THE STRAWBS - Hero And Heroine (A&M Records SP-3607, 1974)
Den Strawbs war ich schon von Beginn weg immer wieder über den Weg gelaufen. Da war mal sicherlich der Keyboarder Rick Wakeman, den ich bei YES kennengelernt hatte und später gewahr nahm, dass der Musiker zuvor bei den Strawbs gespielt hatte. So lernte ich die Frühphase der Band kennen, die noch ziemlich viel akustischen Folk präsentiert hatte. Die hervorragende Sandy Denny machte ihre ersten musikalischen Gehversuche bei den Strawbs. Mit dieser noch relativ urwüchsigen Folklore hatte ich seinerzeit jedoch meine liebe Mühe, einzig das Album "Dragonfly" gefiel mir damals sehr gut. Das hat sich in den vielen Jahren danach natürlich grundlegend geändert. Heute würde ich die Strawbs als eine der wichtigsten Folk-, respektive Folk Rock Bands aus England bezeichnen. Sie haben die stilistische Weiterentwicklung, diese Elektrifizierung des ursprünglich rein akustischen Musikstils massgeblich mitgeprägt. Allerdings haben sie sich mit dem amerikanischen Mainstream genauso eingelassen, wie mit leichtem Art-Rock lastigen, anspruchsvollem Poprock, den sie hier auf diesem Album von 1974 präsentierten.
Die Strawbs begannen bei mir so richtig nachhaltig zu wirken, als sie mit der Gewerkschaftshymne ....they won't get me I'm..."Part Of The Union", und etwas später mit der Single "The Winter Long" - einem Part der dreiteiligen Suite "Autumn" von der LP "Hero And Heroine", regelmässig im Radio präsent waren. "Part Of The Union" wurde auch zu einem ihrer grössten Hits. Die nun eher auf Poprock ausgerichtete Musik der Strawbs und damit verbunden dieser Hit sorgten bei der Gruppe für ein stilistisches Umdenken. Die Folk-Elemente gerieten zunehmends in den Hintergrund, der typisch britische Art Rock hielt Einzug in die Band. Mit dem Album "Hero And Heroine" brachte die Gruppe ein phänomenal schönes Album heraus, dessen einziger, jedoch aus heutiger Sicht recht gravierender Makel der Umstand war, dass es für damalige Verhältnisse klanglich fast eine Katastrophe war. Natürlich konnte man das Album durchgehend mit viel Freude anhören, doch die relativ schlechte, mittenlastige Klangqualität und die verheerende Bass-Dünnbrüstigkeit waren alles andere als zeittypisch. Hier hatte Jemand wirklich schlechte Arbeit abgeliefert. Wäre diese eher ernüchternde Klangqualität nicht, wäre das Album - zumindest in kompositorischer Hinsicht - ein absolutes Inselalbum.
Der Einsatz des Mellotrons und der Neuzugang Chas Cronk, der zuvor als Bassist in der Band von Phillip Goohand-Tait tätig gewesen war, markierten die wesentlichste Aenderung im Line-Up und dem Sound der Strawbs. Ausserdem führte das Album "Hero And Heroine" letztlich dazu, dass nach dessen Veröffentlichung vor allem die USA im Fokus der Band standen, denn das Werk war in den Vereinigten Staaten wesentlich erfolgreicher als in ihrer Heimat England. Die das Album einleitende dreiteilige Suite "Autumn" war schon eine echte Ansage. Da war nichts mehr zu hören vom Pop des kurz zuvor gefeierten Single Hits "Part Of The Union". Stattdessen kamen hier Doom-Elemente, klare Reminiszenzen an den Progressive Rock und eine ausgefeilte Story zum tragen - der musikalische Wandel hätte nicht gravierender sein können. Mysteriös und wie durch einen Schleier zelebrierte die Band in dieser Suite drei verschiedene stilistische Themen, welche die Zeit zwischen Herbst und Winter perfekt nachzeichneten. "Shine On Silver Sun" zeigte in seinem Aufbau und dem instrumentalen Arrangement bereits typische amerikanische Stilvariationen - diese Ballade mit ihrem ungemein laidbacken Rhythmus markierte den ersten Song in dieser Art, der klar amerikanische Züge aufwies. Der klasse Titelsong als Auftakt zur B-Seite der LP war ein toller, sehr erhabener Art Rocker mit forciertem Tempo und hektischem Gesang, eingepackt in ein aufwändiges Arrangement, das selbst aggressive Synthesizer-Streicher zum Einsatz brachte. Das Stück "Hero And Heroine" aus der Feder von Dave Cousins ist klar eines der grossen Highlights auf diesem Werk.
Die gesamte B-Seite der Platte wartete mit sehr amerikanischem Sound auf. So gerieten nach dem furiosen Titelstück auch die nachfolgenden Songs wie "Midnight Suin", "Out In The Cold", "Round And Round" und speziell "Hero's Theme", geschrieben von Dave Lambert zu einer Ansammlung sehr kompakter, ohrenfreundlicher und trotzdem leicht mystisch anmutender Poprock-Nummern, die so gar nicht den Charakter der Band widerspiegelten, den man sich von den Strawbs gewohnt war. Auch im nachhinein kann man festhalten, dass "Hero And Heroine" im Gesamtwerk der Gruppe eine Ausnahme bedeutet. So düster, mystisch und auf eine irgendwie faszinierende Art und Weise suchend klangen sie weder zuvor noch danach je wieder. So gesehen steht das Album ziemlich für sich alleine und lässt sich nicht unbedingt mit anderen Platten der Band vergleichen. Bis auf die bereits erwähnte eher mittelprächtige Klangqualität ist das ein äusserst hörenswertes, ja für mich aussergewöhnlich gutes Album. Wer das Werk nicht kennt, sollte sich vielleicht nach der remasterten CD-Version umschauen. Sie erschien erstmals 1998 und klang eindeutig besser und differenzierter als die ursprüngliche LP. Wobei dies ja auch immer eine Glaubensfrage bedeutet. Tatsache bleibt leider, dass zu jener Zeit Musik auf LPs eindeutig besser klang und hier beim originalen Album diesbezüglich daher Abstriche in Kauf genommen werden müssen.
Nach und nach wurde der Musikstil der Strawbs nach dem Werk "Hero And Heroine" wieder poppiger. In dieser Phase, die etwa von 1975 bis 1980 dauerte, hatten die Strawbs praktisch nur gute Alben gemacht, "Nomadness" oder "Burning For You". Auf Arista in Amerika erschienen dann die beiden für mich neben der "Hero And Heroine" essenziellen Alben der Band, die sich da auf dem Zenit ihrer Musikalität befand, und den Vergleich mit den grössten aller Poprock Bands der damaligen Ziet sicherlich nicht zu scheuen brauchten: "Deep Cuts" und "Deadlines", wobei ich tendenziell der "Deadlines" den Vorrang geben würde. Auf der "Deep Cuts" findet sich einer der grössten Hits der Strawbs: "I Only Want My Love To Grow In You". Wer diesen Song einmal gehört hat, den lässt er nicht mehr los. Es ist eine dieser berüchtigten Ohrenkleber-California Sun and everything is Alright-Popmelodien, die einem einfach den Tag verschönern. Auf der "Deadlines" gibt es dann fast nur Songperlen erster Güte. Mit "Joey And Me" gibt es erneut einen dieser wunderschönen Poprocksongs, die einfach hängen bleiben. "I Don't Wanna Talk About It" ist eine grossartige Rockballade (nicht derselbe Song wie der von Crazy Horse, den Rod Stewart und Ian Matthews zum Hit gemacht haben!). "Words Of Wisdom" ist genial düster, verwoben und herrlich arrangiert. "The Last Resort" ist ein vorwärtstreibender Rock mit wiederum einer unwiderstehlichen Melodie, und das zuckersüsse "Sealed With A Traitor's Kiss" gehört auch zu meinen Favoriten auf dieser superguten Scheibe.
Die Strawbs waren nie durchgängig dieselbe Band. Hier fanden immer wieder gravierende Stilwechsel statt. Wer sich zu stark auf "Hero And Heroine" fixiert, der kennt nur eine Facette der Band. "Hero And Heroine" ist ein saugutes Album in wie erwähnt eher moderater Klangqualität. Aber sie ist etwas ganz Anderes als die folkigen Früh-Strawbs oder die amerikanisch oirientierten Poprocker der späteren Siebziger Jahre. Wer die Band erst jetzt kennenlernen möchte, der muss notgedrungen alle musikalischen Stationen der Band mal antesten, denn sie war einfach zu vielseitig, als dass man nur eine einzelne Platte aus einer ihrer verschiedenen Schaffensperioden empfehlen könnte. Für mich ihren ersten musikalischen Höhepunkt erreichten die Musiker mit "Hero And Heroine", aber da waren sie schon eine andere Band als ursprünglich einmal. Denn zuvor waren sie eine der innovativsten Folk Rock Bands Englands. Die sehr "amerikanisch" klingende "Deadlines" dürfte aus meiner Sicht der zweite Höhepunkt im Schaffen der Gruppe Strawbs sein - und auch dort waren sie bereits wieder auf einer völlig anderen stilistischen Schiene unterwegs.
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