ROUGH DIAMOND - Rough Diamond (Island Records ILPS 9490, 1977)
In der Folge gründete der angekratzte Heldentenor bereits kurze Zeit später eine neue Gruppe, die auf den ersten Blick eigentlich wie eine sogenannte Supergroup anmuten sollte, in Wahrheit aber eher eine Allianz der Verzweifelten war: Gitarrist David "Clem" Clempson (Bakerloo, Colosseum, Humble Pie) war ebenso auf der Suche nach einer neuen musikalischen Betätigung wie der Schlagzeuger Geoff Britton, der in den späten 60er Jahren Mitglied der Gruppe East Of Eden und von August 1974 bis Januar 1975 bei Paul McCartney's Wings mitgespielt hatte. Hinzu kamen mit dem Keyboarder Damon Butcher und dem Bassisten Willie Bath zwei vollkommen unbeschriebene Blätter. Butcher spielte erst in den 90er Jahren als festes und jahrelanges Mitglied bei der Band The Beautiful South mit, während Bassist Willie Bath zusammen mit Butcher nach dem kurzlebigen Projekt von David Byron bei der Gruppe Champion spielte und danach in der Versenkung verschwand.
Das neu formierte Quintett nannte sich Rough Diamond, ging im Dezember 1976 in London ins Studio und nahm sein Debütalbum auf, das nach einem Rechtsstreit mit einer anderen Band mit demselben Namen im März des darauffolgenden Jahres erschien. David Byron liess es sich dabei nicht nehmen, sich im Innencover der Platter noch einmal zu seinem Ende bei Uriah Heep zu äussern, indem er er anmerkte, nicht die Band hätte ihn entlassen, sondern er hätte Uriah Heep verlassen. Nicht gerade die feine Art, aber durchaus die Reaktion einer verschnupften Diva.
Musikalisch liess sich das auf dem Album Gebotene zunächst recht konventionell an: Mit dem Titel "Rock'n'Roll" stellte die Gruppe Rough Diamond einen eher relativ einfach gestrickten Song an den Anfang der Platte. Einen Titel wie diesen hätte man auf einer klassischen Uriah Heep-Platte eher in den hinteren Regionen einer LP finden können, wenn er denn überhaupt für veröffentlichungswürdig erachtet worden wäre. Als Auftakt für ein erstes Album einer neuen Band also eher eine missglückte Wahl. Zudem lieferte ein in den Songeingebautes Saxophon einen zusätzlichen, eher unpassenden Zusatz, den man so in einem Uriah Hepp ohnehin nie gehört hätte. Hier allerdings lag eigentlich bereits der Reiz dieser Platte: Das klang in der Tat nach Neubeginn, es wirkte auch wie eine bewusste Suche nach alternativen Arrangements, um sich möglichst vom Sound der Band, mit welcher David Byron logischerweise noch immer assoziiert wurde, abzuheben.
Das Stück "Lookin' For You" klang dann schon wesentlich lockerer und wirkte aufgrund seines Arrangements wie eine Art Mixtur aus typischen Uriah Heep- und Deep Purple-Sounds, was den Sänger wieder in Richtung klassischem Rock lotste, für den er bekannt war und auch geschätzt wurde. "Lock And Key" überraschte mit einer eher soulig-funky ausgelegten Grundstimmung, wie sie allerdings typisch war bei Rockbands zu Mitte der 70er Jahre. Solch leichte funky Rhythmen fanden sich beispielsweise auch in Titeln von Led Zeppelin ("Trampled Under Foot") oder bei Deep Purple nach dem Ausstieg von Ritchie Blackmore. "Lock And Key" überzeugt vor allem durch ein wunderbares Gitarrensolo von Clem Clempson. Der dem klassischen amerikanischen Westcoast Sound nachempfundene und sich über eine Lauflänge von 7 1/2 Minuten erstreckende "Sea Song" beendete die erste Seite der LP sanft laidback und sehr romantisch, eine Art musikalische Mixtur aus "When A Blind Man Cries" und "Soldier Of Fortune" (Deep Purple). David Byron bestätigte vor allem bei diesem Song, dass seine Stimme sich wieder erholt hatte und e durchaus wieder zu stimmlichen Höchstleistungen fähig war.
Das die zweite LP-Seite beginnende "By the Horn" geriet zu einer Art Southern Rock'n'Roll, welcher genau wie das äusserst entspannt groovende und bluesige "Scared" an eine sehr gemütliche Variante von Uriah Heep erinnerte - wie eigentlich fast alle Songs auf dieser Platte. Besonders die trotz aller Lässigkeit elegant treibende, von einem tollen Klavier begleitete Bluesnummer "Scared" dürfte dabei zum vielleicht besten Song der Platte und somit der Band Rough Diamond geworden sein, denn hier passte auch Byron's Gesang am allerbesten zur Musik, die nunmehr jeglichen Rock-Stress abgelegt hatte. Das nachfolgende "Hobo" kredenzten vor allem Clem Clempson und Damon Butcher zu einer waschechten Jazzrock-, respektive Fusion-Nummer, und das war erneut ein eher unerwarteter Höhepunkt auf dem Album. Eher schräg und auch eher unnötig gerieten die zwei kurzen Minuten des von Damon Butcher hingeworfenen Keyboard-Instrumentals "Link", das den wenig erbaulichen Eindruck vermittelte, Rick Wakeman und Keith Emerson hätten sich mal eben im Tonstudio verirrt. Trotz qualitativ guter Keyboard-Arbeit ein absoluter Fehlschuss auf dieser Platte. Das Instrumental leitete allerdings den die Platte beschliessenden Track "End Of The Line" ein, bei welchem der Gitarrist Clem Clempson noch einmal eindrücklich beweisen konnte, was für ein exzellenter Gitarrist er ist. Auch "End Of The Line" geriet zu einem der besten Darbietungen auf dieser LP.
Die LP "Rough Diamond" war leider nur wenig erfolgreich. In England ging die Platte im aufkeimenden Punk-Fieber völlig unter und in Amerika reüssierte sie - womöglich wegen des leicht amerikanischen Westcoast-Flairs immerhin auf dem respektablen Rang 103 der Billboard Charts. Für einen Musiker mit einer Visitenkarte wie David Byron bedeutete dies allerdings einen klaren Misserfolg. Etwas überraschend war, dass die Platte selbst in der Uriah Heep-Hochburg Deutschland wie Blei in den Regalen liegen blieb. Der Misserfolg entzweite die so hoffnungsvoll gestartete Supergroup sehr schnell. David Byron verliess die Gruppe kurz danach, während der verbliebene Rest ein Album unter dem neuen Bandnamen Champion aufnahm, das ähnlich gut war, sauber produziert und von Garry Bell besungen wurde, jenem bis dato noch unbekannten Sänger, der später als Leadsänger von The Adventures und The Untouchables bekannt werden würde.
David Byron selbst kehrte ein Jahr später mit einem wenig berauschenden Soloalbum namens "Baby Faced Killer" zurück, auf welchem sein ehemaliger Uriah Heep-Kumpel Mick Box die Leadgitarre spielte. Erst 1981 meldete er sich noch einmal mit einem furiosen Rockalbum zurück. Mit seiner neu formierten The David Byron Band veröffentlichte er die hervorragende und leider stark unterbewertete Platte "On The Rocks". Seiner Band gehörte unter anderem Bob Jackson an, der bei Indian Summer und Badfinger bereits exzellente Gitarren- und Keyboardarbeit geleistet hatte.
Unter dem Arbeitstitel "That Was Only Yesterday" nahm David Byron 1984 noch drei Coversongs auf, und zwar den erwähnten Titel aus der Feder von Gary Wright, sowie den Doors Song "Waiting For The Sun" und "Pride And Joy" aus der Feder von Marvin Gaye. Zu einer offiziellen Veröffentlichung kam es indes nicht mehr: David Byron starb am 28. Februar 1985 erst 38 jährig an den Folgen einer Leber-Zirrhose, die sein jahrelanger Alkohol-Missbrauch verursacht hatte. Die EP mit diesen drei Titeln erschien erst 2008.
No comments:
Post a Comment