Apr 15, 2016


THE CHILLS - Submarine Bells (Flying Nun Records FNCD148, 1990)

Von der leicht schrägen Jangle Pop-Gruppe zur waschechten Art Pop-Band hatte sich die aus Neuseeland stammende Band The Chills weiterentwickelt, und prompt konnten sie ihren ersten internationalen Plattenvertrag einheimsen. In Neuseeland auf Flying Nun Records veröffentlicht, übernahm das Warner Brothers Unterlabel Slash Records den weltweiten Vertrieb dieses zweiten Albums der Gruppe, die vom ersten bis zum zweiten Album einen wahren Quantensprung in stilistischer Hinsicht hingelegt hatte. Bot das drei Jahre zuvor veröffentlichte erste Album "Brave Words" noch etwas unausgegorenen Jangle Pop mit der Schrägheit etwa früher Talking Heads, so war die Gruppe bis zu ihrem zweiten Album zu einer wahren Art Pop-Gruppe gereift, deren Kompositionen äusserst spannend und sehr anspruchsvoll wirkten. Bisweilen erinnern die Songs auf ihrem Album "Submarine Bells" etwas an die britischen XTC, doch die Jangle-Elemente sind immer noch vorhanden. Diese Bezeichnung bezog sich auf das Power Pop-Revival ungefähr zu Mitte der 80er Jahre, als es noch einmal chic wurde, Songs wie die Byrds mit schwelgerischen Melodien zu kreieren, dabei den Indie-Charakter beizubehalten, und diese zumeist gut mitsingbaren Songs mit schmeichelnden Gitarren wie etwa der elektrischen 12-saitigen Gitarre, möglichst unverfälscht und weitestgehend effektfrei zu spielen. Diesen "cleanen" Gitarrensound pflegte beispielsweise die äusserst erfolgreiche Gruppe THE SMITHS, mit deren Musik man jene der Chills streckenweise durchaus vergleichen kann.

Doch zu ihrem zweiten Album wuchsen die Songs zu kunstvoll ausgearbeiteten Perlen, die sich von dem anfänglich immer leicht schrägen Independent Sound recht weit entfernten. Das Ganze klang jetzt wesentlich konsumierbarer, einfacher, ja auch besser auf den Punkt gebracht. Folgerichtig ernteten die Chills mit diesem Album sehr gute Kritiken und die aus dem Album ausgekoppelte Single "Heavenly Pop Hit" bescherte der Gruppe einen mittleren Hit, der weltweit über die damaligen Kanäle, vor allem aber als Videoinszenierung über MTV grosses Echo auslöste. In ihrem Heimatland Neuseeland landete die Platte, wie auch die Single ohne Umwege direkt an der Spitze der Charts: Nummer 1 in den Charts.

Die Chills bestehen aus Martin Phillipps (Gitarre und Gesang), Andrew Todd (Keyboards und Gesang), Justin Harwood (Bass und Gesang), sowie James Stephenson (Schlagzeug und Gesang). Für die Aufnahmen zu ihrem zweiten Album reiste die Band nach England, wo sie unter der Leitung des Produzenten Gary Smith, der bis dato bereits sehr erfolgreiche Platten von Independent Rock Gruppen wie den Pixies, Throwing Muses, den 10'000 Maniacs oder auch der Connells produziert hatte, in den Jacobs Studios in Farnham (Surrey) zwölf wundervolle Titel einspielten, von denen jeder dank seines individuellen Charakters bis heute absolut zeitlos geblieben ist.

Die Chills versuchten dabei nicht, bei irgendwelchen Vorbildern abzukupfern oder einen bekannten Sound zu interpretieren: Sie erschufen sich mit ihren Liedern einen ganz eigenen melancholisch-fröhlichen Kosmos, der im weitesten Sinne durchaus als Art Pop bezeichnet werden kann, wie er etwa für die Bands Japan, Roxy Music oder Be Bop Deluxe steht. Die Songs der Chills klangen zwar irgendwie neu, trotzdem konnte man ihre Musik mit ähnlich anspruchsvollen Bands aus den 70er Jahren vergleichen. Die Leichtigkeit in ihren Songs kam stets zu tragen, selbst wenn sie losrockten. Dann wiederum erreichten sie, wie bereits erwähnt, mühelos das Qualitätslevel etwa der SMITHS, die mit dieser Mixtur fast zeitgleich erfolgreich waren.

Unbedingt erwähnenswert ist, dass neben der Musik auch die Songtexte des Albums "Submarine Bells" von eindrücklicher Intensität und recht intellektuell ausgearbeitet sind. Neben dem bereits erwähnten Single-Erfolg "Heavenly Pop Hit" glänzen da vor allem die Songs "Familiary Breeds Contempt", "Effloresce And Deliquesce", "Singing In My Sleep" und "Part Past Part Fiction", die allesamt auch als Songs für sich selbt stehen und funktionieren. Die schiere Abwechslung des gesamten Albums wirkt dabei keinesfalls je schwer oder fordernd. Die Kunst der Chills ist es vielmehr, selbst in anspruchsvollsten Momenten erstaunlich unterhaltsam und bisweilen gar fast schon romantisch zu klingen. Das ist vor allem den einfachen instrumentalen Arrangements ihrer Songs geschuldet. Viel zum Wohlklang der Stücke tragen auch die hervorragenden mehrstimmigen Gesangslinien bei. Bis zum finalen Song der Platte, dem Titelstück "Submarine Bells" wird man von den Chills glänzend und elegant unterhalten. Das einzige Manko der Platte dürfte dabei ihre relative Kürze von gut 36 Minuten sein - nicht gerade üppig im Zeitalter der Compact Disc. Wobei: Weniger ist mehr. Wenn man es von diesem Blickwinkel aus betrachtet, ist der kurzen Gesamt-Laufzeit nichts entgegenzuhalten. Die Musik ist durchwegs auf sehr hohem künstlerischen Niveau. Das äusserst geschmackvolle Plattencover unterstreicht den künstlerischen Anspruch der Gruppe sehr eindrücklich. Für mich ein unverzichtbares Stück Popgeschichte, das ich mir immer wieder gerne auflege.




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