KOSSOFF - Back Street Crawler (Island Records ILPS 9264, 1973)
Für Fans der britischen Blues Rock Band FREE war 1973 ein sehr seltsam anmutendes Jahr, das schon kurz nach Neujahr mit der Hiobsbotschaft begann, dass der Gitarrist Paul Kossoff aus der Band ausgestiegen und dass als sein Nachfolger der bisherige Gitarrist von OSIBISA, Wendell Richardson an Bord der Truppe gekommen sei. Dabei nährte das kurz zuvor noch veröffentlichte FREE-Album "Heartbreaker" grosse Hoffnung für einen Neubeginn nach den bereits 1972 vollzogenen Personalwechseln. Doch mit dem Ausstieg von Kossoff wurden anstehende Konzerte in Europa abgesagt, und auch Dispute über die weitere musikalische Ausrichtung zwischen Sänger Paul Rodgers und Keyboarder Rabbit Bundrick waren destruktiver Natur, sodass die Gruppe schliesslich vor einem Scherbenhaufen stand. FREE waren bald Geschichte und ihre Neuausrichtung als BAD COMPANY stand kurz bevor. Paul Kossoff, der angeblich schon kurz nach seinem Ausstieg bei FREE an einem Soloalbum bastelte, relativierte dieses Gerücht, indem er lediglich bei diversen Projekten zumeist als gebuchter Studiomusiker mitwirkte. Aus seinem nächsten Umfeld war zu hören, dass er sich mit diesen Studio-Jobs für die unterschiedlichsten Musiker und Bands vor allem von seiner Zeit bei FREE loslösen wollte. Koss, wie er immer genannt wurde, war bei FREE stets etwas im Hintergrund agierend, was sicherlich auch mit seiner etwas schwierigen und introvertierten Art zu tun hat. Ausserdem verfiel er früh der Droge Mandrax, was schliesslich auch zu seinem sehr frühen Herztod im Alter von erst 25 Jahren führte.
Ein Jam aus einer Studiosession mit dem englischen Folkmusiker John Martyn bedeutete schliesslich die Initialzündung für die Idee, ein erstes Soloalbum zu veröffentlichen. Koss war von John Martyn 1971 als Session-Gitarrist zu den Aufnahmen für sein Album "May You Never" eingeladen worden und der daraus übriggebliebene und von John Martyn nicht veröffentlichte Jam, der später in gekröpfter Version als "Time Away" auf seinem Soloalbum zu hören sein würde, wurde von Koss im November 1972 bearbeitet und schliesslich gemixt. Ein weiteres bis dato unveröffentlicht gebliebenes Stück war Kossoff's Komposition "Molton Gold", die eigentlich für das FREE Album "At Last" eingespielt, von der Band aber verworfen worden war. Diesen Track, der unvollständig geblieben war, stellte Koss mit dem Sänger Jess Roden und dem Keyboarder Rabbit fertig und mixte ihn ebenfalls. Schliesslich lud er einige Musiker zu einer Studiosession ein, und dabei entstanden dann weitere Songs, wie zum Beispiel das Albenseiten-füllende "Tuesday Morning", ein knapp 18 Minuten langer Jam, der das ganze Können und die enorme Vielseitigkeit dieses begnadeten Gitarristen eindrücklich unter Beweis stellte. Zwischen Juli und Oktober spielte Kossoff weitere Songs im Studio ein, nachdem er in diesem Jahr wahre Turbulenzen erlebt hatte, unter anderem durch einen Wiedereinstieg und erneuten Ausstieg bei FREE, aber leider auch durch einen Aufenthalt im Spital, der seinem ungesunden Lebenswandel geschuldet war.
Das fixfertige Album erschien am 16. November 1973 als die neu gegründete Band BAD COMPANY mit den Aufnahmen zu deren erstem Album begann. Die Platte erhielt eher durchwachsene Kritiken. Die einen lobten den Gitarristen für seine Virtuosität und sein insgesamt sehr schönes Bluesfeeling, das stellenweise an die frühen Sachen von Eric Clapton erinnerte. Andere wiederum schrieben dem Album eine gewisse Orientierungslosigkeit zu, auch einen selbstverliebten Ego Trip eines Gitarristen, wie es sie damals zuhauf gab. Koss profitierte letztlich auch von seiner Zeit bei FREE, und zwar nicht nur, was seine Reputation anbetrifft, die immer noch stärker gewichtet wurde als sein sichtbarer Niedergang als drogensüchtiger Musiker, sondern auch von dem Umstand, dass er auf zahlreiche hervorragende Mitmusiker zurückgreifen konnte, die ihm ein wichtiges Grundgerüst für seine Gitarrenläufe kredenzten. Ein aussergewöhnlicher Songschreiber indes war Koss nicht. Seine eigenen Songs waren schon eher auf sein instrumentales Feeling ausgerichtet. Kommerzielle Melodien lagen ihm fern, denn er suchte auch nicht wirklich das grelle Scheinwerferlicht. Insofern blieb er auch als Solokünstler, meist etwas versteckt als in einem Gruppenverbund arbeitender Gitarrist, eher im Hintergrund. Das war damals bei FREE auch nicht anders.
Da Paul Kossoffs Leistungen als Gitarrist jedoch unbestritten waren, ermöglichte es ihm seine Plattenfirma auch nach dem eher bescheidenen Erfolg des Albums "Back Street Crawler" weiterhin, Musik einzuspielen und zu veröffentlichen. Basierend auf dem Titel seines Debüt-Albums formierte er kurz darauf mit Keyboarder Mike Montgomery, Bassist Terry Wilson, Sänger Terry Wilson-Slesser und dem Schlagzeuger Tony Braunagel (zuvor Studiomusiker bei John Martyn) die Band Back Street Crawler. Kossoffs angegriffene Gesundheit war in den letzten Jahren seines Lebens stark von seiner Drogenabhängigkeit gezeichnet. Er starb schliesslich auf einem Flug von Los Angeles nach New York aufgrund von Herzproblemen, die seine Drogensucht verursacht hatte. Seinem Sohn zu Ehren gründete sein Vater David Kossoff die Paul-Kossoff-Foundation, mit der er die Drogenproblematik aktiv bekämpfte.
Ein Tribut an den verstorbenen Kossoff gab es am 24. März 1976 in Santa Monica. The Sweet befanden sich auf einer US-Tournee, bei der Back Street Crawler ursprünglich als Support auftreten sollten. Sie spielten gemeinsam mit Ritchie Blackmore, der sich im Publikum befunden hatte, zu Ehren von Kossoff den Free-Song "All Right Now". Im Jahre 1983 erschien dann posthum noch das Live Doppelalbum "Croydon, June 15, 1975", das die Performance eines brillianten Konzertes seiner Band Back Street Crawler bot, welche zum Zeitpunkt der Aufnahme unveröffentlicht geblieben war. Alleine durch seine unverwechselbare Art, die Bluesgitarre zu spielen, hätte Koss zu einem Helden seines Fachs werden können. Doch ein destruktiver Lebenswandel bereitete diesem Ausnahme-Künstler ein viel zu frühes Ende.
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