Apr 2, 2016


MANTIS - Turn Onto Music (Vertigo Records 6414 851, 1973)

Eine der seltensten Platten der Rockmusik kommt von den Fiji Inseln. Die Gruppe Mantis veröffentlichte im Jahre 1973 ihr einziges Album "Turn Onto Music" in Neuseeland auf dem renommierten Vertigo Plattenlabel in einer Auflage von gerade mal 300 Stück. Die LP wurde nicht ausserhalb von Neuseeland vertrieben, sondern lediglich via Mailorder verkauft, die meisten LPs wurden in Neuseeland selber und auf den Fiji Inseln an Konzerten der Gruppe verkauft. Das ist insofern schade, als dass die Band einen überaus professionell klingenden, sehr ansprechenden Mix aus dem Latino Rock etwa von Santana oder Malo spielte, diesen jedoch mit hartem Garagenrock kombinierte, sodass ihre Musik manchmal an die Band Titanic, an einigen Stellen sogar an die Stooges erinnerte. Das Album wurde aufgenommen anlässlich eines Aufenthalts der Band in Wellington, Neuseeland. Die Gruppe spielte dort und in der weiteren Umgebung von Wellington zahlreiche Konzerte und erhoffte sich dadurch, ausserhalb der Fiji Inseln den Sprung nach Australien zu schaffen und damit verbunden Fans weltweit zu erreichen. Daraus wurde leider nichts, die Gruppe verblieb letztlich in ihrer Heimat und löste sich irgendwann auf. Der genaue Zeitpunkt des Auseinanderfallens der Band ist nicht dokumentiert, auch nicht, was aus den einzelnen Bandmitgliedern geworden ist.

Der Lead Gitarrist der Band war der Albino Waisea "Wise" Vatuwaga. Er galt als unbestrittener Gitarrenheld auf den Fiji Inseln, war schon seit den 60er Jahren aktiv und galt in der Hauptstadt Suva als der unbestrittene Lokalmatador. Mit seiner ersten Band, THE DRAGON SWINGERS, war er bis Anfang 1973 aktiv und spielte vorwiegend im Golden Dragon Night Club in Suva, einem Musik Club, geführt von Ken Janson, der bis heute existiert. Einer Filmcrew aus Neuseeland ist es zu verdanken, dass die Band eine Offerte annahm, gemeinsam mit ihr nach Neuseeland zu fliegen und bei einem dort ansässigen Musikveranstalter vorzuspielen. Eddie O'Strange, damals eine der schillerndsten Figuren in Neuseelands Szene, der als Radiomoderator, Plattenproduzent, Orchester-Dirigent, Musiker, Theater-Manager und gar als Drehbuch-Schreiber arbeitete, war von den Jungs der Gruppe Mantis begeistert und vermittelte ihnen Auftritte, zuerst in seinem eigenen Club "Ziggys", später auch in anderen Lokalitäten. Eddie O'Strange ermöglichte der Band schliesslich auch einen Plattenvertrag mit Polygram Records New Zealand. Die Verantwortlichen dort waren begeistert von der grossen Stilvielfalt der Gruppe, die inzwischen von Latino Rock über typischen pazifischen Funk bis zum klassischen Hard Rock reichte. Am Ende spielten Mantis eine hervorragende Platte ein, die auch konzeptionell zu gefallen wusste. Seite 1 der LP zeigte ausschliesslich Coveraufnahmen von bekannteren und unbekannteren Songs, welche die Band teils seit Jahren in ihrem Live-Repertoire hatten.

Die Seite 2 hingegen war ein Meisterwerk: Die 22 Minuten lange instrumentale und sehr perkussiv ausgelegte "Island Suite", eine psychedelisierte und mächtige Funk-/Latin- und Garage-Rock Suite, bestehend aus den drei ineinander fliessenden Teilen "Firewalker", "Back At The Village" und "Hurricane Bebe". Mit viel Fuzz- und Wah Wah-Gitarren, Feedback-Orgien und unbändigen Rhythmen klang diese Suite wie eine Art "Jimi Hendrix trifft auf den Latino Funk von Santana". Eddie O'Strange sorgte mit dem Einsatz eines ARP Synthesizers dafür, dass die Band mit exotischen Stilmitteln experimentierte, unter anderem den Klang eines Theremine modulierte, währenddem die Band die schiere Wucht und zerstörerische Kraft der die Fiji Inseln regelmässig heimsuchenden Hurricanes musikalisch umsetzen wollten. Diese beiden Ausgangs-Ideen sorgten dafür, dass die 22-minütige Suite schliesslich über ihre gesamte Länge gleichbleibend spannend anzuhören war.

Die Coverversionen mussten sich allerdings auch nicht verstecken: Eine herzhaft rockende Version des Stücks "Mississippi Queen" von Leslie West's Mountain, eine kernige soul-rockige Variante von "Shake That Fat" der Gruppe Jo Jo Gunne, dazu den Soul-Klassiker "In The Midnight Hour" von Wilson Pickett. Bob Segarini's Titel "Day And Night" und Bo Diddley's "You Don't Love Me", sowie das aus der Feder des legendären Tommy James (& The Shondells) stammende Titelstück "Turn Onto Music" bildeten zusammen ein sehr unterhaltsam und stilistisch relativ breitgefächertes Programm, das allerdings von den Mantis-Musikern ziemlich aufgepeppt wurde: Ihr Funk- und Rock-Verständnis zauberte aus diesen Stücken ein richtiges Rhythmik-Feuerwerk und mit dem manchmal recht exzessiven Einsatz von Fuzz-Gitarre und Wah Wah Pedal erhielt das Ganze einen ziemlichen Garage Rock-Anstrich, der natürlich toll anzuhören war, 1973 aber so gut wie "totally out of fashion" war.

Die Platte der Band Mantis bleibt eines der unzähligen unbekannt gebliebenen Werke einer enthusiastischen Band, die leider auf der Strecke blieb damals. Ihr Ansinnen, die Musik und ein Stück der Kultur ihrer Heimat in professionell klingende Funk- und Rock-Rhythmen zu verpacken, gelang den fünf Musikern zwar bestens, doch blieben sie leider eine ausschliesslich lokale Erscheinung, die ausserhalb des pazifischen Raums kaum bis gar nicht wahrgenommen wurde. Da ihre einzige Platte allerdings auf dem heute unter Sammlern heiss begehrten Vertigo Label erschienen war, dürfte es in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich mehr Käufer von Nachpressungen oder CD-Varianten des Werks gegeben haben als damals. Infolge der nur geringen Auflage von 300 Exemplaren im Jahre 1973 gehört das Vertigo Original heute zu den teuersten Objekten der Begierde unter Sammlern. Die originale LP in Bestzustand wird inzwischen zu Beträgen weit jenseits der 1000 Euro Marke gehandelt.

http://www.dailymotion.com/video/x23dt3r_mantis-fiji-1973-turn-onto-music-full-album_music


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