SORROWS - Teenage Heartbreak (Pavillion Records JZ 36369, 1980)
Das Debutalbum der Sorrows, das 1980 erschien und heute leider weitestgehend vergessen ist, kann durchaus als echter Power Pop Klassiker bezeichnet werden, der sehr gut mit beispielsweise der ersten LP der Gruppe THE BEAT von Paul Collins oder dem Frühwerk der Band THE PLIMSOULS verglichen werden kann. Musikalische Reminsiszenzen etwa auch an die KINKS lassen sich genauso gut finden wie auch eine Art veredelter Mod Rock aus den 60er Jahren. Trotzdem klangen die Sorrows damals, 1980, recht frisch und modern, legten eher Wert auf stilvolle Erscheinung und glasklare Produktion bei tollen Kompositionen mit hohem Wiedererknnungswert als punkige Attitüde oder unterkühlte New Wave-Elemente. Die Produktion der Platte war denn auch sehr bodenständig. Produzent John Luongo verpasste den Aufnahmen ein warmes Gewand, das den Songs einen sehr edlen Klang bescherten. John Luongo produzierte auch zahlreiche New Wave Acts in jener Zeit, so etwa die Gruppen VISAGE, BLANCMANGE, CABARET VOLTAIRE und später auch AEROSMITH und THE SILENCERS. Was die Platte der Sorrows so interessant macht ist, dass sie bis heute total zeitlos wirkt, ihre Musik nachwievor aktuell klingt und es die Platte beschämenderweise nie zu einer Wiederveröffentlichung gebracht hat. Das hängt vermutlich mit dem Umstand zusammen, dass angeblich die originalen Studio-Mastertapes der Platte verloren gegangen und bis heute verschollen geblieben sind. Die sogenannten "John Luongo Mixes" sind im Bereich der Discomusik ein Begriff. Luongo hatte zahlreiche 12" Remixe von populären Songs und Hits arrangiert. Beste Beispiele für die tollen John Luongo Remixe sind beispielweise jene de Songs "The Chinese Way (New York Remix)" von Level 42, "Major Tom (Coming Home)" von Peter Schilling oder "Staying Power" von Queen.
Die Sorrows bestanden aus dem Sänger und Gitarristen Arthur Alexander, der später auch als Produzent in Erscheinung trat und dabei Grössen wie Iggy Pop & The Stooges und T-Model Ford betreute. Alexander leistete aber auch als Techniker im Tonstudio exzellente Arbeit beispielsweise auf Platten der WARLOCKS und KING MUD. Ausserdem spielte er bei den MORLOCKS unter dem schlichten Pseudonym 'Arthur' mit. Der singende Bassist Ricky Street und der Schlagzeuger Jett Harris, der zuvor in der Punk Band FLIP YOUR WIG gespielt hatte, bildeten die Sorrows zusammen mit dem vierten Musiker Joey Cola, dem Gitarristen, der vor den Sorrows in der Band von Genya Ravan Gitarre gespielt hatte und auf deren Erfolgsalbum "Urban Desire" zu hören ist.
Der Musikstil der Sorrows (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Band aus den 60er Jahren) wird gemeinhin als Power Pop bezeichnet. Power Pop ist eine Bezeichnung für einen Musikstil zwischen Rock und Pop, der sich durch kurze 3 1/2-Minuten Pop Songs, einfache Arrangements, starke Melodien und markante Riffs auszeichnet und hauptsächlich von der Popmusik der 60er Jahre, der Mods, der Beatmusik und teils von amerikanischem Pop der 60er inspiriert ist. Der Power Pop der 70er und 80er Jahre fiel teilweise mit der Punk- und New Wave-Bewegung zusammen und hatte hörbaren Einfluss auf den modernen Pop-Punk und Indie-Pop. Neben den legendären BEACH BOYS und THE WHO gelten die bereits genannten KINKS, THE MOVE und vor allem die BEATLES als musikalischer Ursprung des Power Pop, auch die EVERLY BROTHERS spielten Mitte der 60er Jahre bereits einen als Power Pop kategorisierbaren Musikstil. Auch Bands der 70er Jahre wie THE EASYBEATS, BADFINGER, Alex Chilton's BIG STAR und die RASPBERRIES mit Phil Carmen wurden nachträglich dem Powerpop zugeordnet. Bis etwa 1978 erfuhr der Begriff Power Pop keine sonderliche Verbreitung, bis er von Musikjournalisten wieder aufgegriffen wurde, die ihn als Euphemismus für poppigere Punk-Gruppen verwendeten, um Punk in kommerziellere Bahnen zu lenken. Zu dieser Zeit wurden Künstler wie ELVIS COSTELLO, DAVE EDMUNDS, NICK LOWE, aus dem direkten Punk-Umfeld stammende Bands wie die RICH KIDS und die BUZZCOCKS ebenso wie Protagonisten des Mod-Revivals wie THE JAM oder THE VAPORS als Power Pop bezeichnet. Auch bei der Kleidung dieser Gruppen zeigte sich häufig der Einfluss der Mod-Szene oder der British Invasion mit ihren einfarbigen Anzügen, schmalen Krawatten und Kurzhaarfrisuren. Einige Bands, wie die ROMANTICS, fielen allerdings auch durch New Wave-Haarschnitte und Leder-Outfits auf. Kleidungsspezifisch passten die Sorrows hier also durchaus perfekt in dieses musikalische Genre.
Mit seiner Eingängigkeit schaffte es der Power Pop, zu einem der sich am längsten haltenden Trends der Popmusik zu werden. Er übt noch heute groSSen Einfluss auf viele Gruppen aus, in untereinander verwandten Genres wie Indiepop (TEENAGE FANCLUB), Alternative Rock (THE CARDIGANS, THE DANDY WARHOLS, FASTBALL, MAXIMO PARK, Pop-Punk (BOWLING FOR SOUP, GOOD CHARLOTTE, JIMMY EAT WORLD, SIMPLE PLAN, WEEZER) und Britpop (BABYSHAMBLES, THE LIBERTINES, SUPERGRASS). Die äusserst erfolgreiche Gruppe GREEN DAY wiederum bekannte sich dazu, seit ihrem Album "21st Century Breakdown" einen vollen Genrewechsel von Punk hin zum Power Pop vollzogen zu haben.
Die Platte der Sorrows, die einen Nachfolger erhielt im Folgejahr, der jedoch leider völlig unterging ("Love Too Late") und auf welchem als ausführender Produzent der legendäre Shel Talmy einen Top-Job machte, bietet 12 herrlich melodiöse und hochkarätige Power Pop Songs, die allesamt in den Gehörgängen hängen bleiben, und die weder durch übertriebene Härte, noch zu weichgespülte Arrangements glänzen. Sehr transparent klingt John Luongo's Produktion, glasklare Gitarren vermittelnm einen tollen Byrds-Twang und die Refrains laden jederzeit zum mitsingen ein. Sei es mit "Teenage Heartbreak" der tolle Einsteiger in das Album oder mit "Can't Go Back" der erste Song der B-Seite: Die Gruppe bietet zumeist herrliche Doppel-Gitarren-Arrangements, die sich gegenseitig stets unterstützen und nebeneinander perfekt harmonieren. Grosse Melodien wie jene von "I Donm't Like It Like That", "I Want You Tonight" oder "All You Gotta Say" erfahren vor allem durch die mehrstimmigen Gesangslinien einen jederzeit tollen Pop Appeal, der die Sonne einfangen und festhalten kann.
Erwähnenswert sind diesbezüglich vor allem die Stimmen der Gast- und Chorsängerinnen Ellen Foley, die auch als Solokünstlerin, Schauspielerin und Duettpartnerin von MEAT LOAF bekannt ist, und Karla DeVito, die auch mit Jim Steinman zusammenarbeitete, für BLUE OYSTER CULT sang und auch Soloplatten veröffentlichte. Susan Hall, die später für NEIL YOUNG und MOON MARTIN arbeitete, und die zum damaligen Zeitpunkt bereits legendäre Ellie Greenwich setzten weitere gesangliche Glanzpunkte. "Teenage Heartbreak" ist ein musikalisches Juwel, das heute leider praktisch vergessen ist, das sich aber jederzeit lohnt, entdeckt zu werden. Vor allem wird jedem Musikhörer, der sich die Platte einmal anhört, erstaunt sein, dass die Musik der Sorrows so frisch und unverbraucht klingt, als wäre sie erst unlängst veröffentlicht worden. Dabei hat das Album schon mehr als 35 Jahre auf dem Buckel.
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