TESTAMENT - The Ritual (Atlantic Records 82392-2, 1992)
"The Ritual" war das fünfte Studioalbum der US-amerikanischen Thrash Metal Band Testament. Es erschien im Mai 1992 bei Atlantic Records, und war das vorerst letzte Album mit Gitarrist Alex Skolnick und das letzte mit Schlagzeuger Louie Clemente. Die Band nahm auf "The Ritual" einen deutlichen Stilwandel vom Thrash zum Heavy Metal vor. Zum Stück "Electric Crown" gab es auch ein Musikvideo. Bereits etwa seit den Aufnahmen von "Practice What You Preach" war es zwischen Alex Skolnick und dem Rest der Band zunehmend zu Differenzen über die musikalische Ausrichtung gekommen. Skolnick, der selbst keinen Metal mehr hörte und spielen wollte, sondern sich etwa mit Jazz oder der Musik von Joe Satriani und Jeff Beck beschäftigte, drängte zunehmend auf einen Wandel weg vom Thrash und in softere Gefilde. Nach dem Album "Souls Of Black", das auch verkaufstechnisch keinen Schritt nach vorne bedeutete, ging Skolnick mit Stuart Hamm auf Tour, während Eric Peterson und Chuck Billy sich dem Songwriting für die neue Platte widmeten. Als Skolnick nach der Tournee hinzustiess, weigerte er sich, das geschriebene Material in dieser Form zu spielen und veranlasste die Band zu erheblichen Änderungen. Die Band stand vor der Wahl, Skolnick zu entlassen oder die Stücke zu verändern und entschied sich für letzteres. Bereits im Herbst 1992, nach einer erfolgreichen Konzerttournee gemeinsam mit der Gruppe Corrosion Of Conformity im Vorprogramm von Iron Maiden, bei der die Band zwischen 7000 und 12000 Zuschauer hatte, deutete sich die Trennung an, die dann wenig später auf Wunsch Skolnicks vollzogen wurde. Skolnick gründete daraufhin ein Soloprojekt und spielte etwa für Michael Manring oder Savatage.
Testament gehört zu den ältesten Thrash Metal Bands, die Anfang der 80er Jahre aus der San Francisco Bay Area hervortraten. Ursprünglich wurde die Band 1983 von Eric Peterson (Gitarre), Derrick Ramirez (zunächst Gesang und Gitarre, später Bass) und Mike Ronchette (Schlagzeug) als LEGACY gegründet. Zum Line-Up gesellten sich im gleichen Jahr Steve Souza, der Ramirez am Gesang ablöste, sowie Greg Christian am Bass und Louie Clemente, der Ronchette am Schlagzeug ablöste. Ramirez wurde später auch an der Gitarre durch Alex Skolnick ersetzt. Souza, der zur Band EXODUS wechselte, wurde 1986 von Chuck Billy am Gesang abgelöst. 1987 brachte die Band das Debütalbum "The Legacy" heraus, nunmehr unter dem geänderten Namen Testament. 1988 folgte mit "The New Order" ein Zweitling, der sich erstmals in den Charts platzieren konnte. "Practice What You Preach" im Jahr 1989 enthielt mit "The Ballad" erstmals eine Halbballade, die des Öfteren im Musikfernsehen gespielt wurde. 1990 veröffentlichte die Band dann "Souls Of Black" und spielte gemeinsam mit den Top Acts Slayer, Megadeth und Suicidal Tendencies in Europa auf der Clash of the Titans-Tournee sowie in den USA mit Megadeth auf der Painkiller-Tournee von Judas-Priest.
Bereits vor den Aufnahmen zu "The Ritual" war die Band endgültig zu Atlantic Records gewechselt, nachdem der Vertriebsvertrag dieser Firma mit dem kleinen Thrash-Label Megaforce Records, das Testament zuvor unter Vertrag hatte, ausgelaufen war. Atlantic Records besass eine Option, fünf Bands von Megaforce mitzunehmen, unter anderem entschied man sich für Testament. Die Band äusserte sich unzufrieden über diese Tatsache und die Promotion für das Album. Für "The Ritual" wurden der Brite Tony Platt als Produzent und als Toningenieur Nigel Green ausgewählt, letzterer hatte bereits für Def Leppard, Mike Oldfield oder Bryan Adams gearbeitet. Die Band tat dies, um von einem Metallica-ähnlichen Klang, mit dem sie zuvor häufig verglichen wurde, wegzukommen. Ziel war es, eher wie die alten Black Sabbath zu klingen. Testament zeigten sich auch mit der Produktion zufrieden und bescheinigten Platt trotz kleinerer Auseinandersetzungen eine ausgesprochen gute Arbeit. Dennoch wurde das Resultat gerade in der Folge von Metallica's "Black Album" erneut mit der Band verglichen. Zum Stilwandel sagte Chuck Billy damals: "Was wir machen, ist nicht ganz exakt Thrash, aber unsere Thrash-Wurzeln sind in der Musik immer noch vorhanden". Später sagte Chuck Billy, Skolnicks Eingreifen habe die ursprünglich geschaffene Dynamik gebrochen. Auch die Plattenfirma habe mit ihrer Suche nach der nächsten Single, dem nächsten Video, dazu beigetragen. Eric Peterson bezeichnete "The Ritual" als gute Platte, nannte sie aber auch einen grossen Kompromiss: "The whole record was just a big compromise".
Bei den Songtexten arbeitete Chuck Billy erstmals mit einem externen Songschreiber zusammen. Del James, ein Freund von Billy, hatte bereits für Guns N’ Roses gearbeitet. Billy zufolge habe dieser Geschichten aus den vorherigen Ansammlungen von Worten gemacht. Die Texte seien in kritischem Ton gehalten, ohne Urteile zu fällen. Das Titelstück handelte vom Älterwerden, von Dingen, die man täglich tut. "Agony" handelte von Kriegsgefangenen, "Let Go Of My World" von Menschen, die alles glauben, was in der Zeitung steht. Obwohl Götz Kühnemund vom Rock Hard Magazin darauf hinwies, dass "The Ritual" die Fans der ersten Stunde wohl enttäuschen würde und auch Chuck Billys stellenweise etwas zu kraftlosen Gesang kritisierte, gab er dem Album dennoch acht von zehn Punkten. Klar strukturierte Songs mit griffigen Melodien würden besonders von Skolnicks Gitarrenarbeit aus dem Mittelmass herausgehoben. Kühnemund's Kollege Michael Rensen beschrieb die kreativen Differenzen in der Band als fruchtbar und nannte die Platte 'ein wunderbar vielseitiges, trotz aller Meinungsverschiedenheiten sehr homogen klingendes Album'.
Auch der Metal Observer attestierte dem Album "The Ritual" eine sehr gute Qualität, und bemängelte lediglich, dass das Album nur nicht so klingen würde, wie Testament eigentlich klingen. Die Platte ist aber auf jeden Fall einer dieser unterbewerteten Diamanten, die man immer erst hinterher als das erkennt und schätzt, was sie eigentlich sind. Die Platte "The Ritual" war vor allem mächtig und fett produziert, und von daher deutlich näher an Black Sabbath, als es die früheren Werke der Band waren. Das Werk ist ein Mikrokosmos des damaligen Thrash Rock. Das uncharakteristischste Stück darauf, nämlich die Ballade "Return To Serenity", geriet ironischerweise zum besten Song der ganzen Platte. Es handelte isch auch um einen Song, den man in dieser Art von Testament nicht erwartet hätte und unterstrich eindrücklich die deutlich kommerziellere Ausrichtung, welche die Band anstrebte.
Nach der Trennung von Skolnick und Louie Clemente griff die Gruppe Testament den härteren Stil der früheren Alben wieder auf und bewegte sich dabei auch auf neue Extreme zu, indem sowohl "Low" im Jahre 1994 als auch insbesondere "Demonic" und "The Gathering" deutliche Death Metal-Anleihen in Gesang und Riffing enthielten. Nicht umsonst war mit James Murphy (vormals bei Death, Obituary und Cancer) einer der renommiertesten Death Metal Gitarristen hinzugekommen. Inzwischen hatte ausserdem der ehemalige Exodus-Schlagzeuger John Tempesta das Drumkit übernommen, verliess jedoch nach den Aufnahmen zu "Low" die Band, um bei White Zombie einzusteigen. Testament bewegten sich über die Jahre durch eine Reihe fester und temporärer Line-Ups, die teilweise noch während Tourneen mehrfach wechselten. Für das Album "Demonic" verpflichtete man Gene Hoglan (ehemals Death, Dark Angel, Strapping Young Lad, Devin Townsend) und für "The Gathering" mit Dave Lombardo (Slayer, Grip Inc., Fantômas, John Zorn) einen der bekanntesten Metal-Schlagzeuger. Für "First Strike Still Deadly", eine Compilation klassischer, neuaufgenommener Testament-Stücke, kehrte kurzzeitig neben Alex Skolnick an der Gitarre auch John Tempesta zurück. Später übernahmen Jon Allen (Sadus) und Paul Bostaph (ehemals bei Forbidden, Slayer und Exodus), der auch bereits früher auf der Live-EP "Return To The Apocalyptic City" aus dem Jahre 1993 mitwirkte, das Schlagzeug. Bostaph kehrte 2007 erneut zurück. Weitere Schlagzeuger in der Bandhistorie waren Jon Dette (zeitweise Slayer, Evildead), Steve Jacobs (der von der Gruppe Forbidden kam), der über die Jahre immer wieder im Live Line-Up zu finden war und Chris Kontos (Ex-Machine Head). An der Gitarre waren nach Skolnicks Weggang ein paar Jahre Steve Smyth (Ex-Vicious Rumors) und Metal Mike Chlasciak (Halford, Painmuseum) zu hören, am Bass nach Greg Christians' Weggang Steve DiGiorgio (Ex-Death, Sadus und Iced Earth).
Nachdem bereits 1999 bei Death-Frontmann Chuck Schuldiner (1967–2001) ein Hirntumor diagnostiziert worden war, wurde 2001 bei Chuck Billy ein seltener Tumor im Brustbereich festgestellt. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch die Krebserkrankung von Ex-Gitarrist James Murphy bekannt. Daraufhin wurde von Freunden Testaments das 'Thrash of the Titans' Benefiz-Konzert zugunsten von Chuck Billy organisiert, bei dem viele namhafte 80er Jahre Bay Area Thrash Bands und auch Bands der New Yorker Thrash-Szene in San Francisco auftraten und sich für dieses Konzert teilweise sogar wiedervereinigten. Nach diesen zahlreichen Besetzungswechseln beschloss die Band, sich ähnlich wie Anthrax in ihrem klassischen Line-Up wiederzuvereinigen und auf Tournee zu gehen. Ende April 2008 erschien mit "The Formation of Damnation" 7 Jahre nach dem letzten Studioalbum ein neues Studioalbum. Die Band befand sicht laut offiziellen Angaben ihrer Facebook-Seite ab dem 20. Juni 2011 im Studio. Am 27. Juli 2012 veröffentlichte die Band ihr zehntes Studioalbum "Dark Roots Of Earth". Seitdem waren Testament in unveränderter Besetzung auf diversen Tourneen unterwegs, bis Greg Christian im November 2013 während der Tournee kurzfristig durch Jack Gibson von Exodus vertreten und im Januar 2014 vom ehemaligen Langzeit-Bassisten Steve DiGiorgio ersetzt wurde.
"The Ritual" war zusammenfassend das letzte Testament-Album mit dem Gitarrenwunder Alex Skolnick und wurde unüberhörbar von den kreativen Differenzen innerhalb der Band geprägt. Auf der einen Seite standen Chuck Billy, Eric Peterson, Greg Christian und Louie Clemente, die schnörkellosen, brettharten Thrash Metal spielen wollten, auf der anderen Seite Skolnick, dem der Sinn längst mehr nach softeren Rock-Ausprägungen stand. Dieser Widerspruch erzeugte ein wunderbar vielseitiges, trotz aller Meinungsverschiedenheiten sehr homogen klingendes Album, das die ideale Mischung aus heftigem hartem Riffing und melodischen, ruhigen Parts bot. Insbesondere der lupenreine Metal-Hit "Electric Crown" und das sehr atmosphärische "Return To Serenity" wussten auf Anhieb zu überzeugen und liessen einen die eine oder andere Träne wegen Skolnicks Ausstieg vergiessen. So gut wie auf "The Ritual" waren Testament später nämlich nie wieder.
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