FLYING COLORS - Second Nature (Music Theories Recordings MTR 7443 5, 2014)
Mitunter heisst es ja oft beim Begriff "Supergroup": Vorsicht, einmaliges Projekt, oder gar: Verkaufsstrategie einer Plattenfirma, um die Produkte der einzelnen Bands und Musiker anzukurbeln. Das war auch mein erster Eindruck bei den Flying Colors, einer Supergroup, die meines Erachtens dieses Etikett durchaus verdient hat. Es ist schon die Crème-de-la-Prog, die sich hier zusammengetan hat. Wie schon beim ersten Album der Band, das im März 2012 erschienen war und bereits hohe Wellen schlug, sind dies Neil Morse (Spock's Beard, Transatlantic), Mike Portnoy (Dream Theater, Transatlantic), Steve Morse (Deep Purple, Dixie Dregs), Dave LaRue (Dixie Dregs) und Casey McPherson (Endochine, Alpha Rev). Zusätzlich auf dem zweiten Album "Second Nature" spielen als Gäste Chris Carmichael, der mittlerweile ebenfalls kein Unbekannter mehr ist, da er öfters auch auf den Solo-Projekten von Neal Morse das Cello spielt, sowie ein weiblicher Gospel-Chor namens McCray Sisters.
Das Werk, das nur bedingt mit dem ersten verglichen werden kann, bietet zum Teil deutlich längere Stücke als das Debutalbum und trägt hauptsächlich die typische musikalische Handschrift von Neal Morse. Hier wirken die Songs dieser fabelhaften Band, die tatsächlich sehr grossen Wert darauf legt, dass sie sich als eine Einheit versteht, und nicht bloss als ein strategisches Supergroup-Konzept, wesentlich strukturierter, konzentrierter und eher dem klassischen Progressive Rock verpflichtet als wie beim Vorgänger eher auf klassischen Pop Rock ausgelegt, sofern man solcherlei bei Musikern dieses Kalibers überhaupt spekulieren darf. Trotzdem finden sich auch auf diesem Werk immer wieder diese ungemein eingängigen, aber nie als simpel zu bezeichnenden, vor allem aber einfach schönen Melodien, genussvoll ummantelt von bisweilen fast kitschigen Arrangements, die ganz klar den Wohlklang im Fokus haben. Das eine oder andere Instrumental-Solo, vorzugsweise von Neal Morse an einem seiner zahlreichen Keyboards oder von Steve Morse an der hervorragenden Gitarre intoniert, garniert von einer äusserst flexiblen Rhythmusgruppe, die man guten Gewissens als Weltklasse bezeichnen kann, sorgt für eine ausgezeichnete Homogenität der Songs, die zu keinem Zeitpunkt als irgendwelcher Egowichs von einem der beteiligten Musiker klingt.
Die Musik, welche die Protagonisten hier spielen, scheint aber noch immer nicht die zu sein, die man von diesen erstklassigen Musikern aufgrund ihrer jeweiligen Band-, Projekt- oder Solo-Vergangenheit, schon gar nicht nach ihrer ersten gemeinsamen Veröffentlichung erwarten würde. Positiv ausgedrückt heisst das: Die Flying Colors werden vermutlich auch in einer hoffentlich noch lange währenden gemeinsamen musikalischen Zukunft immer wieder für die eine oder andere stilistische Überraschung gut sein. Einen respektablen Eindruck hierzu erhält man beispielsweise auf den inzwischen erhältlichen Konzert DVD's der Gruppe, auf welchen inmitten des regulären Sets plötzlich Lieblingslieder aller Beteiligten zum Besten gegeben werden. Das heisst aber im Gegensatz dazu auch: Wer mit zum Teil über 20-minütigen progressiven Spock's Beard Epen rechnet, das teilweise recht stressig-jazzige Hochgeschwindigkeits-Gefrickel einer Steve Morse Band erwartet, oder gar auf das mettallene Schlagzeug-Gewitter von Dream Theater spekuliert, hat bei den Flying Colors verloren und muss auch weiterhin auf die entsprechenden Originale zurückgreifen, und wird mit dem Wohlklang der Flying Colors eher weniger anfangen können.
Um einen nicht ganz ernst gemeinten, augenzwinkernden Kommentar von Neal Morse während eines früheren Auftritts seiner Gruppe TRANSATLANTIC zu zitieren: „If you are into epics, you probably came to the wrong place!“. Dies gilt - nicht ironisch jetzt - sondern auf die Musik der Flying Colors bezogen, absolut zu. Das erste Stück der Platte "Second Nature" mit dem Titel "Open Up Your Eyes" und die letzte, überlange und aus drei Teilen bestehende "Cosmic Symphony" überschreiten zwar deutlich die 10-Minuten-Marke, sind aber die beiden längsten Stücke auf dem Werk und machen alleine natürlich noch keine klassische Progressive Rock Platte aus, auch wenn beide Titel klar die Handschrift von Neal Morse zu Zeiten seiner Band Spock's Beard tragen.
Sämtliche Songs auf diesem qualitativ als State of the Art zu bezeichnenden zweiten Album wurden von allen beteiligten Musikern gemeinschaftlich komponiert, obwohl vieles darauf hindeutet, dass von Neal Morse die zentrale Kraft, die Grundzüge der einzelnen Songs und vor allem die Arrangements ausgegangen sein dürften. Steve Morse hält sich diesbezüglich als Einziger relativ bescheiden zurück, er entpuppt sich hier als jener Musiker, der sich am besten in die Gesamtheit integriert und nur ganz punktuiert mit seinen typischen Solo-Darbietungen ausbricht und sich ansonsten sehr elegant in den Gesamtsound einfügt. Das ist vielleicht gar nicht so einfach für einen so hochklassigen Musiker, der sich gerne instrumental in Szene setzt, zeugt aber zugleich auch von einer hohen Teamfähigkeit und einer professionellen Arbeitsweise, die den Song als Ganzes in den Fokus stellt.
Dass die Musik, die Arrangements und der Klang dieser wundervollen Scheibe kaum Wünsche offen lässt, mag vielleicht auch an Rich Mouser liegen, der die Platte mitgestaltet hat und am Mischpult und beim Mixdown hervorragende Arbeit geleistet hat. Mouser arbeitet bereits seit vielen Jahren bei Plattenaufnahmen von Spock's Beard, Neal Morse, sowie dessen zahlreichen Soloprojekten mit und ist mit dieser Musik und Neal Morse's Arbeitsweise daher bestens vertraut. Ein weiteres Highlight ist die tolle Plattencover-Gestaltung, für die mit Hugh Syme ein Künstler verantwortlich zeichnet, der bestens bekannt ist für seine graphische Arbeit von Plattencovern etwa des kanadischen Prog-Rock Trios Rush, aber auch für Platten von Dream Theater. Das Cover wirkt äusserst stilvoll und passt ausgezeichnet zur gebotenen Musik.
Noch nicht abzusehen sein dürfte die weitere musikalische Zukunft der Flying Colors, in Bezug auf die zu erwartende Musik, die sie uns hoffentlich auch weiterhin präsentieren wird. War ihr erstes Album noch für viele aufgrund eines völlig unerwarteten Pop Rock Klang-Bildes eine echte Ueberraschung, so verhält es sich beim Nachfolger "Second Nature" aus den beschriebenen Gründen deutlich anders: Diese hätte vielen Fans des progressiven Rocks als Premiere wohl deutlich besser gefallen, aber Neal Morse und seine Mitstreiter mögen sich glücklicherweise musikalisch nicht festlegen. Man darf daher weiterhin sehr gespannt sein, wohin die musikalische Reise der Flying Colors noch gehen wird und womit sie uns in der Zukunft noch überraschen werden. Auf jeden Fall steht der Name der Band - vor allem hier bei diesem herrlichen Album - für kompetente Musiker mit enormem Feeling, für erstklassige und perfekt durchkomponierte und arrangierte Songs, ansprechende und vielschichtige Arrangements, ein perfektes Zusammenspiel und dies alles verpackt in ein kunstvolles Plattencover.
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