Apr 12, 2016


GINGER BAKER'S AIRFORCE - Ginger Baker's Airforce (Polydor 2662 001, 1970)

Es war eine wilde Zeit und es war der Start des Underground, Progressive, Hard und was immer Rock, was sich ab 1968 nach und nach entwickelte. Eine der ersten progressiven Rock Bands dürften CREAM gewesen sein. Mit ihnen fegte ein Tornado durch die Musiklandschaft der ausgehenden 60er Jahre. Er fegte sowohl das fröhlich-naive Hippietum weg, aber auch die psychedelische Musik, die noch ein Jahr zuvor die Musikhörer mit einem Schleier der Glückseligkeit überzog. CREAM indes existierten nicht allzu lange, wie das auch anderen Bands damals erging: Sie kamen, hebelten die bis dato geltenden Gesetze der populären Musik aus und verschwanden wieder. Nach CREAM kamen BLIND FAITH, eine der einflussreichsten und ebenso kurzlebigsten Bands der Rockgeschichte überhaupt: Gerade mal ein bahnbrechendes Album erschien von der Gruppe, die nicht einmal ein Jahr existierte. Trotzdem gilt ihr Werk bis heute als Meisterwerk der Rockgeschichte. In beiden Bands trommelte Ginger Baker, der in einer genauso kurzen Zeitspanne mit seiner eigenen kurzlebigen Band zwei bahnbrechende Alben hinterliess, beide aufgenommen im selben Jahr (1970) und auch sein Bandprojekt war genauso schnell wieder weg von der Bildfläche: Seine beiden Alben mit Airforce gelten als Meilensteine des progressiven Jazz Rock. Doch der Reihe nach...

Ginger Baker spielte zuerst Trompete in der Armee, bevor er, inspiriert durch Ken Colyer und Humphrey Lyttelton, zwei Jazz-Kapazitäten in den 50er Jahren, zum Schlagzeug wechselte. Bereits im Alter von gerade mal 16 Jahren spielte Baker in einer ersten professionellen Band, den Bob Wallis' Storyville Jazz Men. Daraus ergaben sich nach und nach Engagements etwa in den Bands von Jazz-Legende Acker Bilk oder Terry Lightfoot. Aber Baker zeigte auch ein grosses Interesse am aufkeimenden britischen Rhythm'n'Blues, der ihn auch mit bekannten Vertretern des Rock'n'Roll zusammenbrachte, bevor er im Jahre 1962 Alexis Korner's Blues Incorporated beitrat, wo er den Schlagzeug-Posten eines gewissen Charlie Watts übernahm, der zu einer Band namens The Rolling Stones wechselte. Schon im darauffolgenden Jahr verliess Ginger Baker zusammen mit dem Bassisten Jack Bruce und dem Organisten und Saxophonisten Graham Bond die Band von Alexis Korner und sie gründeten gemeinsam die Graham Bond Organization. Hier entwickelte Ginger Baker nun seine später zum Markenzeichen seines Spiels werdende Mixtur aus jazzigen Grooves, die im Rock ihre Bodenhaftung fanden. Wahrscheinlich müsste man heute folgerichtig Ginger Baker als den allerersten Jazz-Rock Fusion Schlagzeuger bezeichnen. Während dreier Jahre spielte Baker in der Graham Bond Organization, bevor er im März 1966 ein Konzert von Eric Clapton sah, der damals bei John Mayall's Bluesbreakers spielte. Nach diesem Auftritt trafen sich die beiden Musiker, nachdem sie sich bereits einige Jahre zuvor persönlich kennengelernt, jedoch nicht zusammen Musik gemacht hatten und erwogen die Möglichkeit, eine gemeinsame Gruppe auf den Weg zu bringen. Da Baker auch gleich den Bassisten präsentieren konnte, war mit Jack Bruce die neue Gruppe, genannt CREAM auch schon beschlossene Sache. Während der nächsten zweieinhalb Jahre waren CREAM die Aufbruch-Band des Rock schlechthin und beeinflussten und veränderten die Musikszene nachhaltig. Zusammen mit der Jimi Hendrix Experience erfanden sie quasi auch eine neue Form der Rock Gruppe: Das sogenannte Power Trio, ein Bandformat, das sich bis heute gehalten hat.

Nachdem CREAM auseinanderfiel, Clapton bereits einige Zeit mit dem ehemaligen Spencer Davis Group-Mitglied und Sänger/Keyboarder von TRAFFIC Steve Winwood zusammenspielte, entstand die kurzlebige Band BLIND FAITH, die mit Rick Grech am Bass und Ginger Baker am Schlagzeug eine Single und ein Album einspielte, jedoch schon nach wenigen Monaten wieder auseinander fiel, weil die Gruppe sofort den Status "Supergroup" verpasst erhielt, und der sensible Eric Clapton eigentlich im Grunde das genaue Gegenteil suchte: Er wollte den Blues spielen, und nicht als Superstar im Rampenlicht stehen. Er schloss sich der Touring Band von Delaney & Bonnie an und gründete 1970 seine nächste Formation DEREK & THE DOMINOS. Ginger Baker nutzte die Chance, vermehrt den Jazz in seine Musik einzubauen und gründete die Band Airforce, zusammen mit Steve Winwood und Rick Grech. 

Zu seiner Airforce stiessen weitere Musiker. So sein alter Freund Graham Bond und der Be Bop Schlagzeuger Phil Seamon. Des weiteren Denny Laine als Sänger und Gitarrist, ehemaliger Sänger bei den Moody Blues, der später zu Paul McCartney's Wings wechselte. Schliesslich kamen noch zwei Bläser hinzu, und zwar der ehemalige TRAFFIC-Saxophonist Chris Wood und der Flötist und Saxophonist Harold McNair, der zuvor in der Band von Folk-Troubadour John Martyn gespielt hatte. Der nigerianische Perkussionist Remi Kabaka und Graham Bond's Ehefrau Diane Stewart plus Jeanette Jacobs als Sängerinnen vervollständigten die Gruppe, die somit als zehnköpfiges Unternehmen an den Start ging. Als Ginger Baker's Airforce bestritt die Band dann lediglich zwei Konzerte, in der Birmingham Town Hall im Januar 1970 und einige Wochen später in der legendären Royal Albert Hall in London. Die Kritiken ihres Auftrittes in Birmingham waren so enthusiastisch ausgefallen, dass Baker sich dazu entschloss, das Konzert in der Royal Albert Hall live mitschneiden zu lassen. So gelangte das Konzert als erste Airforce-Veröffentlichung in Form einer Doppel-LP im Mai 1970 in den Handel. Die als "Airforce One" gemeinhin betitelte Platte kletterte schon nach kurzer Zeit in den Charts bis auf Rang 33 in den USA auf Rang 37 in England, was Baker allerdings eher als einen Misserfolg wertete, war er sich doch mit CREAM und BLIND FAITH schon Top-Platzierungen gewohnt gewesen. 

Dies tut der Qualität der Doppel-LP jedoch keinen Abbruch: Der Auftritt gleicht einem wahren Sound-Spektakel, und das vom legendären Jimmy Miller produzierte und von Andy Johns aufgenommene Konzert sprüht vor Energie, musikalischem Können und vor allem vom genialen Improvisieren. Für das Album steuerte beispielsweise mit dem Opener "Da Da Man" der Flötist und Saxophonist Harold McNair eine starke Nummer bei, die der jazzigen Grundausrichtung von Beginn weg Rechnung trägt. Gefolgt vom traditionellen Bluestitel "Early In The Morning", der sich durch die Beigabe afrikanischer Perkussionsinstrumente als so etwas wie einen Afro-Weltblues präsentierte, geriet die Intensität und grosse Spielfreude in der von Steve Winwood und Ginger Baker gemeinsam geschriebenen Nummer "Don't Care" zu einem ersten kreativen Höhepunkt des Konzertabends. Die Nummer brilliert durch das sehr intensive Saxophon-Trio, gespielt von Chris Wood, Graham Bond und Harold McNair. Baker's Schlagzeug-Orgie "Toad" aus CREAM-Zeiten zeigte sein ganzes rhythmisches Können, bevor der Nigerianer Remi Kabaka mit dem von ihm komponierten "Aiko Biaye" den nächsten Höhepunkt zeigte: Afrikanische Musik, von Baker grandios getrommelt und mit der Perkussion rhythmisch perfekt harmonierend, geriet zu einem wahren Feuerwerk. "Man Of Constant Sorrow" sorgte für den leicht reduzierten Rock-Anteil im Live-Repertoire. Der Traditional wurde von Denny Laine gemeinsam mit Ginger Baker arrangiert und die BLIND FAITH-Nummer "Do What You Like", geschrieben von Rick Grech und Ginger Baker, wurde auch hier in dieser Live-Aufführung zum alles überstrahlenden Titel. Dieses knapp viertelstündige Jam-Stück gehört für mich noch immer zu den allerbesten Jam Songs, die je geschrieben wurden. Hier stimmt einfach alles: Die sexy Rhythmik, die Melodie und die grossartigen langen Instrumental-Darbietungen. Das Konzert und auch das Album findet seinen Abschluss schliesslich im finalen "Doin' It", einer weiteren energetischen und kraftvollen Nummer aus der gemeinsamen Feder von Rick Grech und Ginger Baker. Auch dies ein Stück, das die beiden schon zu Blind Faith Zeiten geschrieben hatten.

Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Albums hatten Steve Winwood, Rick Grech und Chris Wood die Gruppe bereits verlassen und Ginger Baker komplettierte die Gruppe sogleich mit neuen Musikern. Eine Tournee geriet indes infolge halbleerer Hallen zum finanziellen Fiasko und auch die zweite Airforce LP fand nur mässig Käufer, obwohl auch sie exzellent war. Ginger Baker löste daraufhin die Gruppe auf, reiste nach Afrika und liess sich in Lagos nieder, wo er afrikanische Rhythmik studierte und ein Tonstudio eröffnete. Ginger Baker, als Mensch ein eher schwieriger Charakter, gilt noch heute als einer der besten Schlagzeuger aller Zeiten und sein erstes Album, das er mit Airforce veröffentlicht hat, als Meilenstein.



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