Jun 16, 2017

KINGFISH - Trident (Jet Records JZ 35749, 1978)

Kingfish, der Namensbedeutung nach ein 'dicker Fisch'. Leider traf diese Bezeichnung aufdie Band Kingfish nie zu, sie schwamm stets in der zweiten Reihe der Bay Aera Bands mit, Chartserfolge gab es gar keine. Was ist dann der Grund, weshalb sich die Band bis heute eines grossen Bekanntheitsgrades erfreut ? Viele meinen, das dürfte mit dem Umstand zusammenhängen, dass der Grateful Dead Musiker Bob Weir die Band kurzzeitig angeführt hatte, was allerdings erstens so nicht stimmt und zweitens dieser fabelhaften Westcoast-Truppe Unrecht täte, würde man sie bloss auf die Anwesenheit von Mister Weir reduzieren. Die Band Kingfish war sehr viel mehr als nur die Begleitband eines grossen Musikers. Die Geschichte der Band Kingfish begann im Jahre 1967, als der Gitarrist, Mundharmonikaspieler und Sänger Matthew Kelly, der schon seit Beginn der 60er Jahre mit seiner Gruppe St. Matthews Blues Band unterwegs gewesen war, auf die beiden Musiker Dave Torbert (Bass) und Chris Herold (Schlagzeug) traf, die zu der Zeit in einer Band namens The New Delhi River Band spielten, einer Band, in welcher auch David Nelson gespielt hatte. Matthew Kelly trat dieser Band bei, die jedoch bald auseinanderfiel. In der Folge formierten Kelly, Dave Torbert und Chris Herold gemeinsam die Gruppe Shango, welche jedoch dermassen unbekannt und erfolglos blieb, dass sie sich dazu entschloss, als reine Begleitband zu agieren. Sie tat dies als Backing Band für den Sänger und Schauspieler Don Johnson. Unter dem Bandnamen Horses veröffentlichten sie mit Johnson die LP "Album Number One", auf welcher sich bereits einige Nummern befanden, welche später auch ins Repertoire der Band Kingfish Einzug halten sollten: "Cheyenne", "Jump For Joy" (damals noch "Run Rabbit Run" genannt), "Overnight Bag" und "Asia Minor".

Als auch das Album der Band Horses erfolglos blieb, trennten sich die Musiker und verteilten sich erst einmal in verschiedene Windrichtungen. Der Bassist Dave Torbert stieg bei den erfolgreichen New Riders Of The Purple Sage ein, Matthew Kelly verliess die USA und versuchte sein Glück in England, wo er der Gruppe Gospel Oak beitrat, einer Countryrock- und Bluesrock-Formation, welche im Jahre 1970 auch ein Album veröffentlichte. Im Jahr darauf verliess er die Band jedoch bereits wieder und kehrte zurück nach Kalifornien, wo er seine alten Kontakte wieder reaktivierte. Zusammen mit Chris Herold gründete er eine neue Band mit Namen Mountain Current, die sich 1972 in Lonesome Janet umbenannte. Bei dieser umbenannten und gleichzeit auch umbesetzten Gruppe spielte später der Gitarrist Robbie Hoddinott mit, der auch gleich den Bassisten Dave Torbert dazu bewog, die New Riders Of The Purple Sage wieder zu verlassen und mit ins neue Boot zu steigen. Als Torbert der Band beitrat, gab sie sich den Namen Kingfish.

Diese vielen Aktivitäten der Banmitglieder, noch lange vor der Gründung von Kingfish zeigen, dass die Musiker schon sehr viel Erfahrung mitbrachten, als sie unter dem neuen Banner anfingen, in den Clubs zu spielen. Die erste fixe Besetzung von Kingfish lautete: Matthew Kelly, Chris Herold, Dave Torbert, Robbie Hoddinott und Mick Ward, der ebenfalls von der Band Mountain Current, resp. Lonesome Janet, in welcher er als Keyboarder spielte, gekommen war. Kurz darauf buchten die Musiker auf eigene Rechnung ein Tonstudio, um erste Aufnahmen zu machen. Zeitgleich spielten sie immer mehr Gigs in der gesamten Bay Aera. Ein tragisches Unglück überschattete indes die Aufbruchstimmung in der Band, als Mick Ward 1973 bei einem Autounfall ums Leben kam. Die Band ersetzte den verstorbenen Ward indes nicht, sondern spielte in der Folge als Quartett weiter. Im darauffolgenden Jahr schloss sich der Grateful Dead-Musiker Bob Weir der Gruppe an. Weir war ein langjähriger Freund von Matthews Kelly, die beiden kannten sich seit der Kindheit. Bob Weir's Eintritt in die Band hatte gravierende Folgen für die Band, denn einerseits war die Aufnahme eines so prominenten Musikers bei Kingfish ein Segen, gleichzeitig war es aber auch ein Fluch, wie sich später noch herausstellen würde.

Durch den Zuwachs um Bob Weir stieg unvermittelt auch das öffentliche Interesse an der Band Kingfish, und zwar auch das Interesse der Plattenindustrie. In der Tat unterzeichnete die Gruppe auch bald darauf ihren ersten Plattenvertrag beim Dead-eigenen Label Round Records. Ab jetzt wurde die Band Kingfish allerdings je länger je mehr als blosse Begleitband von Bob Weir wahrgenommen. Weir selbst sah in der Gruppe Kingfish jedoch nie eine blosse Begleitband oder gar einen Grateful Dead Offshot, sondern sah seine Rolle klar als Gitarrist und Sänger in der eigenständigen Band Kingfish, der jedoch das bald folgende Debutalbum auch produzierte und dafür sorgte, dass zumindest mit dem Frontcover der Platte auch ein Bezug zum kunstvollen Coverdesign von Grateful Dead entstand. Das 1976 erschienene Album verkaufte sich sehr gut, auch, weil viele Deadfans das Werk natürlich kauften und auch die Konzerte von Kingfish besuchten. Eine nachfolgende Platte mit einem Konzertmitschnitt, der noch im selben Jahr mitgeschnitten wurde, kam nie offiziell auf den Markt. Erst im Jahre 2015 erschien es als inoffizielle Veröffentlichung unter dem Titel "Live At The Calderone '76" auf Shady Grove Records.


Das zweite offizielle Album der Gruppe Kingfish war allerdings ebenfalls ein Live-Werk. Es erschien aber erst nach dem Weggang von Bob Weir, der wieder aus der Band austrat, um sich ausschliesslich seiner Hauptverpflichtung bei Grateful Dead zu widmen. Trotzdem blieb er der Band Kingfish treu erhalten, spielte immer wieder als Gastmusiker, sowohl auf nachfolgenden Platten, als auch auf Konzerten mit. Ende 1976 verliess allerdings nicht nur Bob Weir die Gruppe, auch Robbie Hoddinott verliess Kingfish. Immer schneller drehte sich das Personalkarrussell, sodass schlussendlich der Gründer Matthew Kelly die einzige personelle Konstante bei Kingfish blieb. Selbst Kelly's späteres Soloalbum "A Wing And A Prayer" kann im Grunde als ein Kingfish-Werk angesehen werden, denn darauf spielten fast ausschliesslich ehemalige Kingfish-Musiker. Der Plattenvertrag mit Jet Records, der 1977 bereits das offizielle Live-Album "Live 'N' Kickin'" abwarf, führte 1978 zur Veröffentlichung des dritten Studioalbums "Trident", das einen markanten stilistischen Wandel innerhalb der Band markiete. Die bluesigen Elemente wie noch auf dem Debutalbum und vor allem auf dem Live-Werk präsentiert, waren fast gänzlich verschwunden. Stattdessen zeigten sich Kingfish als eine sehr süffige, sonnige und äusserst laidbacke Westcoast Poprock-Band.


Der das Album eröffnende und sehr frische Track "Hard to Love Somebody" war in seiner Coolness und Leichtigkeit meilenweit vom bluesigen Jamming der frühen Jahre entfernt. Ein absolut wundervoller Einstieg in eine ziemlich andere akustische Welt war das. Die beiden nächsten Songs des Albums, "Cheyenne" und "Hurricane", ersterer seit der Frühphase der Band im Repertoire und nun erstmalig auch eingespielt und veröffentlicht, präsentierten lufitg-leichten Westcoast-Sound, während das nachfolgende "Hurricane" dem Titel entsprechend recht (blues-)rockig ausfiel und durchaus an die Allman Brothers erinnerte, vor allem seines Slidegitarren Solos wegen, das von Michael O'Neill gespielt wurde, der den Song auch mitkomponiert hatte. Schönster Moment auf der ersten Seite des Albums war das verträumte und das einzige mit bluesigen Untertönen ausgestattete "Magic Eyes", das mit wundervollem mehrstimmigem Gesag brillierte und ungewöhnlich schöne Sologitarrenklänge präsentierte, die über weite Strecken an Craig Chaquico von Jefferson Starship erinnerten. Bei "Magic Eyes" spielte der Capricorn Records-Scout und Allman Brothers Protége Johnny Sandlin den Bass. Mit der B-Seite zeigten Kingfish ein etwas breiter gestreutes stilistisches Feld, das mit dem Opener "Movin' Down The Highway" und den nachfolgenden Stücken "Hawaii", "You And I", "Feels So Good" und "Take It Too Hard" so ziemlich jede Stimmungslage einfangen konnte, das man von einer typischen Westcoast-Truppe erwartete. Kurzum: die Platte hatte so ziemlich nichts mehr mit dem hippiesken Grateful Dead-ähnlichen Sound der beiden vorangegangenen Werke zu tun.


Dank der weiterhin bestehenden intensiven Kontakte zu Bob Weir und Grateful Dead erhielt die Band Kingfish jedoch immer wieder auch die Möglichkeit, weitere Platten zu veröffentlichen, die dann vor allem in den 80er Jahren auf dem Label Relix Records erschienen. Da die Plattenfirma Jet Records nach den relativ schlechten Verkaufszahlen der LP "Trident" ihren Vertrag nicht mehr verlängerte, trennten sich Kingfish, um fast sieben Jahre später dank der Connection zu Bob Weir, Grateful Dead und letztlich Relix Records wieder zusammenzukommen und schliesslich ab 1985 auch wieder Platten zu veröffentlichen. Ein erstes im selben Jahr herausgebrachtes Album mit dem schlichten Titel "Kingfish" umfasste lediglich frühe Aufnahmen der Gruppe, die bis dato noch nicht veröffentlicht worden waren und aus der Zeit zwischen 1973 und 1980 stammten. Eine der ersten Aufnahmen war hier der Titel "Mess Around" von 1973. Bei diesem Album zeigte sich auch, wie viele unterschiedliche Musiker bei der Gruppe im Laufe bei der Band gespielt hatten, denn die Stücke klangen alle recht unterschiedlich, was dem Werk natürlich nicht wirklich einen sogenannten roten Faden beschied. Für Fans aber war diese Veröffentlichung endlich mal wieder ein Lebenszeichen ihrer Lieblinge. "Alive in Eightyfive" folgte sogleich und präsentierte ältere und neuere Liveaufnahmen der Band. Danach waren Kingfish noch einige Zeit aktiv, trennten sich jedoch erneut und für viele Jahre.

1999 kam es zu einer Reunion, in dessen Folge ein neues Studioalbum mit dem Titel "Sundown On The Forest" auf Phoenix Rising veröffentlicht wurde. Hier spielte Matthew Kelly wieder mit vielen seiner ehemaligen Musikkumpels aus der gesamten Bay Aera zusammen ein topmelodisches, hochmotiviertes Album ein, das aber leider trotz der Beteiligung von Jerry Garcia und Bob Weir, sowie Jenni Muldaur, der Tochter von Maria Muldaur, wiederum kein grösseres Medienecho auslöste, weshalb dieser Reunion-Versuch von Kelly auch nicht weiter verfolgt wurde. 2015 folgte dann noch das bereits erwähnte Live-Dokument vom Auftritt im Jahre 1976 in der Calderone Concert Hall, Hempstead, New York vom 27. März 1976, das als inoffizielle Platte bereits vorher kursierte. Nun authorisiert von Matthew Kelly und nachbearbeitet, zeigte es unter dem Titel "Bob Weir & Kingfish - Minglewood Blues" ein Potpurri der herausragenden Kompositionen der frühen Jahre der Gruppe, die leider nie den Erfolg feiern konnte, der ihr zugestanden hätte.








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