PEARL JAM - Backspacer (Monkeywrench Universal Records 2716317, 2009)
Ist das wirklich schon über sieben Jahre her, seit ich dieses tolle Album gekauft habe ? Ich kann es kaum glauben. Dabei habe ich es doch schon so oft angehört, und es gefällt mir immer noch wie beim erstenmal anhören damals. "Backspacer" war das neunte Studioalbum der US-amerikanischen Band Pearl Jam. Es erschien im September 2009 auf dem bandeigenen Label Monkeywrench Records, vertrieben von Universal Music Group und mit Lizenzvereinbarung mit Island Records. Es war mit knapp 37 Minuten Laufzeit das kürzeste Studioalbum der Bandgeschichte. "Backspacer" war das erste Album seit "Yield" im Jahre 1998, das mit Brendan O’Brien als Produzent eingespielt wurde, der laut Sänger Eddie Vedder auch mehr in die Kompositionen eingreifen durfte: "At this point, I think we're willing to let somebody cut the songs up a little bit". Die Band war inzwischen gewillt, Jemanden die Stücke ein wenig zurechtschneiden zu lassen. Vedder fuhr fort: "In the past, Brendan would say, 'It's a great song, but I think you should do it in a different key', and we'd say no. But now that we've heard Bruce Springsteen has listened to his suggestions, I think we will too". ("Früher hätte Brendan gesagt, 'das ist ein grossartiger Song, aber ich denke, ihr solltet ihn in einer anderen Tonart spielen', und wir hätten nein gesagt. Aber jetzt, nachdem wir gehört haben, dass Bruce Springsteen seinen Vorschlägen gefolgt ist, werden wir es, glaube ich, auch tun"). Bassist Jeff Ament sagte, Brendan O’Brien bringe eine brutal ehrliche Herangehensweise mit, das was funktioniere und das was nicht gehe aufzuzeigen. Das habe die Arbeit vorangebracht.
"Backspacer" war auch das erste Album von Pearl Jam seit "No Code" aus dem Jahre 1996, das die Spitzenposition der Billboard 200 Charts einnehmen konnte. In Deutschland erreichte es Platz drei, in Grossbritannien Platz neun. Bei den Grammy Awards 2011 war das Album für den Grammy Award für das beste Rock Album des Jahres zwar nominiert, konnte ihn jedoch nicht gewinnen. Stephen Thomas Erlewine von Allmusic schrieb, mit "Backspacer" gingen Pearl Jam wirklich zurück zu ihren Ursprüngen. Er bezeichnete es als ein Party-Album für Pearl Jam-Verhältnisse: "eine Party, die aus nichts als philosophischen Debatten bis in die frühen Morgenstunden bestünde, aber immerhin Party". Er vergab viereinhalb von fünf Sternen. Michael Rensen vom Rock Hard resümierte: "So tolle Songs sind Eddie Vedder & Co. schon lange nicht mehr aus Herz und Hirn gefluppt, und in dieser Form schlägt man den Grossteil der Pseudo Alterna Rock-Superstars der letzten Dekade um Längen". Er vergab acht von zehn Punkten. Michael Schuh von Laut.de kommentierte: "Hatte man in den letzten Jahren oft das Gefühl, die Band verkrampfe bei ihren Versuchen, allen Erwartungen gerecht zu werden, ragen nun sogar Classicrock-Stücke wie "Speed Of Sound" und "Amongst The Waves" wie Leuchttürme aus der Tracklist, deren Signale tatsächlich bis in die Ten-Vergangenheit leuchten". Es wurden vier von fünf Sternen vergeben.
All dies sind blosse Kritikerfloskeln aus der versammelten Musikpresse. Wenn man sich diese wundervolle Platte selbst anhört, und ein Bild von dem macht, was Eddie Vedder und seine Kumpanen da hingezaubert hatten, dann stellt man sehr schnell fest, dass die Gruppe auch auf diesem Werk wieder beweisen konnte, dass sie sich noch immer auf einer langen Reise befindet, und noch lange nicht am Bestimmungsort angelangt ist. In knapp 20 Jahren Bandgeschichte zeigten sich Pearl Jam nie überhastet, was ihre Veröffentlichungen anging. So hatten sie sich denn auch mittlerweile auf einen Takt von etwas mehr als zwei Jahren eingespielt, zwischen denen Pearl Jam mal ein wenig auf Tournee gingen, oder vereinzelten Soloprojekten nachgingen. Eddie Vedder spielte beispielsweise im Jahre 2008 den Soundtrack für den Film "Into The Wild" ein und zeigte, dass er auch ohne laute Gitarren vortreffliche Songs schreiben konnte. Songs, die ihn als Songschreiber wieder erstarkt zeigten, konsequenter beispielsweise als auf den letzten drei Pearl Jam Alben davor, dem etwas durchwachsenen "Binaural", dem wesentlich besseren "Riot Act" und dem ebenfalls leichte Defizite aufweisenden selbstbetitelten "Pearl Jam". Nichts desto trotz waren aber auch diese drei Platten letztlich um einiges besser, als die allgemeinse Rock-Einheitskost, die andere Bands in jenen Tagen üblicherweise zu servieren pflegen.
Die Vorabsingle zum Album mit dem Titel "The Fixer" präsentierte die Band dann wieder geradeheraus und überzeugend rockend. Mit Pearl Jam war also anscheinend doch nachwievor zu rechnen. Und der Einstieg in das Album "Backspacer" wirkte dann sofort überzeugend: "Gonna See My Friend" rockte ziemlich beseelt, wirkte auch sehr angenehm old-fashioned und herrlich unspektakulär, sodass der Song trotz eines schreienden Eddie Vedder nicht in plumpe Rock-Anmache verfiel. Auch "Got Some" kam herrlich monoton und straight daher und vermochte mit seiner Rockerpose zu überzeugen. Mit dem Titel "The Fixer" nahm die Platte dann rasant Fahrt auf und der Track kam mit einer sehr abwechslungsreichen Melodie daher. Etwas funky versuchten sich Pearl Jam dann bei "Johnny Guitar", was dank einer etwas seltsamen Gesangslinie und einer funky Bandbegleitung als Beispiel dafür angesehen werden darf, dass die Gruppe noch immer am Suchen, am Experimentieren, am Grenzen ausloten war.
Wenn Pearl Jam dann in der Folge den Rock wieder etwas zurückfuhren und wie in "Just Breathe" und "Amongst The Waves" etwas ruhiger wurden, zeigte sich wieder das wahre Unterhaltungspotential eines Eddie Vedder und seiner Kumpanen. Auch das etwas rockigere "Unthought Known" wusste auf der zweiten Albumhälfte zu überzeugen, der Song kam mit einer Prise mehr Pathos und einer tollen Klavierbegleitung daher, ohne irgendwie kitschig zu klingen. So funktioniert einfach gutes Songschreiben. Das machte die zweite Albumhälfte, vielleicht abgesehen vom etwas aus der Rolle fallenden "Supersonic", auch zum stärksten, was man seit einigen Alben von Pearl Jam gehört hatte. Insgesamt geriet das Album "Backspacer" ähnlich differenziert wie die drei Alben zuvor, wirkte aber gereift, ausgewogen, trotzdem rockend und stellenweise experimentell, war aber letztlich ein genauso hörenswertes Album wie so viele andere Platten der Band.
Die Produktion dieses insgesamt sehr überzeugenden Rockalbums war teilweise fast ein wenig zu poplastig geraten. Gleichwohl waren etwa Songs wie "Gonna See My Friend" oder "The Fixer" klassische Rocksongs, wie man sie schon immer von Pearl Jam serviert bekommen hatte. Der musikalisch ruhigere, aber überzeugende, Dreierpack "Just Breathe", "Amongst The Waves" und "Unthought Unknown" war letztlich wie geschaffen für Konzerte mit Wunderkerzen: Drei dramatische, hochmelodiöse und sehr eingängige moderne Rocksongs, die auch die jüngere Generation ansprechen konnten, und nicht nur die Generation 40plus, die Pearl Jam auch schon in den 90er Jahren gehört und geliebt hatte. Der Rezensent Andreas Borcholt der deutschen Zeitschrift 'Der Spiegel' nannte dieses Album in der Spiegel Online-Rubrik "Abgehört" ein "mit Herz, Muskeln und Hirn vollgepacktes Kraftpaket von einer Rockplatte". Dem kann ich mich hundertprozentig anschliessen. Was auch hervorragend ausfiel, war das Coverdesign von Jerome Turner und Tom Tomorrow. Die als sogenanntes 'Die-Cut' Cover gestaltete Plattenhülle konnte sowohl als LP, wie auch in der Mini LP CD-Variante hundertprozentig überzeugen.
No comments:
Post a Comment