Dec 29, 2017


SAVOY BROWN - A Step Further (Parrot Records PAS 71029, 1969)

Es stimmt wohl, dass jede Savoy Brown LP, an welcher der Sänger Chris Youlden beteiligt war, fabelhaft ausfiel, und dies gilt in ganz besonderem Masse für das im Jahre 1969 veröffentlichte Werk "A Step Further", das sich - damals nicht ganz unüblich - in eine Studio- und eine Live-Seite aufteilte. Vielleicht war das damals ein erster Kompromiss im Zuge der aufkommenden Spannungen und Differenzen über die zukünftige musikalische Ausrichtung der Band zwischen dem Bandleader und Gitarristen Kim Simmonds und Chris Youlden: auf der ersten Seite der Platte dominierten Stücke, die aus der Feder von Chris Youlden stammten, bis auf eine Ausnahme, nämlich dem - zugegebenermassen absolut brillianten - "Waiting In The Bamboo Grove", wohingegen die B-Seite einen einzigen überlangen "Savoy Brown Boogie" aufwies, der sich als eine Art Medley präsentierte, für welchen Kim Simmonds verantwortlich zeichnete. Auffallend war hierbei, dass die Stücke von Chris Youlden bemerkenswert gut waren und wohl bis heute zu den besten Kompositionen der Band zählen, wie etwa der Opener und vorwärtstreibende Boogie Rocker "Made Up My Mind", der Blues "Life's One Act Play", sowie das sehr groovy klingende und jazzig-funky ausgerichtete Stück "I'm Tired".

Ueberhaupt zeigte die erste Seite der Platte mit den vier Studioaufnahmen eine recht jazzig ausgerichtete Truppe, und bei diesen Songs wurden auch stellenweise viele zusätzliche Musiker, allesamt mit Streich- und Brassinstrumenten ausgestattet, eingesetzt, wie dies bereits zuvor auf dem Studiowerk "Blue Matter" der Fall gewesen war. Auch dieser Vorgänger war aufgeteilt in eine Studio- und eine Live-Seite. Chris Youlden bewies auf keiner anderen Platte seine hohen songschreiberischen Qualitäten so eindrücklich wie bei "A Step Further", und ein Schritt weiter bedeutete dieses Album durchaus, denn weiter weg vom traditionellen British Blues und dem damit verbundenen und vor allem von Savoy Brown bis dato präsentierten Boogie Rock war die Truppe noch nie. Einzig der 22 Minuten lange "Savoy Brown Boogie" war der klassische Live-Stoff, aus dem die Boogie-Träume sind. Diese lange und kompromisslos vorwärts preschende Jam verband einige bekannte Blues- und Rocktitel der damaligen Zeit und zeigte sich in einzelnen eingeflochtenen Teilen im ständig wiederkehrenden Boogie-Muster des Grundthemas. Nach einem genialen Gitarrensolo und dem ersten Teil des Jams präsentierten Savoy Brown Teile der Titel "Feel So Good" von Chuck Willis, "Whole Lotta Shakin' Goin' On" von Little Richard, "Little Queenie" von Chuck Berry, das vermutlich deshalb eingeflochten worden war, weil dieses Stück gerade zu jener Zeit als ebenfalls live geschnittene Single von den Rolling Stones erschienen war, in den Charts Einzug gehalten hatte und äusserst erfolgreich war.

Ein weiterer Bestandteil des "Savoy Brown Boogie" war das Grundthema von Jimi Hendrix' "Purple Haze", zu welchem Kim Simmonds ein exzellentes Gitarrenspiel zeigte, das schliesslich in "Hernando's Hideaway" mündete, einem Titel, der wiederum ursprünglich eigentlich als ein Tango Stück von Richard Adler und Jerry Ross geschrieben worden war, und mit welchem die grossartige Sängerin Ella Fitzgerald einen grossen Erfolg feiern konnte. Natürlich klang dies in der Ausarbeitung von Savoy Brown keineswegs mehr wie ein Tango, aber es fügte sich perfekt in die übrigen Teile dieses Medleys mit ein, das immer wieder gesprochene Passagen von Chris Youlden enthielt, die einerseits Bezug nahmen auf die Band selber, aber auch auf die jeweiligen Themen, die in die Jam eingebaut worden waren. Dazu zeigte die Band immer wieder interessante und sehr abwechslungsreiche Spannungsbögen, die beispielsweise auch vor einem klassischen Flamenco-Thema nicht halt machten. Zentral aber war das immer wiederkehrende Grundthema, das "Savoy Brown Boogie"-Thema, das in seiner Grundcharakteristik frappant an den Boogie-Stil der amerikanischen Gruppe Canned Heat erinnerte. Das war vermutlich auch absolut gewollt, denn auch die Gruppe Canned Heat war damals in England wie fast überall auf der Welt äusserst populär.

Der "Savoy Brown Boogie" wurde am 12. Mai 1969 im Cooks Ferry Inn in Edmonton bei London aufgezeichnet, und wenn man sich die Dynamik des Jams anhört, dann hätte man sich durchaus ein Album mit den gesamten Aufnahmen dieses Auftritts gewünscht. Verglichen mit den Live-Titeln für das Vorgänger-Album "Blue Matter", das aus drei Bluestiteln bestand ("May Be Wrong", "Louisiana Blues" und "It Hurts Me Too") , mitgeschnitten lediglich ein halbes Jahr zuvor, am 6. Dezember 1968 in Scraptoft Leicester, dann war das Dynamik-Plus beeindruckend hoch und auffallend. Vermutlich war aber genau dieser enorm gestiegene Sound-Druck das, was für den Sänger Chris Youlden später den entscheidenden Ausschlag bedeutete, weshalb er aus der Band ausschied. Seinem musikalischen Verständnis nach war diese Art von Blues Rock und Boogie Rock schlicht zu rudimentär. Er strebte eine eindeutig differenziertere musikalische Ausrichtung an. Noch einmal liess sich Kim Simmonds später davon jedoch überzeugen und produzierte im Folgejahr das musikalisch vielleicht interessanteste und differenzierteste Album in seiner gesamten Karriere: "Raw Sienna". Damit liess sich zwar nicht mehr sehr viel Geld verdienen, doch aus der Sicht des künstlerischen Gehalts war "Raw Sienna" ein Meilenstein, der schliesslich noch die letzten Boogie-Resten hinter sich gelassen hatte. Doch da war dann auch schon Schluss und Chris Youlden verliess die Band.

So gehört "A Step Further" mit seiner A Seite, einschliesslich dem von Kim Simmonds komponierten Instrumental "Waiting In The Bamboo Grove" zum Besten, was Savoy Brown aufgenommen haben in ihren Jahren mit Chis Youlden. Youlden strebte später eine Solokarriere an, die beim selben Label, Decca Records, initiiert worden war, und mit zwei absolut erfolglosen Alben mit den Titeln "Nowhere Road" (1972) und "City Child" (1973) so schnell beendet war, wie sie begonnen hatte. Kim Simmonds jedoch blieb bis heute bei seiner Erfolgsformel Savoy Brown und dem nie enden wollenden Mix aus britisch gefärbtem Blues und rollendem Boogie Rock, der bis heute insbesondere auf den Bühnen dieser Welt perfekt funkioniert.









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