Dec 21, 2017


MANI MATTER - I han es Zündhölzli azündt
(Zytglogge Records Zyt 24 DLP 30-204, 1973)

Der Schweizer Liedermacher und Chansonnier Mani (gebürtig Hans Peter) Matter wurde am 4. August 1936 im Spital von Herzogenbuchsee im Kanton Bern geboren. Sein Vater Erwin Matter war Fürsprecher, seine Mutter, die Niederländerin Wilhelmina Matter-de Haan, Sekretärin, sein Grossvater väterlicherseits Oberbetriebschef bei den Schweizerischen Bundesbahnen. Mani hatte eine zwei Jahre ältere Schwester, Helen. Von seiner Mutter wurde Hans Peter Jan, holländisch für Hans, genannt. Aus Jan wurde im Mund seiner Schwester Helen Nani. Leicht verändert wurde dann Mani zu seinem Pfadfindernamen. Innerhalb der Familie wurde ausschliesslich französisch gesprochen. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Bern. Er besuchte die Primarschule Enge (1943–47), das Progymnasium am Waisenhausplatz (1947–51) und das Gymnasium Kirchenfeld, wo er 1955 die Maturitätsprüfung bestand. In seiner Gymnasialzeit schrieb er sein erstes Chanson, "Dr Rägewurm", zur Melodie von "Ballade des dames du temps jadis" von Georges Brassens.

Da er nach dem Tod seiner Mutter zwei krampfartige Störungen erlitten hatte, wurde er dienstuntauglich erklärt und konnte so nach dem Gymnasium direkt an die Universität Bern. Er studierte zuerst ein Semester Germanistik, wechselte dann aber zur Jurisprudenz. 1963 erwarb er, unter anderem nach einem Praktikum am Amtsgericht Interlaken, das bernische Fürsprecherpatent. 1963 wurde Mani Matter Assistent beim Staatsrechtsprofessor Richard Bäumlin, 1965 erlangte er den Doktortitel bei Hans Huber mit der Bestnote 'summa cum laude'. 1967/68 verbrachte er mit seiner Familie, seiner Ehefrau Joy und den drei Kindern Ueli, Sibyl und Meret Matter, ein Jahr an der University of Cambridge und arbeitete dort an seiner Habilitationsschrift, die er bis auf die Fussnoten fertigstellte, aber nie einreichte. 1969 trat er die neugeschaffene Stelle als Rechtskonsulent der Stadt Bern an; ab 1970 bekam er daneben von der Universität Bern, unterdessen als Oberassistent, einen Lehrauftrag für Staats- und Verwaltungsrecht.

Mani Matter war mit seinen berndeutschen Chansons 1960 erstmals im Radio zu hören. Öffentliche Auftritte gab er ab 1967, zunächst stets zusammen mit den Berner Troubadours. Sein erstes Soloprogramm startete er erst, vom später überaus erfolgreichen Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger dazu gedrängt, im Herbst 1971 mit einem Auftritt im Kleintheater Luzern. 1965 wurden die ersten drei Liedtexte von ihm veröffentlicht: im Sammelband 'Ballade, Lumpeliedli, Chansons à la Bernoise' des Berner Benteli-Verlags. 1966 erschien seine erste Schallplatte mit Studioaufnahmen; seine fünfte und letzte hatte er selber noch aus Live-Aufnahmen zusammengestellt. Einige seiner Chansons knnt man nur aus späteren Aufnahmen seiner Freunde Jacob Stickelberger und Fritz Widmer, von ihnen unter dem Titel "Dr Kolumbus" veröffentlicht, ebenso wie die 1972 zu dritt für das geplante neue Programm komponierte "Kriminalgschicht". Am Freitagabend, dem 24. November 1972, kollidierte er auf der Hinfahrt zu einem Konzert in Rapperswil auf der Autobahn mit einem Lastwagen und starb auf der Stelle. Er wurde nur 36 Jahre alt. Sein Grab befindet sich auf dem Berner Bremgartenfriedhof. Sein Nachlass wird im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern aufbewahrt.

Mani Matter hatte die Texte seiner Lieder selbst verfasst, die Melodien komponiert und die Lieder vorgetragen, nach dem Vorbild der französischen Liedermacher beziehungsweise den sogenannten 'auteur compositeurs interprètes' wie zum Beispiel Georges Brassens. Die Melodien waren volksliedhaft gehalten, in seinen späteren Liedern verlagerte sich das Schwergewicht auf Mol-Tonarten. Seine Liedtexte gingen oft von alltäglichen Situationen aus, die philosophisch hinterfragt oder ins Absurde gezogen wurden. Ausgehend von der Frage 'Was isch es Sändwitsch ohni Fleisch ? S isch nüt als Brot' kam er in "Betrachtige über nes Sändwitsch" auf die Dialektik des Sandwichs zu sprechen. Im Lied "Bim Coiffeur bini gsässe" packte den Erzähler beim Blick in den Spiegel, der einen weiteren Spiegel zeigte, ein metaphysisches Gruseln. "I han es Zündhölzli azündt" beschrieb ausgehend vom Entzünden eines Streichholzes, das versehentlich auf den Teppich fällt, die mögliche Zerstörung der Welt, die im letzten Vers wieder zurückgenommen wurde. Absurde Erzählungen fanden sich zum Beispiel im "Nüünitram "oder in "Us emene lääre Gygechaschte" ('Aus einem leeren Geigenkasten').

Matters Lieder gehören bis heute zum populären Liedgut in der deutschsprachigen Schweiz. Zahlreiche Schweizer Musiker haben sich von ihm inspirieren lassen und seine Lieder gecovert, so etwa Stephan Eicher, Polo Hofer, Bligg, Dodo Hug oder Züri West. Eine Sammlung von Coverversionen verschiedener Interpreten erschien 1992 auf dem Album "Matter Rock". Ueli Schmezers Coverband Matter Live beschäftigte sich ausschliesslich mit der Neuinterpretation von Matters Liedern. Stephan Eicher machte das Lied "Hemmige" so bekannt, dass an seinen Konzerten sogar französischsprachige Zuhörer den berndeutschen Text auswendig mitsingen konnten. "Dr Sidi Abdel Assar vo El Hama", eine orientalische Ballade in Form eines Limericks, wurde 1994 von Oskar Weiss als Bilderbuch veröffentlicht und 2011 von Guillermo Sorya als Video neu interpretiert. Reinhard Prenn und Gerhard Ruiss übertrugen in den 90er Jahren einige Lieder von Mani Matter ins Wienerische und veröffentlichten sie auf zwei CDs: "Gö" (1994) und "Öha" (1997).

2002 schilderte Friedrich Kappeler in seinem Dokumentarfilm 'Mani Matter - Warum syt dir so truurig ?' das Leben Mani Matters und zeichnete den Einfluss seiner Chansons nach. Das Berner Mundart-Rapduo Lo & Leduc nannte einen 2011 veröffentlichten Titel - eine Hommage an Mani Matter - "Warum düet dir so fröhlech". Mani Matter zu Ehren wurde im Sommer 2003 eine kleine Strasse am Rathaus in Bern Mani-Matter-Stutz benannt. Zu seinem 80. Geburtstag wurde 2016 in Wabern (Gemeinde Köniz) der Platz bei der Talstation der Gurtenbahn nach ihm benannt. Er hatte mit seiner Familie einige Jahre in der Nähe gelebt. 2016 veröffentlichte der Liedermacher Jan Řepka 36 Lieder von Mani Matter in tschechischer Adaption zusammen mit einem zweisprachigen 160 Seiten umfassenden Booklet. An den Swiss Music Awards 2017 wurde ihm der Tribute Award verliehen. Die Laudatio hielt der Kabarettist und Mani Matter's ehemaliger Förderer Emil Steinberger.





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