Jul 15, 2016


LOWELL GEORGE - Thanks I'll Eat It Here
(Warner Brothers Records BSK 3194, 1979)

Eine persönliche Einschätzung gleich vorweg: Wer in dem ersten Soloprojekt des leider verstorbenen Little Feat-Chefs Lowell George eine komprimierte oder gar weiterentwickelte Songstrategie seiner Stammband Little Feat vermutete, lag damals völlig daneben. Schon alleine deshalb überraschte diese wunderschöne Platte, und wohl auch aus demselben Grund verkaufte sie sich auch eher schleppend. Lowell George's musikalischer Horizont und seine Fachkenntnis lagen auf jeden Fall weit über den vertrackt-rhythmischen, für die Gruppe Little Feat typischen Soundmuster. Das zeigte sich nicht nur in seinen vielen musikalischen Nebenprojekten, wenn er beispielsweise als Produzent unter anderem bei Grateful Deads Werk "Shakedown Street" in Erscheinung trat, oder wenn er als Gastmusiker etwa Koryphäen wie Robert Palmer, Linda Ronstadt, Bonnie Raitt oder Jackson Brown unter seine Fittiche nahm. Er war nicht nur ein brillianter Songschreiber, sondern wohl auch bis heute einer der besten Slidegitarristen aller Zeiten.

Was hinter den glänzenden Augen, dem Fünf-Tage-Bart und dem verschmitzten Lächeln für musikalisches Potential steckte, glaubten damals, natürlich diesbezüglich vor allem in Richtung Little Feat schielend, viele schon längst zu wissen. Das waren dann ausnahmslos jene Fans und auch Kritiker, die Lowell George's Solo-Projekt insgesamt eher als Enttäuschung auffassen mussten. Davon gab es damals doch so einige, denn entgegen einem üblichen Trend, Soloprojekte mit Pauken und Trompeten noch üppiger oder auffallender in Szene zu setzen als das gemeinsame Werk im Gruppenverbund, präsentierte Lowell George ein Album von überraschender Schlichtheit, wenn auch von erhabener Schönheit, mit der damals schlicht keiner gerechnet hatte. Es wirkte etwa so, als würde sich ein ausgewiesenerTopstar auf's semiprofessionelle Niveau herunterwagen, sich zurücknehmen, um damit alle zu verblüffen. Im Prinzip wollte der Musiker Lowell George zwei Dinge: Die Loslösung von Little Feat zum einen und zum anderen einfach die Musik machen, die ihm wichtig war. Natürlich lag ihm musikalisch auch seine ihm eigene Cartoon-Vision eines liebenswerten, durchgeknallten Amerika am Herzen, die er in seinen Songs auch mit Little Feat durch und durch verkörperte, man denke dabei beispielsweise nur mal an den Song "Dixie Chicken".

Wie weit und doch so nah die Welten des hervorragenden Musikers und seiner Stammformation auseinander geraten waren, zeigt dieses Album ziemlich deutlich auf. "Thank's I'll Eat It Here" geriet zu einem äusserst würzig gemixten Potpourri aus vielen musikalischen Einflüssen und Stilrichtungen, aus genialem Songwriting, aufwändigen Arrangements und aus herrlich adaptierten Coverversionen. Das liest sich nach einem kunterbunten-orientierungslosen Mix verschiedener Musikstile, ist es aber nicht. Ich denke, dass es die Kunst dieses Albums und seines kreativen Schöpfers ist, all die oben beschriebenen Elemente zu einer perfekten Mélange zu verschmelzen, die im Endeffekt wie aus einem Guss wirkt. So treffen auf dieser Platte soulig-stampfende Rocksongs wie etwa "What Do You Want The Girl To Do", funkig-rhythmische Tanzmummern wie "Honest Man" oder "Can't Stand The Rain", mexikanische Mariachi-Klänge und klassisches Tex-Mex-Flair wie in der akustischen Traumnummer "Cheek Tto Cheek" mit eigen interpretierten und aufgepeppten Little Feat Songs wie "Two Trains" zusammen und ergänzen sich dabei ganz vorzüglich und wirken dabei niemals wie ein konzeptloser Gemischtwarenladen. Es passt einfach alles zusammen und wirkt auf der ganzen Linie glaubwürdig und hört sich wundervoll an.

Dazu gibt der Künstler drei wunderschöne, fast zerbrechlich wirkende Songperlen zum besten, die einem die Augen feucht werden lassen: "Find A River", "Heartache" und "20 Millions Things To Do" sind wunderschöne Nummern die nicht nur unter die Haut gehen, sondern auch zum Nachdenken anregen. Man glaubt Lowell George wortwörtlich, dass er noch 20 Millionen Dinge machen wollte. Und spürt doch auch die Überforderung, die für ihn darin lag. Auch kann man George, der seine Gesundheit vielleicht gerade aus diesem Grund so konsequent ruinierte, vieles vorwerfen, so wie das die damaligen Muskkritiker oft und gerne gemacht haben, aber weder hat er jemals verlogene, kommerzorientierte Musik gemacht, noch Little Feat in irgendeiner Form verraten. Er war nach vielen Jahren einfach soweit, seinen eigenen Weg gehen zu wollen, ja zu müssen. Diese Entscheidung war ihm sicherlich nicht leicht gefallen. Was dabei noch alles herausgekommen wäre, ist er uns durch seinen frühen Tod leider schuldig geblieben. Ich glaube aber, dass da noch einige Überraschungen auf den Musikhörer und auch auf die Gruppe Little Feat, die er ganz sicher aufgrund seines Charakters nicht hätte links liegen lassen, zugekommen wären. So blieb es leider bei nur dieser einen Soloplatte des großen Admirals Lowell George. Wer sich auf "Thanks I'll Eat It Here" einlässt, findet darin einen ganz phantastischen musikalischen Geniestreich eines der grössten Musiker, die Amerika hervorbrachte. Ein Hörfest für Hörer mit offen Ohren und offenem Herzen. 

Wieviele Einflüsse Lowell George auf dieser Platte verarbeitete, lässt sich auch auf dem Plattencover von Neon Park visuell schön nachvollziehen, das eine Hommage an Manet's Gemälde "Frühstück im Grünen" reproduziert, auf welchem die drei Personen des Originals gegen Bob Dylan, Marlene Dietrich und Fidel Castro ausgetauscht wurden. Und genauso grellbunt wie sich das Plattencover präsentierte, so bunt geriet auch diese zum Sterben schöne Platte. Uebrigens noch eine kleine Fussnote zu Lowell George's Stammband Little Feat: Wer immer dachte, der Begriff "Little Feat" hätte in irgendeiner Weise etwas mit kleinen Füssen zu tun, der lag ziemlich falsch. "Little Feat" bedeute wörtlich wie auch sinngemäss übersetzt "kleines Kunststück". So steht dann ein Album- und Songtitel wie "Feats Don t Fail Me Now" nicht etwa für das sich etwas schräg anhörende "Füsse verfehlen mich nicht mehr" sondern, deutlich sinnvoller, für den geflügelten Ausdruck "Kunststücke misslingen mir nicht mehr".



 

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