RAINBOW - Down To Earth (Polydor Records 2490 151, 1979)
Der vormalige Deep Purple Gitarrist Ritchie Blackmore gründete seine Band Rainbow im Jahre 1975. Er engagierte den Sänger Ronnie James Dio und drei weitere Musiker der kurz zuvor aufgelösten Rockband Elf aus New York City, die er durch einige gemeinsame Touren kannte. Blackmore nannte seine neue Hauptband zuerst Ritchie Blackmore’s Rainbow, später Blackmore’s Rainbow und seit dem Jahre 1977 nur noch schlicht Rainbow. Musikalisch setzte Blackmore den Hard Rock Deep Purples fort, mischte ihn aber mit Elementen aus der mittelalterlichen Musik und war insbesondere in den 70er Jahren stilbildend für den einige Jahre später aufkommenden Speed- und Power Metal. In den 80er Jahren spielten Rainbow vermehrt kommerzielleren Mainstream Hard Rock und Stadionrock. Die Band wurde 1984 von Ritchie Blackmore aufgrund der bevorstehenden Reunion von Deep Purple aufgelöst, 1994 von ihm erneut lanciert und 1997 zugunsten von Blackmore’s Night erneut aufgelöst. Im Jahre 2016 spielte die Band auch wieder ein paar Konzerte. Rainbow verkauften weltweit fast dreissig Millionen Alben und gehört damit zu den erfolgreichsten Rockbands der 70er und 80er Jahre.
Ende 1974 schlug Ritchie Blackmore seiner Band Deep Purple vor, den Song "Black Sheep Of The Family" (Im Original von Quatermass, 1970) zu covern. Da dies von seinen Bandkollegen abgelehnt wurde, beschloss er, den Song als Soloprojekt aufzunehmen. Für die Aufnahme rekrutierte er die New Yorker Band Elf um Sänger Ronnie James Dio, die bereits mehrfach als Vorgruppe für Deep Purple aufgetreten war. Als B-Seite für diese Single schrieben Dio und Blackmore den Song "Sixteenth Century Greensleeves" (in Anlehnung an das bekannte "Greensleeves"), der ihnen nach eigener Aussage noch besser gefiel, und es entstand die Idee, ein ganzes Album in dieser Besetzung aufzunehmen. Dieser Plan wurde im März 1975 im Keller des Münchner Arabella-Hauses auch umgesetzt, wo sich die Musicland Studios befanden. Während oben im Hotel Blackmore's Kollegen versammelt waren und sich auf die Tour vorbereiteten, nahm Blackmore im Keller des Hotels sein Soloalbum auf. Im April 1975 schliesslich entluden sich die Spannungen zwischen Blackmore und seinen Kollegen von Deep Purple dahingehend, dass Blackmore die Band verliess. Ohnehin mit der Entwicklung von Deep Purple nach dem Einstieg von Glenn Hughes und David Coverdale unzufrieden, hatte er nun Gelegenheit, sich mit seinem Soloalbum endgültig von der Band zu emanzipieren. Unter dem Titel "Ritchie Blackmore’s Rainbow" wurde im August 1975 das erste Rainbow-Album veröffentlicht.
Aus dem Soloprojekt Ritchie Blackmore’s Rainbow entstand schliesslich die Band Rainbow, wobei Blackmore noch vor Veröffentlichung des Debütalbums mit Ausnahme von Ronnie James Dio alle Bandmitglieder auswechselte. Diese Praktik behielt er während der gesamten Existenz von Rainbow bei, sodass kaum eine Besetzung länger als ein Album und eine Tour lang existierte. Die zweite Besetzung von Rainbow bestand neben Dio und Blackmore aus Cozy Powell (Schlagzeug), Jimmy Bain (Bass) sowie Tony Carey (Keyboards) und wird von vielen Fans als das klassische Line-Up bezeichnet. Diese Besetzung nahm im Februar und März 1976 das zweite Album "Rising" auf, das, wie zuvor schon das erste, im Münchner Musicland Studio eingespielt wurde. An den Aufnahmen nahmen auch die Münchner Philharmoniker teil. Die Songs dieses Albums setzten Masstäbe im Genre: "Stargazer", "Tarot Woman" und A Light In The Black" fielen durch die Gesangsleistungen von Ronnie Dio, aussergewöhnliche Songlängen von 6 bis 8 Minuten, die Hinzuziehung eines Orchesters, und durch konzertierende Soloeinlagen von Keyboard und Gitarre auf.
Nach der Veröffentlichung des zweiten Albums ging die Band in den Jahren 1976 und 1977 auf ihre erste ausgedehnte Tournee, auf der das später erschienene Livealbum "On Stage" mitgeschnitten wurde. Vorband auf dieser Tour waren die damals noch recht unbekannten AC/DC. Die ursprünglich für dieses Album in Deutschland mitgeschnittenen Aufnahmen erwiesen sich als ungeeignet für das LP-Format, da die Songs zu lang waren, daher spielten Rainbow auf der Japan-Tournee einige Lieder speziell für das Album etwas kürzer. Die Aufnahmen der Deutschland-Tournee wurden erst 1990 auf Doppel-CD mit dem Namen "Live In Germany" veröffentlicht. 1977 wurde, nunmehr mit Bob Daisley am Bass und David Stone an den Keyboards, auch das dritte Studioalbum "Long Live Rock’n’Roll" aufgenommen, das 1978 erschien. Durch die gewachsene Popularität der Band konnten sich von diesem Album auch erstmals Singles auf höheren Positionen in den Charts platzieren. Anders als bei "Rising" hatten die Stücke mehrheitlich typische Single-Längen, jedoch waren mit dem orientalisch anmutenden, im Soloteil ausufernden "Gates Of Babylon" und der Ballade "Rainbow Eyes" auch zwei überlange Stücke dabei, mit welchem die Vinylseiten je abschlossen. Letztlich kam es auch in dieser Besetzung wieder zu bandinternen Spannungen. Blackmore betrachtete Rainbow als sein eigenes Projekt. Ronnie Dio kam jedoch nicht mit Blackmore's Temperament und Egozentrismus klar und verliess daher 1978 die Band.
Zunächst stieg 1979 der Sänger Graham Bonnet in die Band ein. Bonnet war ein entfernter Cousin der Bee Gees und war bereits einige Jahre zuvor im Duo The Marbles mit dem Hit "Only One Woman" erfolgreich. Mit ihm kam auch Roger Glover in die Band, der zuvor schon mit Blackmore bei Deep Purple gespielt hatte. Glover übernahm zusätzlich die Rolle des Produzenten. Mit von der Partie war in dieser Besetzung auch der Keyboarder Don Airey, der zuvor schon bei Colosseum II von sich reden gemacht hatte und nach seiner Rainbow-Zeit noch quer durch die Crème der Hardrock-Welt reisen sollte (Michael Schenker Group, Gary Moore, Ozzy Osbourne und später auch Deep Purple). In dieser Besetzung wurde 1979 das Album "Down To Earth" veröffentlicht, das - anders als seine Vorgänger – mit "Since You Been Gone", geschrieben von Russ Ballard, und "All Night Long" auch zwei Hitsingles enthielt. Daneben gab es im abermals orientalisch beeinflussten "Eyes Of The World" und dem harten "Lost In Hollywood" die gewohnten langen Solodialoge zwischen Gitarre und Keyboards. Alles in allem war, auch durch Bonnets Gesang, die Platte durchaus noch gewohnt hart, oder besser gesagt definitiv härter als Rainbow's Erstling, andererseits wirkte die Produktion insgesamt glatter als die Vorgängeralben, woran auch der Bass von Roger Glover seinen Anteil hatte. Dieser fiel gerade im Vergleich zum zuvor rhythmisch stark variierenden, die anderen Instrumente zuweilen antizipierenden Daisley als doch sehr beat- und grundtonlastig auf. Letztlich waren bereits hier erste Annäherungen an den in den folgenden Alben doch recht deutlich eingeschlagenen Mainstream-Sound erkennbar.
Von April bis Juli 1979 versammelten sich nun die drei neuen Kollegen mit den beiden alten und bastelten an den Songs für's nächste Album. Es sollte ein Neustart der Band werden. Ritchie Blackmore strebte einen insgesamt mehr kommerziellen Rocksound an, um so mehr Singles verkaufen zu können. Sein Ziel war es, endlich ganz oben in den Charts zu erscheinen. Mit progressivem Rock sollte nun Schluss sein. Produziert wurde das Album von Roger Glover. Das mit den Charterfolgen funktionierte letztlich. Die beiden Singles-Auskopplungen "Since You Been Gone" und "All Night Long" gefielen gut und erreichten erste aussichtsreiche Platzierungen innerhalb der britischen Top Ten (Rang 5 und 6). Aber immer noch nicht war der Supererfolg in den USA in Sicht. Was der Fan auf "Down To Earth" letztlich zu hören bekam, war eine Mischung aus dem Rock-Album davor und ein Vorgeschmack auf das nachfolgende Album. Die Musik auf "Down To Earth" war teilweise massenverträglicher Poprock (wie zum Beispiel die beiden erwähnten Singles) und durchaus immer noch progressivem Rock. Hier sei vor allem das Stück "Eyes Of The World" erwähnt. Das Stück wäre auch mit Ronnie Dio gut vorstellbar gewesen. Auch "No Time To Lose" war eines der eindeutigen Highlights des Albums. Wie gut sich hier Graham Bonnet in die Band einfügte, war bemerkenswert. Auch die beiden Verschnaufpausen in Form der Titel "Makin’ Love" und "Love's No Friend" waren durchaus zwei Stücke der eher progressiveren Seite. Zum Abschluss schliesslich preschte die Band mit dem Stück "Lost In Hollywood" in ihre neue musikalische Zukunft, welche einerseits Härte, aber auch viel Melodiosität versprach.
Diese Zukunft ging dann allerdings ohne den Ausnahmesänger Graham Bonnet weiter. Der startetet später mit der Band Alcatrazz (Yngwie Malmsteen) neu durch. Er passte, wohl nicht nur wegen seines Kurzhaarschnittes, letztlich doch zu wenig gut in das Blackmore-Leitbild der Band. Hörte man Graham Bonnet live singen, so war er schon ein würdiger Nachfolger für Ronnie Dio. Er klang zwar nicht so wie er, konnte aber die Titel des Abschnittes davor relativ gut wiedergeben. Sein Nachfolger hatte da leider grössere Probleme. Der Schlagzeuger Cozy Powell stieg dann nach Graham Bonnet ebenfalls aus der Band aus. Bis zu seinem Tod am 5. April 1998 spielte er noch bei verschiedensten Bands wie der Michael Schenker Group, Whitesnake, Gary Moore und weiteren mit. "Down To Earth" war letztlich in der Historie von Rainbow ein Album wie kein anderes, konnte der Hörer hier doch sehr gut eine musikalische Übergangsphase erleben. Mit ein wenig Kenntnissen über die Band und auch über die Bestrebungen von Ritchie Blackmore, hörte man hier schon Trends, welche die Band dann in den späteren Jahren hörbar veränderte. Bei Whitesnake wurde deren Werk "Slide It In" zum selben Zweck gleich zweimal eingespielt und abgemischt. Wieder einmal zeigte sich hier die Überlegenheit von Ritchie Blackmore, der immer genau wusste, wie er klingen wollte.
Während der Aufnahmen zum kommenden Album wurde Graham Bonnet durch den Amerikaner Joe Lynn Turner ersetzt. Blackmore hoffte, mit einem amerikanischen Sänger auch auf dem US-Markt Erfolg zu haben. Mit Turner wurden, wieder mit ansonsten wechselnden Besetzungen, die drei Alben "Difficult To Cure" (1981), "Straight Between The Eyes" (1982) und "Bent Out Of Shape" (1983) eingespielt. Die Musik dieser Alben entwickelte sich teilweise in Richtung radiotauglichem Mainstream-Rock, für deren Komposition Blackmore häufiger auf die Hilfe bekannter Auftragssongwriter wie Russ Ballard zurückgriff. Aus dieser Zeit stammte mit "I Surrender" (vom Album "Difficult To Cure") auch der erfolgreichste Song der Band, der in Grossbritannien Platz 3 in den Single-Charts erreichte und von Russ Ballard komponiert worden war. Eine weitere Besonderheit dieser Phase stellte jedoch auch der Titelsong von "Difficult To Cure" dar, der eine instrumentale Bearbeitung des Schlusssatzes 'Ode an die Freude' aus Beethovens 9. Sinfonie darstellte. Obwohl die Band nun in den USA etwas höhere Chartplatzierungen erreichte, blieb der erhoffte grosse Durchbruch in Amerika dennoch aus. Blackmore war wieder einmal mit der Gesamtsituation unzufrieden und versuchte erfolglos, Ian Paice und Ian Gillan von Deep Purple zu einem Einstieg zu bewegen. Nach dem letzten Konzert der 'Bent Out Of Shape'-Tour im März 1984 in Tokio löste Blackmore die Band vorerst auf und reformierte zusammen mit Roger Glover die erfolgreiche Mk II-Besetzung von Deep Purple.
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