BILLY COBHAM - Crosswinds (Atlantic Records SD 7300, 1974)
Der Schlagzeuger und Komponist Billy Cobham wurde in Panama geboren, zog aber im Alter von drei Jahren mit seiner Familie nach New York City und wuchs dort auf. Sein Vater war Pianist und Cobham absolvierte bereits im Alter von 8 Jahren seine ersten Auftritte mit ihm. Cobham besuchte in seiner frühen Jugend Workshops mit Jazz-Grössen wie Thelonious Monk und Stan Getz. 1959 begann er sein Schlagzeug-Studium an der High School of Music and Art in Brooklyn, New York, das er 1962 mit Diplom abschloss. Nach drei Jahren in einer Band der United States Army (1965 bis 1968) wurde Cobham von Horace Silver entdeckt, mit dem er 1968 seine ersten Platten aufnahm. Anfangs näherte Cobham sich dem Free Jazz an, setzte sich aber Ende der 60er Jahre stilistisch davon ab und trug massgeblich zur Entwicklung von Jazz-Rock und Fusion bei. Er zählt seit den 70er Jahren zur Elite der Jazz Rock Schlagzeuger, was auch durch seine Mitgliedschaft im Mahavishnu Orchestra unterstützt wurde. Er wirkte auch bei Miles Davis' legendärem Album "Bitches Brew" mit.
Billy Cobham brachte zuvor unbekannte Spielweisen in die Rockmusik ein, die bis heute diese Musikrichtung beeinflussen; so verwendete er lateinamerikanische Techniken, die er auf das 'American Drumset' übersetzte. Hervorstechend war seine Technik wie beispielsweise die Nutzung der Double Bassdrum. Der spieltechnische Unterschied zwischen rechter und linker Hand war bei ihm aufgehoben, ein Hinweis auf Cobham's hohes spieltechnisches Niveau. Der kritisierten Kommerzialisierung des Jazz hielt er 1985 entgegen: "Wenn ich kein Geld verdiene, verliere ich die Chance, künstlerisch zu machen, was ich will. Ohne Geld hat man nichts zu essen, man kann nicht denken, man stirbt". Cobham spielte unter anderem mit Horace Silver und George Benson; Larry Coryell holte ihn für seine Produktion "Spaces" (1969). Von 1971 bis 1973 markierte er im Mahavishnu Orchestra den elaborierten Gegenpart zum Fusion Gitarristen John McLaughlin. 1973 bekam er einen Vertrag beim Atlantic Label und veröffentlichte sein erstes Album "Spectrum", welches vom Billboard Magazine als beste Jazz Platte ausgezeichnet wurde. Auf dem Album wirkten unter anderem mit: Tommy Bolin an der elektrischen Gitarre, Jan Hammer am Klavier und Leland Sklar am Bass. Seine erste Solo-Platte hatte zweifelsohne Jazz Rock Geschichte geschrieben.
Im selben Jahr landete er zusammen mit Eumir Deodato und Stanley Clarke mit dem Titel "Also sprach Zarathustra" in den USA und in England einen Top Ten Erfolg. In der Folge spielte er vorwiegend als Studiomusiker, in Sessions und in eigenen Projekten, dabei häufig zusammen mit Jan Hammer und George Duke (Keyboards), John Abercrombie und John Scofield (Gitarre) sowie Randy und Michael Brecker (Trompete und Tenorsaxophon). Auch wenn sein Erstling "Spectrum" ein Meilenstein der Fusionsmusik wurde, geriet meiner Meinung nach das zweite Album "Crosswinds" in seiner Gesamtheit noch eine Spur besser und war letztlich auch nicht so anstrengend zu hören, wie es teilweise beim Vorgänger der Fall war. Hier hatte Billy Cobham wieder eine Topmannschaft um sich geschart: die Brecker Brothers an Saxophon und Trompete, dazu an der Posaune Garnett Brown, an der Gitarre John Abercrombie, den Keyboards George Duke, die Percussions bediente Lee Pastora. Der erste Teil des Werks bestand aus einem Titel namens "Spanish Moss - A Sound Portait", der sich über 17 Minuten erstreckte und aus 4 Teilen bestand, die zusammengehalten wurden von Synthesizer-Windklängen. Aus dem Wind, in welchem auchch eine Glocke klang, schälte sich das "Spanish Moss"-Thema vom Saxophon vorgespielt und fugenartig von Trompete und Posaune aufgenommen, danach folgte das wunderbare "Savannah The Serene", stimmungsvoll, entspannt mit Posaunen- und einem E-Piano Solo in Szene gesetzt, dann wurde der Wind zum "Storm", ein wuchtiges Schlagzeug-Solo, das dem Titel gerecht wurde. Der vierte Teil "Flash Flood" kam schnell und äusserst dynamisch daher, mit einem hervorragenden Wah Wah Trompetensolo von Randy Brecker, gefolgt von einem Gitarrensolo von John Abercrombie.
Die B-Seite des Albums begann mit "The Pleasant Pheasant" mit funky Bläsersounds, einem sehr guten Tenorsaxophon-Solo von Michael Brecker, genial übergleitend in ein Moog Synthesizer Solo, gespielt von George Duke, gefolgt von beeindruckenden Schlagzeug- und Perkussions-Soli und darum herum kräftigen Bläsersätzen. Zum Ende hin bekam auch noch John Abercrombie seine Anteile. "Heather" war ein sehr besonderes Stück, sehr behutsam kam es aus dem Nichts, zart, meditativ, das Saxophon setzte wundervoll ein, später übernahm George Duke mit E-Piano Sprengeln. Als dann nach knapp achteinhalb Minuten der Titelsong folgte, wurde der Zuhörer richtiggehend aus einer inneren Versunkenheit geholt. "Crosswinds" zeigte sich dann wieder funky und kraftvoll mit der Gitarre von John Abercrombie als zentralem und auch solierenden Instrument. Dabei blieb die gesamte Platte jederzeit unangestrengt hörbar, auch für die eher weniger am Jazz-, als vielmehr am Rock- und Fusions-Bereich interessierten Hörer.
1977 bis 1980 spielte Billy Cobham dann unter Vertrag von CBS Records, danach wurde er als Freelancer selbständig. In den 90er Jahren spielte er häufiger mit jungen Musikerinnen und Musikern und überschritt auch die Genre-Grenzen. Dies manifestierte sich zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit The Grateful Dead oder Peter Gabriel. Ausserdem beteiligte sich Billy Cobham an TV-Produktionen über Jazz. 1992 und 1993 spielte und lehrte er im Auftrag der UNICEF in Brasilien, wo er ein Musikprojekt für Strassenkinder unterstützte. Um 2008 arbeitete er oft mit McCoy Tyner und Stanley Clarke im McCoy Tyner Trio zusammen. Darüber hinaus trat er auch mit der kubanischen Band Asere unter dem Namen Billy Cobham & Asere auf. Zum vierzigjährigen Jubiläum seines Debutalbums "Spectrum" formierte er das Projekt "Spectrum 40 Band" mit den Musikern Dean Brown, Ric Fierabracci und Gerry Etkins. Billy Cobham tourte auch mit seiner Billy Cobham Band in wechselnden Besetzungen durch Europa und Nordamerika, zuletzt mit Jean-Marie Ecay an der Gitarre, Michael Mondesir am Bass, Steve Hamilton an den Tasteninstrumenten und Camelia Ben Naceur, ebenfalls an den Keyboards. Daneben trat Cobham beispielsweise im April 2016 auch mit Ron Carter und Donald Harrison im Blue Note Club auf. Das Rolling Stone Magazine listete Billy Cobham im Jahre 2016 auf Rang 45 der 100 besten Schlagzeuger aller Zeiten.
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