SWEET SMOKE - Just A Poke (EMI Columbia Records 1 C 062-28 886, 1970)
Sweet Smoke waren eine Art freie Hippie Jam-Band, die 1967 zwar eigentlich in Brooklyn USA gegründet wurde, deren Mitglieder aber von 1969 bis 1974 in Deutschland lebten, wo sie innert vier Jahren insgesamt drei Alben einspielten, eines davon eine Live-Aufnahme, und dabei von dem Bildhauer Waldemar Kuhn gefördert wurden. Die ausgesprochene Session- und Live-Band war zur Zeit ihres Bestehens vor allem in Deutschland, Frankreich und Holland sehr populär und spielte eine Mischung aus Psychedelic Rock und Jazzrock. Die Gründungsmitglieder der Band waren der Bassist Andrew Dershin, der Saxophonist Michael Paris, der Schlagzeuger Jay Dorfman und der Gitarrist Marvin Kaminovitz, die alle in der Mitte der 60er Jahre als Jugendliche bei populären lokalen Bands in ihrer Heimat Brooklyn gespielt hatten und zu denen bald noch der Gitarrist Steve Rosenstein stiess. Die Band nannte sich anfangs Sweet Smoke Of The Happy Plant Pipeful und verkürzte ihren Namen dann später zu Sweet Smoke.
Nach einem Auftritt im Cafe Wha? in Greenwich Village im März 1968 bot ihnen der Betreiber des Cafés ein längeres Engagement in Puerto Rico und auf Saint Thomas an. Obwohl Dorfman, Paris und Kaminowitz noch im College eingeschrieben waren, sagten sie zu und verzichteten auf ihre Schulabschlüsse. Die Band gab in der Karibik drei Monate lang an sechs Tagen der Woche jeweils sechsstündige Konzerte und erhielt dadurch ihre die spätere Karriere bestimmende musikalische Ausprägung als ausgesprochene Session- und Improvisations-Band. Nach dem Ende ihres Engagements auf der Insel St. Thomas wollten die Bandmitglieder nicht in ihre Elternhäuser zurückkehren. Viel reizvoller erschien stattdessen, sich in Europa weiter als Musiker zu verdingen, wo gerade Amsterdam eine grosse Faszination auf Hippies ausübte. Andy Dershin und Mike Paris reisten Ende 1968 nach Southampton, der Rest der Band folgte wenig später. Der Traum, sich in Amsterdam niederzulassen, platzte jedoch im Spätjahr 1969, als die Gruppe von Deutschland aus nach Holland einreisen wollte und von der holländischen Grenzpolizei abgewiesen wurde. So landete die Gruppe im Postamt von Emmerich am Rhein, um dort zu telefonieren und das weitere Vorgehen zu beschliessen. In diesem Postamt lernten die Bandmitglieder den Bildhauer Waldemar Kuhn kennen, der spontan seine Hilfe anbot. Kuhn besorgte der Band eine Unterkunft und wurde erster Manager der Band. Später übernahm der Saxophonist Nico Scholtens das Management, der als Mitglied der Formation Musica Negativa in das kulturfreundliche Haus Kuhn gekommen war. Der gebürtige Holländer Scholtens öffnete für die Gruppe auch wieder den Weg nach Holland.
Sweet Smoke spielten in der nachfolgenden Zeit auf vielen Festivals in Deutschland, Frankreich und Holland und waren unter anderem im Vorprogramm von Golden Earring und Focus zu hören. Bald erhielt die Band auch einen Plattenvertrag von EMI Electrola Deutschland zur Produktion von drei Alben offeriert. Als erstes Album erschien 1970 "Just A Poke", das mit seinen beiden langen Stücken die Herkunft der Band als psychedelische Improvisations-Band eindrücklich dokumentierte. Das Album enthielt lediglich zwei Stücke, die sich zwar mehr improvisiert als konstruiert anhörten, in seinen Aufbauten jedoch durchaus gut arrangiert wirkten. "Baby Night" füllte die komplette A-Seite der LP, "Silly Sally" die zweite. "Baby Night" dürfte heute das bekannteste Stück der Band sein, vor allem wegen seiner markanten Flötenmelodie von Michael Paris. Das Stück "Silly Sally" hingegen ist bekannt für ein ausgedehntes Schlagzeug-Solo von Dorfman, bei dem mit Stereoeffekten, dem damals populären sogenannten 'Pingpong-Effekt' gespielt wurde. Die Tontechnik des Albums besorgte der später im Bereich des Krautrock zu einer der zentralen Figuren werdende Conny Plank.
1972 folgte die Band einem Zeittrend und ein Grossteil der Bandmitglieder machte sich auf den Hippie-Trail nach Indien, wo sie vom Chanting, indischen Instrumenten und der Hare Krishna-Bewegung beeinflusst wurden. 1973 kehrte die Band nach Deutschland zurück und liess sich im unterfränkischen Sulzheim nieder, nur wenige Kilometer von Knetzgau-Neuhaus entfernt, wohin Waldemar Kuhn mit seiner Familie inzwischen gezogen war. Kuhn war weiterhin massgeblicher Förderer der Gruppe. Seine Kinder Rochus und Barberina ("Puppa") waren auf dem von ihrer Indienreise inspirierten zweiten Album der Band "Darkness To Light", das im Jahre 1973 veröffentlicht wurde, zu hören. Puppa Kuhn heiratete den Schlagzeuger Jay Dorfman in einer Hindu-Zeremonie, ihre Schwester Salome heiratete später Nico Scholtens, der im Gefolge der Kuhns ebenfalls nach Unterfranken gezogen war und dort nach der Zeit mit Sweet Smoke eine Winzerkarriere einschlug.
Bald nach der Veröffentlichung des zweiten Albums begannen sich die Musiker Gedanken über ihr weiteres Leben zu machen. Michael Paris und Steve Rosenstein verliessen die Band, für sie kam der ebenfalls indisch inspirierte Gitarrist Rick Greenberg. Mit ihm nahm die Gruppe 1974 anlässlich einer Benefiz-Veranstaltung für ein Projekt in Indien in der Musikhochschule in Berlin noch das Live-Album "Sweet Smoke Live" auf, das wiederum nur zwei lange Tracks beinhaltete. Anschliessend trennte sich die Gruppe im Guten, da die meisten Bandmitglieder berufliche oder private Veränderungen planten. Die Mitglieder blieben freundschaftlich verbunden und musizierten gelegentlich noch miteinander. Der Schlagzeuger Jay Dorfman kehrte in die USA zurück und studierte Kunst. Anschliessend gehörte er um 1980 zu den ersten Mitarbeitern von MTV und gründete später eine eigene Fernsehproduktionsfirma. Der Gitarrist Marvin Kaminovitz nannte sich später Marvin Kane, hatte von 1974 bis 1978 in Boston Musik studiert und danach bei verschiedenen Cover- und Jazzbands gespielt, war in den späten 80er Jahren auch als Stand-Up Comedian aktiv und betreibt seit 2005 eine Webdesign-Firma. Mike Paris heiratete eine Inderin und zog nach Indien. Andy Dershin hatte sich ins Privatleben zurückgezogen.
Da die Band über weite Strecken ihres Bestehens als Hippie-Kollektiv gelebt hatte, ging die Mitwirkung der Family weit über deren tatsächliches Erscheinen auf der Bühne oder auf Schallplatten hinaus. Marty Rosenberg, der beispielsweise als Perkussionist auf dem Live-Album gelistet wurde, gehörte zu den langjährigen Begleitern der Band und fungierte oft als Roadie. Auch der weitere Perkussionist John Classi, der ebenfalls auf der Live-LP zu hören war, war ein langjähriger Vertrauter der Band. Der Tontechniker Howie Rubin wiederum hatte sich nicht nur um das Mischpult, sondern auch um die Finanzen der Band gekümmert. Das Debutalbum "Just A Poke " von Sweet Smoke gilt bis heute als eines der auf seine Art lockersten und dennoch anspruchsvollen Hippiealbum der frühen Krautrock- und damals noch kaum existierenden Jamrock-Bewegung.
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