FRANK MARINO & MAHOGANY RUSH - Live
(Columbia Records JC 35257, 1978)
Frank Marino, geboren am 20. November 1954 in Montreal, gründete bereits 1969 seine Formation Mahogany Rush. Sein Musikstil wurde vom damals gängigen Verständnis für Blues-, Jazz-, Funk- und Rockelementen geprägt. Es waren jene gängigen Richtungen, die zu seiner Zeit vorherrschten. Marino pflegte bereits früh Kontakte zu einigen gleichaltrigen Musikenthusiasten, aber auch zu Drogen, die er schon bald in exzessiver Weise konsumierte, bis er wegen eines lebensgefährdenden LSD-Rausches in eine Klinik eingeliefert werden musste. Er gab sich fortan geläutert. Mit der Gründung seiner Band bekam sein eigenes Leben einen wesentlich kreativeren Sinn. Er wurde zum Berufsmusiker, sah in der Folgezeit im Gitarrenspiel seine Lebensaufgabe. Im Jahre 1972 veröffentlichte er mit seiner Band das erste Album mit dem Titel "Maxoom", dem jedes Jahr ein weiteres folgen sollte. Bis 1978 die hier besprochene "Live" LP erschien. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Frank Marino längst zu einem der Top Acts unter den Rock Gitarristen gemausert. Seine Studioalben der 70er Jahre "Child Of Novelty", "Strange Universe", "Mahogany Rush IV" und "World Anthem" zeigten einen Musiker mit einer Top-Band, dessen Popularität unter Rock-Kennern stetig wuchs.
Frank Marino's "Mahogany Rush" zählen auch heute noch zu jenen Exponenten der klassischen Rockmusik aus der Ära nach Woodstock und der Hendrix'schen Provokation der zersägten USA-Hymne. Aus jener Zeit also, als das endlose Improvisieren zum guten Ton gehörte und die elektrische Gitarre quasi zur Waffe gegen das verlogene Establishment beitrug oder zur faktischen Penisverlängerung prä-pubertierender Rock-Jünglinge wurde. Bei Frank Marino dürfte dies allerdings nicht voll umfänglich zutreffen, denn sein Bestreben war es, nicht nur auf diesem Album, dem Kult-Gitarristen Jimi Hendrix seine fortwährende Ehrerbietung zu erweisen. Das gelang ihm auch mit diesem ersten Live-Albumvon ihm, dem später noch weitere folgen sollten. Allerdings kann man schon festhalten, dass sein erster Konzert-Mitschnitt, der aus diversen Südstaaten-Auftritten im Rahmen einer US-Tournee zusammengestellt worden war, ein Dynamik-Feuerwerk erster Güte darstellte und eine weitere Bestätigung lieferte, die er schon mit seinen Studioalben längst abgeliefert hatte: Er war auch live ein absoluter Hammermusiker. Trotzdem wird sein Name in Zusammenhang mit den hervorragendsten Rockgitarristen vor allem der 70er Jahre oft nicht genannt. Woran das liegen mag, kann nicht mal schlüssig beantwortet werden. An der Musik liegt es sicherlich nicht. Schön ist, dass Frank Marino auch heute noch aktiv unterwegs ist und immer noch denselben Glanz versprüht, den er schon in den 70er Jahren mit Mahogany Rush versprühen konnte. Zum 1978er Live Album:
Der Konzert-Zusammenschnitt beginnt mit dem Stück "The Answer", nachdem eine ebenso geheimnisvolle wie düstere Einleitung ("Introduction") diesen Titel androht. Frank Marino fragt grimmig entschlossen eine höhere Macht nach einer Antwort auf die immerwährende Frage nach dem Sinn eines vom Drogenkonsum bestimmten Lebens. Sein krächzender, stakkatoartiger Gesang wird dabei von einem wuchtigen Schlagzeugspiel und einem brummenden Bass unterstützt. Bereits bei diesem Stück lässt Marino erkennen, wer für ihn das grosse Idol ist. Mit "Dragonfly" folgt ein Part aus dem vierten Album der Gruppe. Auch hier kann anhand der gesungenen Passagen eindeutig Rückschluss auf die Hendrix'sche Vorbildfunktion gezogen werden. Der Titel ist von einem einprägsamen Grundrhythmus durchsetzt, der nur kurzzeitig durch ein Solo des Gitarristen Frank Marino unterbrochen wird. Es folgt die über 8-minütige James Moore alias "Slim Harpo"-Komposition " I'm A King Bee", die es bereits prominenteren Vorgängern, wie den Rolling Stones, Grateful Dead oder zum Beispiel auch Bob Dylan zuvor angetan hatte und nun, fast 20 Jahre nach ihrer Veröffentlichung durch eine erneut gecoverte Version hier eine bluesrockige Parade-Renaissance erfuhr. Ein bluesiges, von einem typischen 12 Takt Bass getragenes Highlight, in welchem Frank Marino seine Fingerfertigkeiten und Improvisationskünste voll ausschöpfen durfte. Die Band verlängerte diesen Song, in dem sie einen Auszug der bekannten Bluesnummer "Back Door Man" von Willie Dixon anhängte. Ein Feuerwerk auf der Gitarre beendet diesen tollen Bluesrock Jam, wofür die Truppe euphorischen Applaus erntet. Mit "A New Rock & Roll", einem tempogeladenen, sehr wilden Stück, wird die erste Seite der LP ausgeblendet.
Die Rückseite eröffnet eine sehr eigenwillige Interpretation des Chuck Berry-Klassikers "Johnny B. Goode". Auch hier zeigt Frank Marino erneut auf beeindruckende Art und Weise, was er auf der Gitarre kann. Der Folgetitel "Talkin' Bout A Feelin'" ist geprägt von einer Art gehetztem Gesang und den scheppernden Gitarrenriffs. Er geht nahtlos in den Jam "Who Do Ya Love" über, wobei hiervon nur der Text auf das Original hinweist, denn Marino zerfetzt durch ein Gitarren-Inferno jedweden Bezug zu dem ursprünglich aus der Feder von Bo Diddley stammenden Stück, das Anfang der 70er Jahre auch die Band Juicy Lucy recht erfolgreich coverten. Dieser auf eine Lauflänge von fast 11 einhalb Minuten ausgedehnte und sehr abwechslungsreiche Jam gleitet dann in den Rhythmus des nächsten Jam-Teils "Electric Reflection Of War" über, das Frank Marino unüberhörbar seinem Idol Jimi Hendrix widmete und mit dem er seine selbst komponierte und veränderte Fortsetzung der originalen Hendrix'schen Woodstock Interpretation von "Star Spangled Banner" auf die Bühne brachte. Ein überaus brachialer Abgesang auf die Post Hippie-Ära. Mit dem gleichnamigen Titelsong von Marino's wohl bis heute unterschätzten Album "World Anthem" kommt ein instrumental eher gesetzteres Rockstück zur Geltung, das von der Thematik her die logische Fortsetzung darstellt. Frank Marino hatte zuvor mit dem gleichnamigen Studioalbum eine Art internationale Hymne kreiert, die auf der ganzen Welt verstanden werden sollte. Dazu hatte er der originalen Studioplatte auch ein Blatt beigelegt gehabt, auf welchem ein Hymnentext, der allerdings in dem Stück selber nicht gesungen wird, in vielen verschiedenen Sprachen abgedruckt war. Eine originelle Idee und bis heute einmalig. Mit dem bekannten Hendrix-Stück "Purple Haze", dessen Adaption von Frank Marino nicht sonderlich von der Orginalversion abweicht, jedoch wuchtig vorgetragen wird und sich in schrillen Gitarrenriffs ergibt, verabschiedet sich die Formation angemessen aus dieser Platte, frenetisch gefeiert vom Publikum.
Nach diesem rohen und konsequent rockenden Album veröffentlicht die Formation mit "Tales Of The Unexpected" ein weiteres Live-Album. Mit "What´s Next ?" im Jahre 1980 stellte sich die Gruppe, ergänzt durch Frank Marino's Bruder Vince als zweitem Gitarristen eine durchaus auf den eigenen musikalischen Weg gerichtete Frage. Die Zeiten hatten sich gewandelt: Hard Rock wurde zusehends zur musikalischen Spielwiese einer Minorität, der überwiegende Rest der Liebhaber von populärer Musik driftete in andere Richtungen, wie Jazz, Punk oder Disco ab. Die folgende Identitätskrise der Gruppe dauerte fast 7 Jahre - das wenig erfolgreiche Album "The Power Of Rock And Roll" von 1981 genauso inbegriffen wie das leider ebenfalls weit unter seinem Wert gehandelten Power-Werk "Juggernaut", das ich auf jeden Fall zu den besten Momenten des Gitarristen zähle. Mit dem 1986 veröffentlichten Album "Full Circle", ebenfalls nur wenig beachtet, hatte Marino sich zudem weitgehend von seiner ursprünglich von Jimi Hendrix inspirierten Spielweise verabschiedet und seinen eigenen Stil gefunden, was ihm leider nicht den zählbaren Erfolg brachte, den er sich damit erhofft hatte.
Durch das Desintresse des Plattengiganten CBS bedingt, wechselten Mahogany Rush nicht nur das Label, sondern auch das Personal. Frank's Bruder Vince wurde zum ständigen und treuen musikalischen Begleiter, die Gruppe erhielt einen Keyboarder. Nach einem weiteren Live Doppelalbum im Jahre 1988 ("Double Live") liess die Band die 80er Jahre nur noch wenig erfolgreich ausklingen und meldete sich 1990 mit dem Studio-Werk "From The Hip" zurück. Marino hatte inzwischen, dank seiner über 20-jährigen Musikerfahrung, seinen durchaus eigenen Stil gefunden. 1993 spielte er bei einem interessanten Tribute-Projekt mit, bei welchem sich Gitarren-Heroen wie Leslie West, Rick Derringer und Pat Travers (Album-Titel: "Fit For A King") dem Blues-Gitarristen Albert King widmeten. Ein weiteres "Tribute" - Album wurde im gleichen Jahr veröffentlicht. Es ware dem 1990 tödlich verunglückten Stevie Ray Vaughan gewidmet und trug den Titel "Hats Off To Stevie Ray". Weitere Alben umfassten sowohl Studio- wie Live-Veröffentlichungen, die zunehmends nur noch von brettharten Fans gekauft wurden. Auch wenn Frank Marino seit nun fast vier Dekaden im Musikgeschäft verweilt, blieb ihm der grosse Erfolg auf den europäischen Bühnen oder dem hiesigen Musikmarkt stets verwehrt. Völlig zu Unrecht, wie ich finde. Frank gehört zu den Grossen der grössten Rock Gitarristen, damals wie heute.
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