May 10, 2016


ZIPPO ZETTERLINK - In The Poor Sun 
(Eigenvertrieb ohne Label, 1979 / Originalaufnahmen von 1969 und 1971)

Ein ebenso faszinierend mystisches wie mysteriöses Album ist dieses Live-Dokument eines Gitarristen namens Wolfgang Orschakowski, der auf seinem im Eigenvertrieb veröffentlichten Album Live- und Studioaufnahmen aus den Jahren 1969 und 1971 präsentiert. Die Live-Aufnahmen stammen von einem Konzert im Münchner Club Blow Up (1969) und von einem Auftritt an einem Underground Musikfestival in Hamburg (1971). Dazu bietet dieses Album etwas Weniges an Studioaufnahmen, die jedoch gegenüber den Live-Darbietungen eine recht frppante stilistische Abweichung erfahren. Paradestück der Platte ist das die komplette A-Seite der LP füllende, sich über 20 1/2 Minuten erstreckende "Zippo Zetterling In The Poor Sun At Sunday Night In The Blow Up", das schon alleine mit seinem Titel ein Mysterium darstellt, denn auf dem Plattencover ist das Stück so benannt, doch auf der LP selbst wird als Titel "Zippo Zetterlink In The Poor Sun" angegeben. Dieses Mysterium wird auch auf den weiteren Titeln der Platte angewendet. So sind die weiteren Songs auf dem Plattencover betitelt mit "Kaputt", "Ein Gemmen-Märchen", "It's Groovy, The Electric Light Machine, Boy" und "Take Over, Electric Light!", wohingegen die LP selbst die Songs als "Kaputt", "I Deal", "Cool Fish" und "Rosa-Lie" auflistet. Was es damit auf sich hat, erschliesst sich einem nicht.

Doch das ist bei weitem nicht das einzige Mysterium dieser Platte. Obwohl hier eine bescheiden formuliert exzellente Band spielt, erfährt man weder durch entsprechende Angaben auf dem Plattencover, noch im Web irgendwelche Informationen über die Namen der beteiligten Musiker, die wahrscheinlich immer wieder wechselten, denn die Live-Aufnahmen von München und Hamburg unterscheiden sich deutlich voneinander, und auch die Studioaufnahmen (mit mehrheitlich bluesiger Ausrichtung) klingen völlig konträr zum psychedelisch-krautigen Trip Rock der Live-Aufnahmen.

Der mehrheitlich improvisierte, herrlich psychedelisch klingende harte Psycho-Blues Jam "Zippo Zetterling In The Poor Sun At Sunday Night In The Blow Up" ist der absolute Ueberflieger auf diesem genialen Album. Aufgenommen im Blow Up Club in München ist das eine exaltierte Mixtur aus dem harten Garagenblues etwa von Blue Cheer, gemixt mit dem psychedelischen Rock von Vanilla Fudge plus der versponnenen trippigen Hippiemusik der frühen Pink Floyd, aber auch dem verkifften Jam-Sound von Grateful Dead anno 1969. Ein absolut magisches Stück Musik, das man sich in seiner sowohl optischen wie akustischen Darbietung sehr schön vorstellen kann in der wundervoll spaceig-buntgrellen Farboptik und der süsslichen Duft von Tütenrauch verströmenden Atmosphäre eines Underground Clubs der späten 60er Jahre. Eine Freak Out Acid Jam in einem passenden Rahmen aufgeführt und gottseidank auf Platte festgehalten.

Das die zweite LP-Seite beginnende "Kaputt" ist ein weiteres Freak Out Juwel der Extraklasse. Vermutlich in Hamburg aufgenommen, fasziniert hier das hypnotische Percussions Spiel genauso wie der Einsatz einer wundervollen Flöte, welche gegenüber dem Live-Jam der ersten LP-Seite wesentlich versponnener und folkiger klingt. Hier kann man durchaus Parallelen ziehen zum damals vorherrschenden Freak Folk aus England, der zum Zeitpunkt dieser Aufnahme 1971 jenseits des Kanals in voller Blüte stand. Die weiteren Stpcke der B-Seite fallen gegenüber diesen zwei Trouvaillen etwas ab. Es fällt auch auf, dass mit der Blues-Komponente in den restlichen Songs gleichzeitig auch der freakige Anteil in der Musik von Wolfgang Orschakowski und seinen mysteriösen ungenannten Mitmusikern nur noch ganz minim vorhanden ist. Trotzdem sind auch "Ein Gemmen-Märchen", "It's Groovy, The Electric Light Machine, Boy" und "Take Over, Electric Light!" ein Muss für den wahren, sich immer auf der Suche nach Unbekanntem und Obskurem befindlichen Krautrock-Perlentaucher.

Ueber den Musiker Wolfgang Orschakowski ist nur wenig bekannt. Geboren wurde er im Jahre 1947 und er ist neben seiner Tätigkeit als Gitarrist auch als Kunstmaler aktiv. Ausserdem trat er auch als experimenteller Videokünstler, Avantgarde Artist und als Verfasser von Gedichten in Erscheinung. Ausserdem gehörte er der Hamburger Filmmacher Cooperative an. Wolfgang Orschakowski ist nachwievor als Künstler aktiv. Gerade hat er eine neue Installation mit dem Titel "Don't Open" aufgeführt, in welcher er zeigte, dass Wasser nicht gleich Wasser ist. Zwar Wasser, aber was wissen wir ? Ist es aus der heiligen indischen Buddha Quelle, ist es aus dem Ganges, ist es Weihwasser aus der Quelle von Lourdes oder gemeines Wasser aus den Wasserwerfern von Brokdorf ? Wir wissen es nicht.

Das wiederveröffentlichte "Zippo Zetterlink" Album, sowie eine weitere CD mit dem Titel "Story About Soul Recordings Tonight" mit bis dahin unveröffentlicht gebliebenen Aufnahmen, die der Musiker in Deutschland und der Türkei aufgenommen hatte, ist seit 2010 auf dem deutschen Plattenlabel Psycho-Path Records erhältlich.




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