ARJEN LUCASSEN'S GUILT MACHINE - On This Perfect Day
(Mascot Records M 7290 2, 2009)
Der niederländische Musikre Arjen Lucassen ist ein umtriebiger und vielfältiger Künstler. Unter der Bezeichnung Guilt Machine präsentierte der Multiinstrumentalist im Jahre 2009 ein weiteres, sein insegsamt fünftes Musikprojekt neben Star One, Ayreon, Stream Of Passion und Ambeon. Später folgte dann auch noch The Gentle Storm mit Anneke van Giersbergen (The Gathering). Arjen Anthony Lucassen war bisher an über 40 Alben beteiligt, arbeitete an mehreren eigenen Projekten und war Bandmitglied bei Vengeance. Bei seinen Solo-Projekten ist er als Komponist, Gitarrist, Bassist, Keyboarder und Produzent tätig und engagiert verschiedenste Musiker für Gastauftritte. Der über 2 Meter grosse Arjen Lucassen wurde in Hilversum geboren, wuchs jedoch in Den Haag auf. Nachdem er die Musik von The Sweet entdeckt hatte, begann er im Alter von 15 Jahren Gitarre zu spielen. Während seiner Highschool-Zeit war er in einer Band, die sich The Flying Potatoes (Die fliegenden Kartoffeln) nannte und Coverversionen von The Sweet und Slade spielte. Später war er noch Gitarrist in diversen kurzlebigen Bands und machte viele neue musikalische Erfahrungen. Allerdings liessen aufgrund seiner Fixierung auf die Musik die schulischen Leistungen dermassen nach, dass er der Schule verwiesen und in eine Einrichtung für Schwererziehbare eingewiesen wurde. Dort schaffte er seinen Abschluss. 1993 veröffentlichte er unter dem Namen "Anthony" seine erste Soloplatte "Pools Of Sorrow, Waves Of Joy", der erst wieder im Jahre 2012 mit "Lost In The New Real" eine zweite unter seinem eigenen Namen folgte. Bodine war die erste professionelle Band, in der Lucassen vollberuflich als Gitarrist tätig war. Am bekanntesten sind seine Alben, die er unter dem Namen Ayreon veröffentlicht hat.
Ende Februar 2009 kündigte Lucassen auf seiner Website an, dass er ein weiteres musikalisches Nebenprojekt in Planung habe. Anfang März forderte er seine Fans dazu auf, Sprachfetzen in der eigenen Muttersprache und in Form von kurzen Tonnachrichten einzureichen, die sich inhaltlich um starke Gefühle wie Wut oder Angst drehen. Diese Samples wurden dann später auf dem Album zu Beginn eines jeden Stückes verwendet. Der Musiker gab im Mai 2009 bekannt, dass das Album "On This Perfect Day" bei Mascot Records erscheinen würde. Die Veröffentlichung in Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgte am 28. August 2009, im restlichen Europa am 31. August und in den USA am 29. September. Ein Kritiker verglich das Album mit Porcupine Tree, deren ehemaliger Schlagzeuger Chris Maitland bei diesem Album von Guilt Machine mitspielte, und führte den Hintergrund der Entstehung des Projektes auf gesundheitliche und persönliche Probleme von Lucassen zurück. Arjen Lucassen beschrieb den Stil seines Projektes als dunkel und schwer bis atmosphärisch und melancholisch. Guilt Machine hatte nichts, wie die meisten anderen Projekte Lucassens, mit Science Fiction oder Fantasy zu tun, sondern bezog sich auf Schuld, Reue und die dunkelste Form von Geheimnissen, jenen Geheimnissen, die der Mensch vor sich selbst verbirgt.
Im Gegensatz zu Lucassen's sonstigem Vorgehen, für ein Projekt immer sehr viele Gastmusiker und vor allem Gastsänger zu rekrutieren, blieb er beim Projekt Guilt Machine bei einer feste Besetzung mit lediglich vier Musikern, wenn man von gelegentlichen Violinen- und Cellodarbietungen zweier weiterer Musiker absieht. Lucassen präsentierte auf diesem Werk ausserdem den bis dato relativ unbekannten belgischen Sänger Jasper Steverlinck, der durch eine überaus gefühlvolle, aber auch sehr kräftige und ausdrucksstarke Stimme verfügte und bisweilen etwas an einen variationsreicheren Damian Wilson erinnerte. Steverlinck sang in der belgischen Independent-Rockband Arid, wo er auch Gitarre spielte. An der Leadgitarre vertraute Lucassen auch bei diesem Projekt wiederum der schwedisch-amerikanischen Gitarristin Lori Linstruth, welche auch schon bei seinem früheren Bandprojekt Stream Of Passion mit dabei war und inzwischen auch zu seiner Partnerin und Managerin geworden war. Lucassen selbst lieferte alle weiteren Instrumente und sang auf allen Titeln des Albums.
Musikalisch fanden sich auf "On This Perfect Day" wesentlich mehr atmosphärische Klänge, die manchmal durchaus etwas düster und vor allem auch recht melancholisch wirkten. Sein übliches m,usikalisches Programm, eine Mixtur aus harten, Metal bezogenen Elemente einerseits, oder bombastischer Symphonic Progressive Rock andererseits, waren hier eher weniger vertreten, dafür wirkte die Musik des Guilt Machine Unternehmens eher wie besonders gut austarierter und durchaus exzellent in Szene gesetzter Art Rock, der viele leise, gefühlvolle und getragene Melodien in den Vordergrund stellten. Die bekannten Rockthemen, für die der Name Arjen Lucassen schon immer stand, waren durchaus auch zu hören, sie hielten sich aber hier durchaus eher im Hintergrund und brachen nur sporadisch durch, spielten im musikalischen Gesamtkonzept auch eher eine untergeordnete Rolle. Guilt Machine's "On This Perfect Day" widerspiegelte letztlich eine schwierige persönliche Phase, in welcher sich Lucassen damals befand: Das Ende einer langjährigen Beziehung, der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn und die Diagnose einer Depression waren letztlich der persönliche Hintergrund dieser Arbeit.
"On This Perfect Day" wirkte im Grunde fast schon wie eine irgendwie ausgefallene Arbeit im Vergleich zu Lucassen's bisherigen Veröffentlichungen. Der Musiker verstand und versteht es immer wider, unterschiedlichste Musikprojekte anzugehen und mit viel Ideenreichtum und Originalität umzusetzen. Auf "On This Perfect Day" klang Arjen Lucassen phasenweise fast schon wie Porcupine Tree oder Gazpacho - der Anteil an typischem Art Rock war wesentlich deutlicher hörbar als etwa seine ansonsten bevorzugten Rock-, Prog- und Symphonik-Projekte. Die interessantesten Passagen waren sicherlich der nebulöse, sich im Verlauf stark steigernde Opener "Twisted Coil", der schon die ganze Bedrohlichkeit des sich ankündigenden Seelentrips mit den in deutsch gesprochenen Worten "Wenn man lange genug in den Spiegel schaut, blickt man in die Augen des Teufels" andeutete. Allein: Wer nun irgendeinen brachialen instrumentalen Ausbruch erwartete, sah sich getäuscht. So sehr dieses Statement eine perfekte Ansage für düstersten Stoner Rock hätte sein können, pegelte sich Lucassen langsam und kontinuierlich hoch, liess jedoch der Gesamtdynamik keine Chance und hielt immer wieder kurz vor dem Ausbruch inne, brach in sich zusammen, um sich wiederum aufzubauen, fast schon wie ein Hurricane, der sich ankündigt und dann doch wieder in sich zusammenfällt. Das hörte sich ungemein spannend an und liess "Twisted Coil" - wie im übrigen auch die anderen Songs des Albums, niemals so lange erscheinen, wie sie tatsächlich waren.
Neben "Twisted Coil" gerieten auch die weiteren fünf Titel, allen voran "Season Of Denial" und insbesondere der letzte Track: "Perfection ?" zu wahren klanglichen Meisterleistungen, was allerdings nicht bedeutet, dass die anderen Stücke etwa weniger gut geraten waren. Das gesamte Werk war ungewöhnlich, nicht nur in punkto Klang und Musik, sondern vor allem im Hinblick darauf, dass Arjen Lucassen hier eine für seine Verhältnisse sehr neue Art von Musik realisierte. Wem die Bezeichnungen progressiver Hardrock und Art Rock, gerne dicht und düster arrangiert, nicht fremd sind, wer ausserdem gerne mit tollen Melodien, die immer wieder Überraschungen bereithalten, verwöhnt wird, dem wird dieses eigentümlich melancholische und immer wieder auch wunderschön progressive Album viele unterhaltsame Hörmomente bescheren.
No comments:
Post a Comment