen und verlassen werden, das Reisen und das einerseits rastlose, aber auch erfahrungsreiche Leben auf der Strasse eines Nicht-Sesshaften, die Stille und die Einsamkeit in all ihren Schattierungen und natürlich sang er auch über die Liebe und die grossen Gefühle. Der Musiker B.W. Stevenson wurde in einer Nacht im August 1970 in Dallas geboren, als er seinen ersten Song schrieb. In jener Nacht war er deprimiert über einen verlorenen Job und wollte als Tramper nach Colorado aufbrechen. Zwei Wochen später spielte er für ein Bier und etwas zu essen in einer rustikalen Bar in Breckenridge, tief im Niemandsland der Rocky Mountains. Es war das erstemal, dass Stevenson vor Publikum seine Songs spielte und sang. Er zog tags darauf weiter und landete schliesslich in Durango, wo er seine erste feste Anstellung in seinem Leben fand: Als Pferdetreiber ("Wrangler") auf einer Farm, die Wildpferde einfängt und zähmt. Diese Zeit prägte den Musiker sehr, trotzdem litt er schon bald unter Heimweh und machte sich schliesslich wieder auf den Weg, zurück nach Texas. Damit einhergehend entschloss er sich auch, fortan von der Musik zu leben, trat in kleinen Kaschemmen auf, später auch in grösseren Clubs und schuf sich so nach und nach eine immer grössere Fangemeinschaft. Es war vor allem Stevenson's bärig-warme und sehr einnehmende Stimme, welche die Menschen begeisterte.
Sang er in seinen frühen Tagen noch mehrheitlich bluesgefärbte Titel, so änderte sich das im Jahre 1972 mit dem Unterzeichnen eines Plattenvertrags mit RCA Victor Records. Eine erste Single mit dem Titel "Say What I Feel", der erste Song, den Stevenson unter professionellen Bedingungen in einem Tonstudio aufnehmen konnte und der von David Kershenbaum produziert wurde (der später unter anderem die Ozark Mountain Daredevils, die Tarney-Spencer Band oder auch Joe Jackson produzierte), erreichte völlig unerwartet die amerikanischen Top 40, was sogleich zur Aufnahme einer ganzen LP, Stevenson's Debutalbum "B.W. Stevenson" (RCA Victor LSP-4685) führte. Noch im selben Jahr legte die Plattenfirma mit dem Zweitwerk "Lead Free" (RCA Victor LSP-4794) nach. Der Titel "Say What I Feel" stammte aus der Feder des Singer/Songwriters Michael Murphey und auch einige Titel der beiden ersten Alben präsentierten einerseits den Songschreiber Stevenson, waren aber auch angereichert mit Fremdkompositionen, die dank der begeisternden Stimme des Sängers oftmals schöner und eindringlicher klangen als in ihren Originalversionen. Genannt seien da zum Beispiel die Stücke "Home Again" von Carole King und "Long Way To Go" vom berühmten Duo Barry Mann und Cynthia Weil auf dem Debutalbum, sowie die Songs "Peaceful Easy Feeling", geschrieben von Jack Tempchin - der Titel, den später die Eagles berühmt machten, "A Touch Of Pennsylvania" von Dave Loggins (Loggins & Messina) sowie Jerry Jeff Walker's "Maybe Mexico" auf dem Album "Lead Free".
Im Frühling 1973 gelang B.W. Stevenson mit einer weiteren Single dann der Durchbruch. Das aus der Feder seines musizierenden Freundes stammende "Shambala" brachte er als Single heraus. Den Erfolg für das Stück heimsten indes einige Monate später Three Dog Night ein, welche den Titel ebenfalls coverten und damit bis auf Rang 5 in den US-Charts emporklommen. Für B.W. Stevenson war das allerdings kein grosses Problem, denn schon mit der dritten LP, die kurz darauf folgen sollte und der Single-Auskopplung des titelstücks gelangte auch Stevenson endlich zu grossem Erfolg: "My Maria" erreichte weltweit hohe Chartsplatzierungen und dieser titel blieb auch letztlich der grösste Erfolg des Musikers. Die im Sommer 1973 veröffentlichte Nummer erklomm sofort die Charts. Der song war geprägt durch ein hervorragend gespieltes Gitarrensolo von Larry Carlton und war immerhin für eine Woche ganz zu oberst auf Platz 1 der amerikanischen Pop Charts. Das nachgereichte Album präsentierte dann auch die zuvor veröffentlichte Single "Shambala" plus einige wundervolle weitere Songs, von denen sicherlich das von Dave Loggins gesschriebene "Sunset Woman", Casey Kelly's "A Good Love Is Like A Good Song", das Honkytonk-ähnliche "I Got To Boogie" von Michael Smotherman und Stevenson's eigene Songs "Lucky Touch" und "Remember Me" die besten waren.
Nur wenige Monate später erschien ein weiteres Album auf RCA Victor Records: "Calabasas" präsentierte wiederum einen hervorragenden Mix aus Coversongs und Eigenkompositionen. Das vom Künstler selbst komponierte "Livin' It (Day By Day)", das einen herzhaften und flüssigen Doobie Brothers/Santana-ähnlichen Laidback-Funky Groove präsentierte, dürfte darauf die beste Nummer gewesen sein. "Please Come To Boston" wählte Stevenson als zentrale Covernummer, jedoch war dieser Song von seinem Komponisten Dave Loggins bereits selber zu einem Nummer 1-Hit gemacht worden, weshalb Stevenson's Version zwar schön anzuhören war, jedoch nicht unbedingt die beste Wahl gewesen war. Es zeigten sich auf "Calabasas" allerdings keine musikalischen Abnutzungserscheinungen: Ausser dem von seinem Kumpel Daniel Moore geschriebenen Opener "Look For The Light", der zum traumhaft schönen Gospel-Poprock arrangiert worden war, konnten Stevenson's eigenen Lieder "Roll On" und "Song For Katy" ebenso überzeugen wie die sorgfältig ausgewählten Covernummern "A Little Bit Of Understanding" oder "Anna-Lisa", die beide unverkennbar die Handschrift des Hits "My Maria" trugen, aber leider nicht punkten konnten. B.W. Stevenson war sehr enttäuscht darüber, keinen weiteren Charts-Hit landen zu können. Das sah seine Plattenfirma leider ebenso, auch sie hoffte vergeblich auf einen mindestens so starken Charts-Hit wie "My Maria", und so verlor Stevenson nach "Calabasas" seinen Vertrag mit RCA Victor. Er blieb jedoch noch viele Jahre im Musikbusiness, obwohl ihn zunehmends gesundheitliche Probleme plagten. Erst bei Warner Brothers untergekommen, veröffentlichte Stevenson bei Private Stock Records eine starke, aber leider erfolglose Single mit dem Titel "Holdin' On For Love" und gelangte schliesslich zu MCA Records, wo er drei Alben veröffentlichte, die wiederum sehr schön ausfielen ("A Special Wish" 1979, "Headin' Home" 1980 und "Lifeline" ebenfalls 1980).
Danach nahmen seine gesundheitlichen Probleme immer mehr zu und er hatte immer grössere Mühe, Tourneen zu bestehen. Er verstarb schliesslich am 28. April 1988 nur 38 jährig an seiner Herzerkrankung. Sein grösster Hit allerdings blieb unvergessen. Das Country-Duo Brooks & Dunn coverte "My Maria" und glänzte mit dem Titel im Frühling 1996 einen ganzen Monat lang in den US-amerikanischen Country Charts. Das Rolling Stone Magazine würdigte schliesslich B.W. Stevenson's musikalisches Schaffen in einer grossen Geschichte zusammenfassend als "Very best of folkish 70s Rock: Tough Vocals, driving Backings. They deserved their Chart status".
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