TONY BANKS - A Curious Feeling (Charisma Records CAS 1148, 1979)
Tony Banks war der massgebliche kreative Eckpfeiler bei Genesis. Doch während sämtliche Musiker der Gruppe erfolgreiche Solokarrieren lancieren konnten, blieben die eigenwilligen Werke von Tony Banks eher erfolglos. Heute ist vielen Musikhörern vermutlich nicht einmal bekannt, dass er überhaupt Soloplatten veröffentlicht hat. Den Künstler Tony Banks frustrierte das so sehr, dass er lange Zeit gar keine Soloalben mehr veröffentlichte und sich ziemlich aus dem Rampenlicht verabschiedete. Dass Tony Banks' Soloalben durchwegs erfolglos blieben, liegt hauptsächlich daran, dass er stets versucht hat, massenkompatible Popmusik zu schreiben. Er hatte mit Nik Kershaw oder Fish sehr illustre Gastsänger, mal versuchte sich Banks auch selbst als Sänger. Am Ergebnis änderte das nie etwas: seine Popmusik war meist farblos und langweilig und extrem erfolglos. Ein Teil des Niedergangs von Genesis mag auch darin begründet liegen, dass Tony Banks wohl auf Gedeih und Verderb erfolgreiche Popsongs schreiben wollte.
In Kooperation mit Phil Collins und Mike Rutherford war ihm das in den 80er Jahren durchaus gelungen. Doch auf sich alleine gestellt gelang ihm das nie. Es mag deshalb vielleicht etwas seltsam anmuten, dass es zu Anfang durchaus vielversprechend für Tony Banks' Solokarriere aussah. Nach dem Genesis Album "And Then There Were Three" und den akuten Ehe- und Alkoholproblemen von Phil Collins einigten sich die verbliebenen Genesis Musiker auf eine einjährige Bandpause. Collins wollte sein Leben und seine Ehe in den Griff kriegen (und sammelte dabei erste Ideen für sein Debutalbum), während Mike Rutherford und Tony Banks ihre ersten Soloalben produzierten. "A Curious Feeling" ist ein Konzeptalbum mit einer recht seltsam anmutenden Geschichte. Etwas, das man im Progressive Rock Bereich kennt und liebt und es sollte durchaus aufhorchen lassen. Banks erzählt auf seinem Album die Geschichte eines Mannes, der einst als Kind eine Wette mit dem Teufel einging und schwor, sich niemals in eine Frau zu verlieben. Als der Mann sich Jahre später dann schliesslich doch verliebt (und die Wette mit dem Teufel vergessen hat) fordert die Wette ihren furchtbaren Tribut.
"A Curious Feeling" war zwar musikalisch nicht unbedingt auf dem bekannten Genesis Sound aufgebaut, trotzdem vermischte Tony Banks die Sounds von "Wind And Wuthering" und "And Then There Were Three" und liess bereits viel vom späteren Genesis Album "Duke" erahnen, doch Banks setzte die Thematik des Albums mit sehr viel Gefühl und Stilsicherheit um. "A Curious Feeling" war das Album, auf welchem man am besten den grossen Einfluss von Tony Banks auf die Musik von Genesis heraushören konnte. Einige Stücke von "A Curious Feeling" könnten durchaus auch auf den erwähnten Genesis Alben vorhanden sein.
Der Einstieg in das Album mit dem opulenten "From The Undertow" fiel sehr schwermütig aus, was vor allem die Melodielinie des Klaviers unterstrich. Die nachfolgend teilweise recht bombastisch arrangierten Instrumentaltitel wie "Forever Morning" und "The Waters Of Lethe" hingegen boten erstklassigen Progressive Rock, der zeitlich sehr viel früher angesiedelt war als im Jahre 1979, in welchem diese Platte erschien. Somit konnte man hier durchaus ein "Déjà Vu" erleben, wenn man sich beispielsweise noch an die Genesis etwa von 1974 erinnerte. Das Stück "You" war eines der Highlights auf dem Album, das eher verhalten begann, sich gegen die Mitte hin jedoch kontinuierlich steigerte und förmlich zu explodieren schien und schliesslich in einem phänomenalen Instrumentalteil überzeugte. Hier zog Tony Banks alle Register seines Könnens. Einer der besten Songs, die er überhaupt komponiert hatte. Daneben fanden sich auf dem Album allerdings auch Nummern, die nahe an der Popmusik angesiedelt waren, wohl auch, um noch einmal den Versuch zu unternehmen, kommerziell zu reüssieren. Im Kontext zur ganzen Platte fallen diese Titel jedoch leider etwas ab. Mir persönlich gefällt das natürlich, denn ich mag solche Stilbrüche immer, bringen sie doch nebst der Abwechslung auch immer eine gewisse Ruhe und etwas leichte Konsumierbarkeit in den Gesamtsound mit ein. Kritiker jedoch sehen darin immer ein Zugeständnis in Richtung Vermarktbarkeit und Loslösung vom Gesamtkonzept. Ich halte das für etwas übertrieben. Ein Beispiel für diesen Pop-Appeal bietet der Song "Lucky You". Schön gemacht, losgelöst vom Rest der Musik und eine ganz eigene Facette und vor allem ein hervorragender Songtext, was im klassischen Pop ja auch nicht wirklich Standard bedeutet, oder ?
Tony Banks zeigte auf diesem alles in allem hervorragenden Album, dass er leichten Pop gekonnt mit teilweise recht anspruchsvollem und bisweilen leicht sperrigem Progrock hervorragend zu kombinieren wusste. Seine Popeinflüsse waren hier weit weg von jeglicher Banalität und in seinen progressiv ausgelegten Stücken zeigte er, welch herausragenden Titel er auch in diesem Bereich stets imstande war, zu schreiben. Warum diese Progressive Rock Einflüsse dann immer mehr zurück gingen in seiner Musik, ist wohl vor allem mit dem Zeitgeist und den damit verbundenen musikalischen Trends und den grundsätzlichen Veränderungen in der Musikwelt zu erklären. Hätte Tony Banks die Linie seines ersten Soloalbums fortgesetzt, hätte er womöglich einen ähnlich populären Status wie Steve Hackett erreichen können.
"A Curious Feeling" ist die Musik, die jedem Fan der älteren Genesis und jedem Freund von keyboarddominierten Konzeptalben der etwas schwermütigen Sorte gefallen wird. Tony Banks liess sich auf seinem Debütalbum von Kim Beacon am Gesang und dem damaligen Konzert-Schlagzeuger von Genesis, Chester Thompson, unterstützen. Banks spielte ansonsten sämtliche Instrumente selbst, auch die Saiteninstrumente. Im charakteristischen Klaviersound des Musikers spielten die Gitarren hier aber eher eine untergeordnete Rolle. Das Album atmete noch wunderbar den Geist der ausgehenden 70er Jahre und war der etwas wehmütige Beweis, dass Tony Banks zweifellos ein begabter Komponist war. Der kommerzielle Erfolg war ihm nie beschieden, doch eine treue Hörerschaft attestierte ihm stets ein unglaubliches Talent für komplexe, anspruchsvolle und nachhaltige Musik, die man sich noch nach vielen Jahren mit Genuss anhören kann, und die nie etwas von ihrer Faszination verliert. "A Curious Feeling" ist hierfür ein eindrücklicher Beweis.
No comments:
Post a Comment