ZODIAC - Sonic Child (Napalm Records NPR 562, 2014)
Was mir ganz spontan durch den Kopf ging, als ich diese absolut killermässige Rockplatte zum allerersten Mal hörte war: Die haben damals bestimmt in diesen riesigen Stadien in Amerika 50'000 und mehr Rockfans zum ausflippen gebracht. Was war das doch eine tolle Zeit damals, so Mitte der 70er Jahre. Wenn man da doch nur hätte dabeisein können. Nun, man kann das ja seit einiger Zeit wieder, denn der sogenannte Retro Rock hat so einige ganz formidable Bands hervorgebracht, die manchmal tatsächlich so klingen, als wären sie nicht erst seit kurzer Zeit unterwegs, sondern hätten als mittlerweile leicht ergraute Herren ihren Back-Katalog an Schallplatten der 70er Jahre nochmals neu aufgelegt. Doch halt: Das ist gar keine Platte aus den 70er Jahren. Und es folgt sogleich die zweite ganz dicke Ueberraschung: ZODIAC sind keine amerikanische Rock Band, sondern kommen aus dem deutschen Münster. Kaum zu glauben, aber wahr.
Knochentrocken hetzen diese vier jungen Männer durch ihr Repertoire, dass man so einige geographische Ideen im Kopf hat: Texas, weil es grad diesen staubtrockenen Bluesrock der Marke Z.Z.TOP zu hören gibt, oder London, weil dieser sumpfige, schleppende, schmierig-schwitzige harte Groove von FREE aus den Lautsprechern dröhnt. Doch weit gefehlt: Diese bluesig und hart rockende perfekte 70er Rock-Suppe kommt aus dem tiefsten Westfalen. Wenn es so richtig herzhaft groovt, denkt man unwillkürlich an Rory Gallagher, wenn der Rock so richtig schön riffig wird, fallen einem unweigerlich KYUSS ein. Besonders diese swingende Rhythmik, die vor allem durch den Schlagzeuger Janosch Rathmer erzeugt wird, lässt einem aber dann und wann auch an den seligen Herrn Bonham denken. Ist das nun nicht viel zu viel der Lobhudelei ?
Ich denke nicht, denn ich stelle hier ja nur Alben vor, die mich seit Erscheinen nachhaltig begeistert haben und das noch immer tun. So ergeht es mir auch jedesmal, wenn ich dieses geile Brett der Münsteraner auflege. Für ihr drittes Album "Sonic Child" hatte das Quartett um den Sänger und Gitarristen Nick Van Delft, den Gitarristen Stephan Gall, den Bassisten Ruben Claro und den Shlagzeuger Janosch Rathmer das musikalische Spektrum gegenüber den zwei vorherigen Alben "A Bit Of Devil" (2012) und ""A Hiding Place" (2013) noch erweitert. Nun kamen zu den eh schon staubtrockenen Bluesrockern auch noch der flirrende Wüstenrock etwa der JAMES GANG hinzu und wenn man sich nicht gerade an der markanten Stimme von Steve Marriott festgeklebt hat, konnte man auch deutliche Reminiszenzen an die guten alten HUMBLE PIE vernehmen.
Ganz wichtig scheint mir der Hinweis: Nicht das klassische 08/15-Blues Schema wird hier geboten. Nein, ZODIAC bieten teilweise komplexe und ausgeklügelte Songs, die sie hervorragend arrangiert haben und man merkt es ihren Kompositionen an: Die vier Jungs haben gut hingehört bei ihren ollen Platten, die sie zuhause im Schrank wie Schätze horten. Aber nicht, dass sie nun etwa in den Proberaum gehen und dort den Sound von damals nachspielen oder gar nur covern. Mitnichten! Zumeist entstanden und entstehen die Songs der Band aus freien Jams, aus welchen Ideen, einzelne Passagen oder auch schon ganze Teile strukturiert wurden, in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit zu eigenen Songs mit individuellem Charakter geformt und arrangiert und schliesslich wieder und wieder gespielt werden, bis sie wachsen und reifen und als absolut eigenständige Songs neben all den grossen Bands locker bestehen können.
Der Schlagzeuger Janosch Rathmer, der parallel zu ZODIAC auch bei den inzwischen recht bekannt gewordenen LONG DISTANCE CALLING trommelt, verpasst den Stücken immer den richtigen groovenden und rollenden Bums, den diese Titel einfach brauchen. Wenn der Gitarrist Stephan Gall als einen seiner bevorzugtn Gitarristen David Gilmour nennt, gleichzeitig auch Thin Lizzy, Zep und Jimi Hendrix aufzählt, wird einem schnell klar, wie umfangreich sein stilistisches Repertoire sein kann und er letztlich immer das passende Arrangement für einen der eigenen Songs findet. Sänger und Gitarrist Nick Van Delft wiederum ist der Blues-Afficionado in der Band und zählt die verstorbenen Meister Johnny Winter und Stevie Ray Vaughan zu seinen grossen Favoriten.
Das Album bietet eine bunte Palette von klasse Rocksongs, die über die gesamte Laufzeit die Spannung aufrecht erhalten. Auf "Sonic Child" versteckt sich keinerlei "Füllmaterial". Besonders in den eher längeren Titeln beweisen ZODIAC, dass sie exzellente Instrumentalisten sind, die mit grossem Gespür spannende Instrumentalpassagen vortragen, die einfach nur als hochkarätig bezeichnet werden können. Es gibt - selbst ausserhalb von Deutschland - nicht eben viele dieser neuen Retro Bands, die dies über die gesamte Distanz einer Platte so eindrücklich beweisen können. Beispiele, die mich persönlich sehr begeistern, sind etwa "Swinging On The Run", das überlange "A Penny And A Dead Horde", der über 9 Minuten lange Bluesrock Jam "Rock Bottom Blues", sowie das herrliche und für meinen Geschmack viel zu kurze "Shine On", dem ich ewig zuhören könnte und das sich bei mir gerne mal in der Endlosschlaufe (ugs. auch "Repeat" genannt) verfängt. Eine klasse Platte einer klasse Band, von der man nur hoffen kann, dass sie einem in der Zukunft noch mit so einigen Rock-Perlen beglücken wird.
No comments:
Post a Comment