THE DEL-LORDS - Elvis Club (Blue Rose Records BLU LP0612, 2013)
Der Elvis Club hatte endlich wieder geöffnet. Die legendären Del-Lords aus New York kehrten 2013 mit ihrem ersten Album nach mehr als 20 Jahren zurück. "Wir hatten keinen bestimmten Plan, ausser ein tolles Album aufzunehmen", sagte Scott Kempner über die überraschende Rückkehr der Del-Lords. Daraus entstand der "Elvis Club", das erste Album der Band seit 1990. "Elvis Club" klang, als hätte es nie eine Pause gegeben. Das Quartett kam mit der gleichen Überzeugungskraft und Leidenschaft zurück, die sie einst zu einer der unwiderstehlichsten amerikanischen Rock'n'Roll-Bands machte. Allerdings waren die gewachsene Lebenserfahrung und veränderte Perspektive sowohl in Scott Kempner's persönlichem Songwriting, als auch dem ansteckend knackigen Garagen-Roots Rock der Grosstädter zu spüren.
Von 1982 bis 1990 stellten die Del-Lords den Glauben der Fans an den echten Rock'n'Roll wieder her, zu einer Zeit, als echter Rock'n'Roll kaum mehr eine Rolle spielte. In vier Studioalben und unzähligen schweisstreibenden Club-Konzerten erspielte sich die Band die Bewunderung zahlreicher Kritiker und eine grosse, treue Anhängerschaft auf der ganzen Welt. Und nach so langer Zeit legten die Gründungsmitglieder Scott Kempner (Gitarre, Gesang), Eric Ambel (Gitarre, Gesang) und Frank Funaro (Drums) mit dem Bassisten Michael DuClos auf "Elvis Club" noch einen drauf, mit starken neuen Kempner-Songs wie "When The Drugs Kick In", "All Of My Life", "Chicks, Man!" und "Letter (Unmailed)". Eric Ambel, der sich in den 90er und 2000er Jahren vor allem als Produzent einen Namen gemacht hatte, übernahm bei drei Songs auf überzeugende Weise den Leadgesang: "Me And The Lord Blues", "Flying" und "Southern Pacific", einem Coversong aus der Feder von Neil Young.
"Elvis Club bestätigt nur, was ich der Band schon immer zugetraut hatte", sagte Ambel. "Das Album unterscheidet sich für mich deutlich von den früheren Platten, weil es weniger einen thematischen Zusammenhang gibt als vielmehr ein durchgängiges Gefühl, das Gefühl einer echten Band. Es geht für mich weniger darum, etwas nicht Abgeschlossenes fortzusetzen. Es geht eher um: ,Das ist es, was wir heute zu leisten imstande sind.'" Scott Kempner, der als Mitglied der Punk-Pioniere The Dictators in den 70er Jahren erstmals die Bühne betrat, Eric Ambel, das einstige Gründungsmitglied von Joan Jett's Blackhearts und Frank Funaro schlossen sich in den frühen 80er Jahren mit dem Originalbassisten Manny Caiati zusammen, um der zeitweise darniederliegenden Live-Musikszene von Manhattan wieder Leben einzuhauchen. Schnell gewannen sie den Ruf einer kompromisslos intensiven Live Band. Zwischen 1984 und 1990 veröffentlichten die Del-Lords vier Studioalben: "Frontier Days", "Johnny Comes Marching Home", "Based On A True Story" und "Lovers Who Wander", welche die Entwicklung von Kempner's provozierendem Songwriting und dem musikalischen Zusammenspiel der Band eindrücklich unter Beweis stellen konnten.
Seit dem Ende der Band hatten sich die Mitglieder ihre Sporen anderweitig abverdient. Kempner etablierte sich als erfolgreicher Solokünstler mit den zwei hoch gelobten Alben "Tenement Angels" und "Saving Grace", spielte Reunion-Gigs mit den Dictators und arbeitete intensiv mit Dion, einem Rock'n'Roller der ersten Generation und ebenso gebürtig aus der Bronx (Dion & The Belmonts). Gemeinsam schrieben sie auch den "Elvis Club"-Song "Everyday". Eric Ambel hatte sich erstklassige Referenzen erworben als Solokünstler und als Mitglied der Yayhoos sowie als Gitarrist, unter anderem für Steve Earle, aber auch als Produzent für die Bottle Rockets, Nils Lofgren und viele mehr, sowie als Inhaber der mittlerweile legendären Lakeside Lounge im New Yorker East Village. Frank Funaro spielte Schlagzeug für Cracker und Camper van Beathoven sowie in der kurzen Lebenszeit der Little Kings mit Dion & Kempner. Und die Del-Lords wurden währenddessen zur Legende, behielten ihren Platz im Herzen der früheren Fans und gewannen Hörer aus jüngeren Generationen hinzu.
Die Reunion der Del-Lords kam dennoch überraschend zustande, nachdem ein spanischer Promoter und Superfan der Band einige Live-Auftritte in Spanien angeboten hatte. Darauf folgten einige Spass-Auftritte in der Lakeside Lounge unter dem Namen "Elvis Club". Weil die Band Lust darauf hatte, bei diesen Auftritten auch neues Material zu spielen, kam die Limited Edition-EP "Under Construction" zustande. Und weil die Aufnahmen und Auftritte das Interesse der Jungs weckten, weiterhin zusammen zu spielen, war die Band schliesslich wieder am Leben. Gründungsbassist Manny Caiati war wegen seiner anwaltlichen Arbeit mit Risiko-Kindern leider zu sehr eingespannt, um sich voll der Band zu widmen, deshalb entschlossen Kempner, Ambel und Funaro, mit neuem Song-Material und einem neuen Bassisten weiterzumachen.
Die Aufnahmen zu "Elvis Club" - der Titel war eine Anspielung auf eine Anekdote aus frühen Bandtagen; es war die Bezeichnung einer Prostituierten für die vier Tollenträger - unterschieden sich grundlegend von den Arbeiten früherer Veröffentlichungen. Ambel agierte erstmals als Produzent, die Aufnahmen fanden in seinem Studio 'Cowboy Technical Services' statt. Dies gab der Band die Freiheit, ihre Ideen wie gewünscht umzusetzen."Ein grosser Fortschritt im Vergleich zu unseren früheren Alben", so Ambel. "Es fühlte sich mühelos und ganz natürlich an, mit den Jungs zu spielen. Es war eine fantastische Erfahrung, diese Platte von Beginn an selbst in der Hand zu haben. Wir haben genau die Platte gemacht, die wir machen wollten, nur zu unserem eigenen Vergnügen. Etwas Besseres kann ich mir nicht vorstellen." "Eric als Produzenten zu haben, hat unsere musikalische Bandbreite erweitert", sagte Kempner. "Ihm mangelte es nie an Ideen, er versteht die Musik sehr schnell und hört alles aus allen Perspektiven. Er kann Ideen aufnehmen, auch meine, sie verstehen und sie sehr häufig noch verbessern. Ausserdem weiss er, wo man in der Nähe was zu essen bekommt und - das ist nicht zu unterschätzen - kocht den besten Kaffee, den ich je in einem Aufnahmestudio getrunken habe. Ausserdem", fügte Kempner hinzu, "hat Eric seine gitarristischen Fähigkeiten weiter ausgebaut. Mit Ausnahme von "Everything" spielt er alle Lead-Parts auf dem Album. Das allein ist schon eine grosse Veränderung für uns, aber ihm flogen all diese tollen Ideen zu und ich mochte sie alle. Das gleiche gilt auch für Frank. Sein Drumming hat sich zu einer starken, grossen Sache entwickelt - so gross, dass er uns ein Loch in die Decke gespielt hat."
Weil es zu der Zeit der Aufnahmen kein festes viertes Bandmitglied gab, spielte eine Reihe renommierter Gastbassisten auf "Elvis Club" mit, darunter der ehemalige Suicide Commandos/Beat Rodeo-Veteran Steve Almaas, ausserdem Eric Ambel's Yayhoos-Bandkumpel Keith Christopher und Jason Mercer, der Seideman für Ron Sexsmith und Ani DiFranco. Gegen Ende der Aufnahmen kristallisierte sich heraus, dass Michael "Duke" DuClos der richtige Mann für den Job sein dürfte. "Er passte einfach sofort rein", urteilte Scott Kempner über DuClos, einen erfahrenen Musiker, der unter anderem bereits mit Funaro bei Cracker spielte. "Ein prima Typ, ein toller Musiker, ein Spassvogel und der einzige Mann, der von sich behaupten kann, sowohl mit Pete Townshend als auch mit Buddy Hackett gespielt zu haben."
Auf der Reunion-Platte "Elvis Club" zeigten sich die Del-Lords unbeeinflusst vom Musikbiz-Diktat, dem die Bands ihrer Blütezeit unterworfen waren. Sie waren inzwischen älter, weiser und entschlossener als je zuvor, ihre Mission fortzusetzen. "Wir werden es den Leuten einfach besorgen", sagte Kempner. "Es gibt keinen anderen Grund für uns, dies zu tun, ausser, dass wir darauf Lust haben. Das ist schon mal ein grosser Unterschied zu früher. In den 80er Jahren hing davon unser Leben ab und das brachte jede Menge Druck mit sich. Heutzutage gibt es keine Verpflichtungen, wir sind nicht mehr im Hamsterrad gefangen zwischen Album/Tour/Album/Tour. Unsere Zukunft ist völlig offen. Wir werden uns einfach anstrengen, ohne Termine oder Deadlines, und schauen dann, was passiert. Ich wusste schon immer, dass ich grosses Glück hatte, eine Band zu haben, die so viel mit meinen Songs anfangen konnte - und dieses Gefühl ist heutzutage stärker denn je. Nun kann ich einen Schritt zurücktreten und mich darüber wundern, wie grossartig Eric und Frank und nun Duke sind. Das ist wirklich eine Ehre. Aber sagt es nicht weiter, sonst wollen sie nur mehr Geld."
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