May 31, 2016


JIM CAPALDI - Whale Meat Again (Island Records ILPS 9254, 1974)

Als der ehemalige Schlagzeuger der Jazz Rock Gruppe TRAFFIC zwei Jahre nach seinem Solo Debutalbum "Oh How We Danced" im Juni 1974 mit diesem songorientierten, perfekt eingespielten Album aufwartete, staunten nicht wenige Musikhörer über die neu eingeschlagene musikalische Richtung, die noch stärker als sein Debutalbum auf den typischen Westcoast- und Soul/Funk-orientierten Rock ausgerichtet war und dadurch praktisch den ganzen Jazz Rock Stil von TRAFFIC verloren hatte. Hier war spätestens jetzt ein hervorragender Singer/Songwriter am Start, der in den folgenden Jahren etliche ähnlich klingende Alben auf den Markt bringen sollte, von denen so einige auch kleinere bis mittlere Hits abwerfen würden. Auf dem Album "Whale Meat Again", einem gelungenen Wortspiel, das eigentlich "We'll Meet Again" meinte, präsentierte Jim Capaldi acht hervorragend durchkomponierte und clever arrangierte musikalische Perlen, die von grosser Abwechslung geprägt waren. Allerdings blieb der Musiker auch mit diesem zweiten Album noch weit hinter den kommerziellen Erwartungen, doch es war offensichtlich, dass es Capaldi, der vom Schlagzeuger nunmehr zum Sänger mutiert war, schon bald zu einem Hit gereichen würde. Schon im Folgejahr gelang ihm dies mit der Single "Love Hurts", die bis auf Platz 4 in den Charts hochkletterte.

Geboren am 2. August 1944 in Evesham Worcestershire (England) im Herzen der britischen Midlands und in eine äusserst musikalische Familie hineingeboren, lernte Jim Capaldi über das Klavier schon bald das Schlagzeug zu spielen und war schon als Teenager in verschiedenen Formationen als Drummer tätig, so etwa in den Bands The Hellions, The Revolution und The Deep Feeling, bevor er die Rolle als Schlagzeuger in der gemeinsam mit dem Keyboarder Steve Winwood neu gegründeten Formation Traffic übernahm. Dave Mason und Chris Wood waren die weiteren Gründungsmitglieder dieser Band, die ihren Fokus schnell auf den Mid- bis End-60er Jazz Rock legte und rasch zu einem Top Act der britischen Musikszene avancierte, nicht zuletzt dank der exzellenten Arbeit von Steve Winwood, der durch sein Keyboardspiel und seinen hervorragenden Gesang überzeugte. Ausserdem spielten die bislang in diversen Bands gemachten Erfahrungen eine grosse Rolle. Winwood kam von der Spencer Davis Group und verstand es, zu dem Jazz Rock auch Psychedelische Pop- und Rock-Elemente in den Sound einfliessen zu lassen, auch Folk britischer Ausprägung und teils fernöstlich anmutende Themen gehörten von Anfang an zu einem wichtigen Stilmittel von TRAFFIC und somit würde man heutzutags vielleicht durchaus richtig liegen mit der Vermutung, dass die Gruppe eventuell eine der ersten sogenannten World Music Bands war, so vielfältig wie sich ihre Musik präsentierte. Mit dem definitiven Aus der Gruppe begannen sowohl Steve Winwood wie auch Jim Capaldi intensiv mit ihren eigenen Solo-Karrieren, für die der Schlagzeuger Capaldi ja bereits 1972 den Grundstein mit seinem ersten Soloalbum gelegt hatte.

Mit einer hervorragend zusammengestellten Begleitband aus hochkarätigen Studio- und Live-Musikern gestaltete Jim Capaldi sein zweites Album "Whale Meat Again". Zu den Musikern gehörten das Rhythmus-Fundament David Hood (Bass) und Roger Hawkins (Schlagzeug), ausserdem die beiden brillianten Gitarristen Pete Carr, Jimmy Johnson und Bubs White, die Keyboarder Barry Beckett, Steve Winwood, Rabbit Bundrick und Chris Stainton, Jean Roussell an der Klarinette, Remi Kabaka und Rebop Kwaku Baah an den Percussions sowie die legendären Muscle Shoals Horns. Was vor allem auffiel waren die hervorragenden Komöpositionen, die allesamt aus der Feder von Jim Capaldi stammten, was seinen ausgezeichneten Ruf nicht nur als versierter Schlagzeuger, sondern auch als Songwriter bestätigte. Ausserdem verfügte Capaldi über eine überaus angenehme und charismatische Stimme, die klar und fest war und in seiner Eigentümlichkeit die Songtexte ideal zu transportieren wusste. 

Der Opener "It's Allright" schaffte als Singleauskopplung auch gleich den Sprung in die amerikanischen Charts mit seinem wundervollen, sehr zurückhaltend arrangierten und von der brillianten akustischen Gitarre von Pete Carr dominierten und dem romantischen, mit einer Steel Drum untermalten schwebend-leichten Karibik-Feeling. Dieser Song entstand unter dem positiven und nachhaltigen Eindruck, den die Reisen in die Karibik und viele Treffen mit Bob Marley und anderen Reggae-Musikern in Jim Capaldi hinterlassen hatten. Capaldi komponierte unter anderem den Song "This Is Reggae Music", den die Band Zap Pow einspielte und der zu einer der bekanntesten Hymnen der Reggae-Musik avancierte. 

Der Titelsong "Whale Meat Again" nahm sich den illegalen Walfang zum Thema, geriet zur politischen und sozialkritischen Anklage und übte einen scharfen Fingerzeig auch in Richtung Umweltpolitik. Die Muscle Shoals Horns spielten zu dem recht rockigen Song einen scharfen Bläsersatz und gaben dem Titel damit seinen ganz eigenen Feel. Zum ersten Höhepunkt gestaltete sich danach die Rock-Ballade "Yellow Sun", ein träumerisches Stück gefühlvolle Rockmusik, das ich mit zum besten zähle, was zu Mitte der 70er Jahre in diesem Bereich zu hören war. Der Longtrack mit dem hervorragend gespielten Dobro und der Slide Gitarre von Pete Carr und einem erhabenen Klaviersolo von Barry Beckett ist bis heute das meiner Meinung nach schönste Stück, das Capaldi geschrieben hat.

Weitere Höhepunkte auf diesem Album sind auf jeden Fall der schleichend groovende funky Rock "Low Rider" mit seinem perfekt inzenierten Streicher-Sound. Die Geigen-Arrangements bei diesem tollen Stück vermitteln sehr viel Soul-Feeling und werden sowohl als Untermalung, wie auch als Fills eingesetzt, was dem Stück insgesamt eine ziemliche Dramatik verleiht, die äusserst spannend wirkt. Dazu erneut ein hervorragendes Gitarren-Solo von Pete Carr sowie eine treibende Wah Wah Rhythmusgitarre, gespielt von Jimmy Johnson. Auf jeden Fall eines der grossen Highlights hier ist auch der Funk Rock Titel "Summer Is Fading", der sich als einschmeichelndes grooviges Strandfeeling ankündigt, in seiner Dramaturgie jedoch konsequent aufbaut und schliesslich in einem perkussiven Gewitter entlädt, wobei auch die Rhythmik angehoben wird. Ein regelrechtes Feuerwerk, getragen von sehr viel Perkussion und prägnant  in Szene gesetzt durch die perfekte Arbeit von Steve Winwood an der Orgel, der hier auch den Bass spielte. Hauptverantwortlich für den treibenden Perkussions-Groove war hierbei Rebop Kwaku Baah, der auch schon zu Zeiten von TRAFFIC mit Winwood und Capaldi zusammengearbeitet hatte.

"Whale Meat Again" ist ein perfekt produziertes, ausgeklügelt arrangiertes und von hochkarätigen Songs durchflutetes Album, das bis heute erhältlich ist, da es als CD mehrfach wiederveröffentlicht wurde. Dadurch besteht die Möglichkeit, dieses hervorragende Werk auch noch nach 42 Jahren zu entdecken, was sich ganz bestimmt lohnt. Das Album hatte Jim Capaldi selbst produziert. Der Musiker starb 60 jährig am 28. Januar 2005 an Krebs.

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