THE VIBRATORS - V2 (Epic Records EPC 82495, 1978)
Die Vibrators gingen im Jahre 1976 in folgender Besetzung an den rasanten Start: Ian 'Knox' Carnochran (Gesang und itarre), Pat Collier (Bass), John Ellis (Gitarre) und John 'Eddie' Edwards (Schlagzeuger). Für eine waschechte Punkband waren sie eigentlich schon ziemlich alt, zumindest Ian Carnochan, der, geboren 1945, sieben Jahre älter war als Joe Strummer und sogar elf Jahre älter als John Lydon. Aber auch seine Mitmusiker waren breits Mitte 20, also recht unüblich für eine junge Band, die der Punkszene nahestand. Trotzdem waren sie Punkmusiker mit Leib und Seese: Attitüde, Kleidung, Musik oder Text, alles war auf kompromisslosen Punk ausgelegt. Die Songs waren, wie es sich gehört, kurz und griffig. Verglichen mit den Sex Pistols waren die Vibrators wenig nihilistisch und gegenüber The Clash noch weniger politisch. Ihre Songtexte auf dem Debutalbum "Pure Mania" hatten zwar mit Teenager Frustrationen zu tun, aber das ging mehr in die Richtung irgendwelcher Beziehungskisten.
Anfänglich wurden die Vibrators als so etwas wie die neuen Rolling Stones gefeiert, was allerdings eher etwas weit hergeholt erscheint. "Pure Mania" ging zweifellos gut ab, und wenn sich die Band in einigen Stücken ein bisschen in die Nähe rüpeliger 60s Garagerockern bewegte, wie etwa bei dem Kracher '"She''s Bringing You Down", dann konnte man durchaus eine gewisse Nähe zu den damaligen Epigonen erkennen. Doch die Vibrators waren wesentlich schneller, dreckiger, härter und im Grunde ein Rock'n'Roll Ueberfallkommando, das wie eine kompromisslose Walze alles niedermähte, was an Restmusikgeschmack noch irgendwo achtlos herumlag. Das allgemein als anerkannt schwereres zweites Album schulterten die Vibrators meisterhaft. Im Gegenteil, sie klangen sogar noch melodischer und abwechslungsreicher als auf ihrem Debutalbum. Zwar nicht so abwechslungsreich wie vielleicht The Clash bie derem "London Calling", aber innerhalb der gesteckten Grenzen des frühen Punks dürfte dies eine der abwechslungsreichsten Platte seiner Zeit gewesen sein.
Los ging es mit dem Opener "Pure Mania": Ein Spass, den sich die Band machte, nachdem ihr Debutalbum ja den gleichen Titel trug - bei dem anfangs ein Brummen zu vernehmen war, dann Stille, dann eine Explosion. War das jetzt ein abgestürztes Flugzeug oder eine Bombe ? Egal, nun bretterten die Vibrators richtig heftig in den Song, der von einer reichlich abgedrehten Familie handelte: "You're The Psychotic Daughter Of A Psychotic Mother". Am Schluss waren noch einmal Fetzen von Songs der Erstlingsplatte zu hören. Es war ein perfekter Einstieg in eine schrille und heftige Punkplatte. Gegenüber dem Erstling waren die Vibrators deutlich politischer und sozialkritischer geworden, was man besonders bei dem geradezu hasserfüllten "Destroy" hören konnte, aber auch bei "Wake Up", "War Zone" oder dem abschliessenden "Troops Of Tomorrow", das trügerisch leise begann und sich dann langsam steigerte, zwar nicht an Schnelligkeit, aber an Lautstärke. Der bedrohliche musikalische Unterton, der den Song während seiner gesamten Länge durchzog, fand auch im Songtext seinen Niederschlag: "We Need A New Solution, We Want It Quick". Seltsamerweise erkannte man die Qualität des Songs erst richtig bei der Coverversion der Band Exploited, einer weitaus radikaleren Band.
Zwischendrin fanden sich immer wieder musikalische Überraschungen wie die straffen, fast schon disziplinierten "Automatic Lover" oder "Flying Duck Theory", bei welchem man zu Beginn hören konnte, wie Jemand im Radio einen Sender sucht. Das Wort "Berlin" war deutlich herauszuhören. Die Vibrators nahmen die Platte in Berlin auf und vielleicht war das ein Grund, warum "Pure Mania" textlich so düster ausfiel. David Bowie war bei "Heroes" ja auch von der Faszination der Stadt Berlin inspiriert. Genauso dürfte das beim Titel "Nazi Baby" gewesen sein, bei dem sie allerdings nur im Titel mit der deutschen Vergangenheit spielten. Der Text selbst war eher ein Liebeslied. Etwas merkwürdig erschien das schon, zumal die Vibrators sich nach eigener Aussage in Berlin wohlgefühlt hatten. Auf jeden Fall war "Nazi Baby" der vielleicht beste Track der Platte. Schon der Eingangsriff haute einen förmlich vom Hocker, dann folgte ein mörderisches Gitarrensolo, das vielleicht härteste des frühen britischen Punks, und zum Schluss wurde der Zuhörer tatsächlich mit Geigenklängen aus diesem Knallersong entlassen.
"Fall In Love" war dann der Versuch, so was wie den heftigen Track "Baby Baby" vom Debutalbum zu wiederholen, der Song kam an dieses kleine Monster aber nicht ganz heran. Und dann gab es noch das winzige "Sulphate", ein fast witziger Song mit himmlischen Chören. Mit dem Zweitling "V2" hatten sich die Vibrators selbst übertroffen, und das Album wurde zu einem Meilenstein des frühen britischen Punks, der zudem immerhin auf Platz 33 der Charts landete, was für eine Punkplatte sehr beachtlich war. Weil sich die Vibrators anderen Musikstilen recht offen zeigten, und ganz besonders hier auf ihrem zweiten Werk "V2" dies auch in ihren Kompositionen deutlich machten, darf man dieses Album durchaus als eines der qualitativ hochwertigsten aus jener Zeit bezeichnen. Als Mittelding etwa zwischen den rüden und amateurhaften Sex Pistols und der Raffinesse der hochklassigen The Clash waren die Vibrators ziemlich genau in der Mitte angesiedelt.
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