Apr 4, 2016


CONEY HATCH - Coney Hatch (Anthem Records ANR-1-1037, 1982)

Es gibt Platten, zu denen hat man irgendwie ein spezielles Verhältnis. Die erste LP der kanadischen Hard Rock Band Coney Hatch gehört für mich zu diesen Platten. Es ist jedoch nur eine in einer ganzen Reihe von Platten aus Kanada, die mich nachhaltig beeindruckt haben, sodass ich sie mir heute noch anhören kann, als ob es der erste Hördurchgang wäre. Es sind Platten, die sich musikalisch einfach nicht abnutzen, weil sie auf eine ursprüngliche, ja fast schon hausbackene Art und Weise aufgenommen und arrangiert wurden, sodass ihnen jeglicher zeittypische Trend fehlt. Zu einer Zeit, als viele Bands (auch im Bereich des Hard Rock) den Synthesizer entdeckten, da und dort gar mit digitalen Schlagzeugen experimentierten, hielten manche Band stoisch an den altbewährten, traditionellen Arrangements fest, weil sie sich der langen Tradition des klassischen Hard Rocks verpflichtet fühlten. Wenn man sich heute ab und zu Alben aus jener Zeit anhört, und mit der teils grusligen und kalten Musik von Anfang bis Mitte der 80er Jahre konfrontiert wird, dann zupft man sich instinktiv etwas noch Älteres aus dem Regal, weil man einfach mehr erdigen, warmen Sound auflegen will. Die Band Coney Hatch gehört unbedingt zu diesen währschaften, ehrlichen und knackigen Hard Rock Bands der alten Schule. Gesegnet mit dem Talent, perfekte Songs zu schreiben, die trotz ihrer fetten Härte auch immer hochmelodisch bleiben und zum mitsingen animieren, würde ich heute die gebotene Musik auf ihrem Debutalbum als eine Art härtere und trockenere Ausgabe von Loverboy oder Foreigner bezeichnen.

Produziert wurde dieses Debutalbum von Kim Mitchell, dem Gitarristen der legendären kanadischen Band MAX WEBSTER und prominentester Verehrer der Musik dieses Albums ist Steve Harris von Iron Maiden, der dieses Album zu den besten Hard Rock Platten aus Kanada zählt. Diese Musik trug das Etikett "Maple Leaf Mayhem" und stand für den typischen melodiösen Hard Rock aus Kanada, wie ihn neben Coney Hatch auch Max Webster, Triumph, Moxy, April Wine oder Frank Marino mit seiner Band Mahogany Rush spielte. Dabei stand Kanada lange im Schatten des übermächtigen Amerika, und es gab ausser ein paar wenigen Bands, die mit Welthits berühmt wurden (etwa The Guess Who oder deren Nachfolger Bachman Turner Overdrive) nicht sehr viele der "Canuck" Bands, die international grössere Erfolge feiern konnten. England war und ist stärker mit Kanada verbunden, und viele Platten wurden auch in England veröffentlicht, was dazu führte, dass so manch europäischer Musikfan besser über die kanadische Musikszene informiert war als der amerikanische Hörer. Platten von in Kanada sehr erfolgreichen Bands wie Head East, Chilliwack, Trooper oder den Stampeders ("Hit The Road Jack") wurden auch in Europa, oft sogar in Deutschland veröffentlicht.

In Amerika hingegen war alles einfach irgendwie "gross": Grosse Highways, grosse Musik, big Hair, big Women, big Ideas. Geographisch bedingt galten die USA letztlich dennoch als die grosse Verlockung, und so manche kanadische Band machte sich auf, in die Fusstapfen etwa von Ted Nugent, Kiss, REO Speedwagon, Angel oder Blue Öyster Cult zu treten, meist ohne deren Reputation jemals zu erreichen. Dennoch gelang es auch Coney Hatch in den Folgejahren nach dem Debutalbum, in Amerika eine treue und grössere Fangemeinde aufzubauen, obwohl nie ein nennenswerter kommerzieller Erfolg daraus resultierte. Letztlich blieben auch Coney Hatch, wie so manch andere "Canuck" Band auch, ein rein kanadisches Phänomen.

Dass dieses erste Album der Band noch heute so zeitlos rockt ist dem Umstand geschuldet, dass die Musiker zuvor in einer entsprechenden Band gespielt hatten: In Toronto als Cover-Rockband gestartet, hatte man Titel von AC/DC, den Rolling Stones, Aerosmith und Cheap Trick gespielt und Leadsänger Andy Curran erinnert sich, eine Reise nach London gemacht zu haben, eigentlich, um Bands, die er sehr mochte, live zu erleben: Thin Lizzy, Saxon und Accept. Stattdessen kam er von seiner Reise mit Platten von den Sex Pistols, Ultravox und 999 ("Homicide") zurück. Die neu formierte Band Coney Hatch kriegte dann von all diesen Einflüssen einige Häppchen ab: Ein bisschen Punk, viel Riff Rock und eben die grossen Melodien des klassischen kanadischen Hard Rocks. Produzent und Musiker Kim Mitchell nahm mit der Band die Stücke für das Debutalbum auf, das im Juli 1982 erschien. Die Gruppe ging anschliessend auf Tournee in Kanada und den USA, und zwar als Support Act der laufenden "Screaming For Vengeance" Tour von Judas Priest. Die Platte wurde ordentlich verkauft in den USA, in Kanada erhielt sie gar Gold für mehr als 50'000 verkaufte Exemplare. Im Jahr darauf nahmen sie mit "Outta Hand" ihr zweites Album auf und wiederum gingen sie mit einer berühmten Band als Support Act auf Tournee. Diesmal war es die "Piece Of Mind" Tour von Iron Maiden. Da Coney Hatch als Live-Band immer zu überzeugten wussten, konnten sie sich als kompetente und ehrliche Hard Rock Band profilieren.

Die Band bestand aus dem singenden Bassisten Andy Curran, den Gitarristen Carl Dixon und Steve Shelski, sowie Schlagzeuger Dave Ketchum, einem grossen Fan von THE WHO Schlagzeuger Keith Moon, was man auch in seinem harten und dennoch perkussiv-rollenden Drum-Stil an vielen Stellen des Albums heraushören kann. Die gesamte Platte überzeugt durch kernige, perfekt rollende Hard Rock Nummern, von denen vielleicht das schleppende "Stand Up", das riffige "Devil's Deck" und das etwas kommerziell geratene "Hey Operator", das auch als Single in Kanada recht erfolgreich war, die interessantesten sind. Erwähnenswert ist sicherlich auch das wundervolle Plattencover, designed von dem kanadischen Illustrator Martin Springett, der unter anderem auch für Ian Hunter (Debutalbum) oder die Gruppe ARGENT ("Circus") als Gestalter von Plattencovern tätig war.


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