Jul 24, 2016


BUDGIE - Bandolier (A&M Records SP-4618, 1975)

Ob das geniale Frühwerk oder auch melodischere Epen à la "Nightflight" - Budgie haben es schon oft geschafft, mich total zu begeistern bzw. vor Einfällen völlig sprachlos zu machen. Und letzteres trifft eindeutig auf "Bandolier" zu, der für meinen Geschmack besten Platte der Gruppe um den singenden Bassisten Burke Shelley. Was hier an Ideen in die Songs gepackt wurde und mit welcher Souveränität, ist kaum zu fassen. Dieses Album, angemessen laut gehört, macht wirklich immens viele Energien frei. Ich glaube auch jetzt zu verstehen, warum die Band nie den großen Durchbruch schaffte - sie waren einfach zu gut, auf ihre Art. Und sie haben ihren Stil hier bis in letzter Konsequenz durchgezogen, ohne irgendwelche kommerziellen Hintergedanken. Vermutlich waren sie vielen Konkurrenten regelrecht unheimlich, damals. Für Musikliebhaber ist dieses Album jedenfalls das reinste Feuerwerk, der reinste Overkill. Und ohne Verzettelungen. Die Gruppe spielt bei aller Finesse wohlüberlegt und geerdet. Auch die ruhigen Titel sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Ich bin ungern so ungezügelt enthusiastisch, aber "Bandolier" ist der schiere Wahnsinn. Ich empfehle es anspruchsvollen Rockfans wirklich uneingeschränkt.

Wenn die Rede auf Schwermetall der 70er Jahre kommt, ist BUDGIE immer einer meiner Lieblinge gewesen. Sie sind immer eine jener Bands gewesen, die sich ihre eigene kleine Nische in der Musik-Welt geschaffen hatten. Ob es den Musikern bewusst war oder nicht, sei dahingestellt, aber sie waren auf jeden Fall ein massiver Einfluss für spätere Heavy Metal Bands. Van Halen beispielsweise, oder Metallica, haben sich später öfters mal der typischen Stilelemente von BUDGIE bedient, deren grösstes Potential darin lag, dass ihr brettharter Rock niemals wie eine Wand von Lärm oder Gewalt wirkte, sondern stets das melodiöse Element in den Vordergrund stellten. Sogar bei der Band Iron Maiden finden sich etliche musikalisch Zitate, deren Urspung bei BUDGIE liegen. Schon alleine aus diesem Grund ist es eigentlich schade, dass nicht mehr Menschen diese fabelhafte Gruppe kennen.

Die Kombination von Heavy Metal mit Funk kann ein sehr riskantes Vorgehen bedeuten, aber es erwies sich in den 70er Jahren öfters mal als gelungene Mixtur, derer sich vor allem die Band Grand Funk Railroad bediente. Auch Budgie tat dies und lieferten mit ihrem Album "Never Turn Your Back On A Friend" einen diesbezüglichen Genre-Klassiker ab. Dieses Album aber, einige Zeit später 1975 veröffentlicht, bedeutete in dieser stilistischen Ausrichtung den Höhepunkt des kreativen Schaffens. Die Schwere und Düsterheit des vorherigen Albums, der locker eingestreute Funk - stilistische Elemente, die auf allen ihre Alben vorhanden waren, klangen hier am ausgereiftesten und gaben dem Sound eine glänzende Klarheit und Transparenz, es ist schlicht eine fantastische Produktion. Gerade auf "Bandolier" gerät der harte treibende, öfters bluesige Rock nicht zu sehr in den Vordergrund, sondern rockt wohldosiert und sehr beseelt.

Die Gesamtstruktur und der Sound des Albums sind im Grunde von drei Pfeilern getragen: den Heavy Metal-Riffs und den Gitarren-Soli verpassten sie einen rhythmischen Funk-Groove und reicherten diesen an mit einem Hauch von Progressive Rock. Dann bedienten sie sich des bleischweren Bluesrock etwa von Humble Pie oder Free. Und schliesslich als dritten entscheidenden und soundbestimmenden Pfeiler setzten sie wie schon auf den Alben zuvor auf teils unverschämt tolle Melodien, die absolut mitsingbar sind. Gerade dieses entscheidende Element fehlt vielen Bands aus dieser musikalischen Ecke. Härte wird meist mit viel zu wenig Anteil an Melodiosität vorgetragen, ein Vorwurf, den man vielen Heavy Metal Bands machen kann - Budgie aber sicherlich nicht. Ist das gar Mädchen-Metal ? Nein, so weit möchte ich dann doch nicht gehen. Aber Budgie sind halt - vor allem hier auf diesem tollen Album - extrem bodenständig, was nicht zuletzt am teils sehr dominant eingesetzten Bass liegt, der die Schwere des Sounds letztlich fast im Alleingang definiert.

"I Can See My Feelings" ist einer der stärksten Songs von Budgie, und auch auf "Bandolier" einer der besten, obwohl sich dieses Werk eigentlich keinen einzigen Ausrutscher erlaubt. Hier ist wirklich jeder Song ein Volltreffer. "Breaking All The House Rules" mit diesem klasse vorwärts treibenden Groove setzt das Qualitäts-Level gleich von Beginn weg enorm hoch und die Band rockt und rast sich durch die gesamte Platte hindurch mit einer unglaublichen Spielfreude und nicht abbrechenden Wucht, die jedoch niemals überfordert oder gar nervt. Das Album bietet auch sehr eingängige, fast pop-artige Melodiemuster, allerdings stets ohne dabei anbiedernd kommerziell zu wirken. Jedesmal, wenn das Album leichter oder eingängig klingt, wie zum Beispiel im toll mitsingbaren "I Ain't No Mountain", schwebt diese Leichtigkeit in ihrem harten und fetten Rocksound, und genau diese Leichtigkeit vermisst man bei zahlreichen anderen Bands aus dieser Stil-Ecke.

Das echte Schwermetall-Element der Band regt sich dann allerdings doch noch am Ende des Albums, bei der fantastischen zweiteiligen Suite "Napoleon Bona-Part One & Two" Suite. Die Suite beginnt sanft im ersten Abschnitt, bäumt sich aber immer mächtiger auf und begeistert im zweiten Teil als wütend galoppierendes Monster, das mit klar progressiven Elementen extrem vielschichtig und durchkomponiert wirkt, mit zahlreichen instrumentalen Finessen glänzt und wohl nicht zu Unrecht von vielen Budgie-Fans als deren Opus Magnum bezeichnet wird. So nahe am klassischen Progressive Rock (Metal ?) waren Budgie dann doch eher selten. Ein atemberaubendes Stück, das ein insgesamt atemberaubend gutes Rockalbum beschliesst.

Die brillante Gitarrenarbeit von Tony Bourge, begleitet von Burke Shelley's funky P-Bass und der zu diesen Aufnahmen neu hinzugekommene Schlagzeuger Steve Williams, der ein absolut würdiger Ersatz für den ausgestiegenen Ray Phillips darstellt, begeistern auf der gesamten Platte. Der Gitarrist Tony Bourge hat einen ganz eigenen Spielstil, der ihn von allen anderen Gitarristen der Metal-Szene unterscheidet. Wenn er sein typisches Riffing spielt oder wenn er soliert, wirkt seine Spielweise eher unorthodox, verleiht dem Gitarrenspiel dadurch allerdings eine grosse Eigenständigkeit und definiert damit den sehr eigenen, typischen Budgie-Sound. Burke Shelley ist einer meiner Lieblingsbassisten, der mit seinem dynamischen Spielmix aus schwerem Funk und Prog-Rock viel Magie in die Stücke von Budgie legt. Steve Williams' flippiges Drumming wiederum ist fantastisch, und seine zahlreichen Fill In's fügen der Musik neben der grundsoliden und teils mächtigen Rock-Rhythmik viel Dimension und Spielwitz hinzu.

"Bandolier" ist eines der grossen, aber leider weitgehend vergessenen Rock-Meisterwerke der 70er Jahre.



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