THE FUGS - Golden Filth / Alive At The Filmore East
(Elektra Records 6396, 1970)
The Fugs waren eine US-amerikanische Rockband, die Ende 1964 von Ed Sanders und Tuli Kupferberg in New York gegründet wurde. Der Bandname stammte aus dem Roman 'Die Nackten und die Toten' von Norman Mailer, wo er als Euphemismus für den ähnlich klingenden Fluch benutzt wurde. Die Fugs waren eher ein satirisch-literarisches Rockkabarett. Mit ihren freizügigen Songtexten über Sex, Drogen und Politik beschrieben sie das Lebensgefühl der Hippies und parodierten das Establishment. Sie galten als die Vorläufer von Interpreten und Bands wie Frank Zappa und Velvet Underground, sowie des Punkrock. Die Beatnik-Poeten Tuli Kupferberg und Ed Sanders waren 41 respektive 25 Jahre alt, als sie im Dezember 1964 beschlossen, gemeinsam eine Rockband zu gründen. Weitere Mitglieder waren zu Beginn Ken Weaver (Schlagzeug), Steve Weber und Peter Stampfel (beide von den Holy Modal Rounders). Zum ersten Konzert der Band im Februar 1965 kamen die damaligen Grössen der New Yorker Kultur- und Underground-Szene, darunter Andy Warhol, sowie die beiden Schriftsteller William S. Burroughs und James Michener.
1965 nahmen die Fugs ihr erstes Album auf. Sie traten bei Protestveranstaltungen gegen den Vietnamkrieg überall in den Vereinigten Staaten auf, dabei oft mit so bekannten Künstlern und Gruppen wie Allen Ginsberg und Frank Zappa's Mothers Of Invention. Zu ihren bekanntesten Aktionen gehörten grossangelegte Teufelsaustreibungen vor dem Pentagon im Oktober 1967 und am Grab von Joseph McCarthy im Februar 1968. Zu dieser Zeit gehörte auch der Gitarrist Danny Kortchmar zu der Formation. In New York spielten die Fugs unter anderem zusammen mit dem Blues Project, der Jim Kweskin Jug Band und Moby Grape. Jimi Hendrix und Frank Zappa zählten zu ihren Fans und kamen häufig zu ihren Shows. Die Besetzung der Gruppe wechselte oft, nur Kupferberg, Sanders und Weaver waren als konstanter Kern ständig dabei. Zeitweilig spielte Stefan Grossman bei den Fugs Gitarre. Im Frühjahr 1968 waren die Fugs mit Fleetwood Mac und Ten Years After auf Tour in Skandinavien. Im September 1968 waren sie eine der umstrittensten Attraktionen bei den Essener Songtagen, wo sie ein Schwein als ihren amerikanischen Präsidentschaftskandidaten vorstellten.
Ed Sanders wurde am 17. August 1939 in Kansas City, Missouri) geboren und etablierte sich als Beatnik-Poet, Sänger, Aktivist, Autor und Herausgeber. Daneben war er auch einer der Mitbegründer der Fugs. Sanders selbst verbreitete das Gerücht, dass sein Vater ihn als Baby mit dem Hammer erschlagen wollte. Angeblich wollte Sanders sich durch seine Aktionen an der mörderischen Gesellschaft rächen. 1958 brach Sanders sein Studium in Missouri ab und trampte nach New York, wo er in die Underground-Szene von Greenwich Village eintauchte. Er wurde gelegentlich als die Brücke zwischen Beat- und Hippie-Generation bezeichnet. Sein erstes grösseres Gedicht 'Poem from Jail' schrieb er 1961 im Gefängnis, wo er wegen einer Protestaktion gegen Atomkraft einsass. 1962 gründete er das Avantgarde-Magazin 'Fuck You: A Magazine of the Arts'. Er eröffnete den 'Peace Eye Bookstore' an der Lower East Side, der ein Sammelpunkt für Underground-Künstler und Radikale wurde. Seine Kontakte zur Independentfilm-Szene brachten ihn in Verbindung zu Jonas Mekas und Andy Warhol, der ihn im August 1963 in seinem Experimentalfilm 'Kiss' auftreten liess. 1964 erwarb Sanders einen Abschluss an der New York University. Ende 1964 gründete er mit Tuli Kupferberg schliesslich The Fugs. Ein einmaliges Filmdokument aus der Frühzeit der Gruppe war der Film 'The Fugs And The Holy Modal Rounders', den Andy Warhol im Juli 1965 in seinem Studio The Factory drehte. 1971 veröffentlichte Sanders eine im Beat-Stil gehaltene Reportage über die Wüstenkommune des Satanisten Charles Manson und die von ihr begangenen Morde an Sharon Tate und vielen anderen. Sanders wollte Manson's Hippie-Family (Buchtitel) ursprünglich gegen Gerüchte und Verleumdung verteidigen, er stellte sich aber der unliebsamen Wahrheit.
Naphtali 'Tuli' Kupferberg, geboren am 28. September 1923 in New York City, betätigte sich ebenfalls zunächst als typischer Beatnik-Poet, Autor, Cartoonist und Herausgeber. Daneben war auch er einer der Mitbegründer der Fugs. 1944 machte Kupferberg seinen Abschluss am Brooklyn College of Arts. Danach studierte er an der New School of Social Research, arbeitete für die Liga für sexuelle Freiheit und unterrichtete an der Free University. 1958 gründete er das Magazin 'Birth', das zwar nur in drei Ausgaben erschien, aber massgebliche Autoren der Beat Generation wie Allen Ginsberg veröffentlichte. Ginsberg verewigte Kupferberg in seinem Hauptwerk 'Howl' nach einer wahren Begebenheit als den Mann, der von der Brooklyn Bridge sprang und dann unerkannt in Chinatown verschwand. 1961 veröffentlichte Kupferberg das Buch 'Beatniks or The War Against the Beats'. Ende 1964 gründete er mit Ed Sanders die Rockband The Fugs, für die er die meisten der Songs der Gruppe schrieb. Er produzierte auch zwei Soloalben, "No Deposit, No Return" (1964), eine Zusammenstellung gesprochener Gedichte und "Tuli & Friends" (1987). Erstveröffentlichungen von Kupferberg in Europa publizierte der Zappa-Kenner Urban Gwerder in seiner Zeitschrift 'Hotcha'.
Als Tuli Kupferberg zusammen mit Ed Sanders die Fugs gründete, war er schon gut in seinen Vierzigern, hatte eine Karriere als Medizinstudent, Drogenliebhaber, Selbstmordkandidat, Herausgeber und Beat-Dichter hinter sich. Sanders und Kupferberg explodierten in der New Yorker Szene wie die sprichwörtliche Bombe, allerdings eine mit langem Fusselbart und einem Joint im Mund. In einem Umfeld der politisch korrekten Aktivisten, der unermüdlichen Sammler und Forscher, der fleissig Übenden, kurz: der ideologischen wie musikalischen Streber waren die Fugs nicht weniger provozierend als ein Trupp Ku-Klux-Klan-Reiter. Sie konnten ihre Instrumente nicht spielen, verdrehten die Wörter in altehrwürdigen Songs zu "Parasongs", pfiffen auf linken Anstand und Sitte, sangen so unverschämt wie schamlos von obskuren Sexualpraktiken, zitierten in ihren Songs Blake und Yeats und religiöse jüdische Gesänge direkt neben der Aufforderung, Cola-Flaschen sexuell zweckzuentfremden. Und bevor man sich noch von dem Schock erholt hatte, entliehen sie sich Zeilen bei Plato oder Ginsberg: "Wir glaubten schlicht, den Anforderungen der Zeit an unsere Generation zu folgen, indem wir mehr Freiheit einforderten, jede Menge Spass hatten und ein wenig am Zeitgeist schnüffelten, der hier gerade so durchblies."
Nach den Fugs, mit den Fugs war alles anders: Der Freak war geboren, der Underground definiert - der kommunistische Agitator, der ehrliche Landmann waren gestern. Die 60er Jahre gehörten nun den Holy Modal Rounders, Frank Zappa, Captain Beefheart, Velvet Underground. Fugs-Platten erschienen schliesslich sogar auf Frank Sinatras' Reprise-Label - wobei man davon ausgehen darf, dass der Blue-Eyed Man seine Mafia-Connections genutzt hätte, wären die Fugs auch nur einmal an sein Hollywood-Ohr gedrungen oder hätte er eines von Kupferbergs Büchern gekannt - '1001 Ways To Live Without Working' etwa oder 'Teach Yourself Fucking'. Die Fugs umtanzten das Pentagon in Anti-Kriegs-Ritualen, waren beim berüchtigten Parteitag der Demokraten in Chicago vor Ort und veröffentlichten nebenher schlampig-geniale Platten am Band. Dass es die Band dann mal 15 Jahre nicht oder in neuer Besetzung gab, nahm ihr keiner übel.
Die Band löste sich 1969 auf, kam erst zu Mitte der 80er Jahre wieder kurzzeitig zusammen. Das ebenso grandiose wie schräge Live-Album "Golden Filth / Alive At Filmore East" erschien erst nach dem Auseinanderfallen der Fugs posthum. Bei dem Auftritt im legendären Filmore East brillierte die Band als fette und tighte Rockband. Der Auftritt fand am 1. Juni 1968 statt, und er wurde gottseidank noch veröffentlicht, auch wenn das Interesse der Käufer damals nicht sehr gross war, da die Band inzwischen nicht mehr aktiv war. Insgesamt vereinigten sich zehn Musiker auf der Bühne, darunter zwei Schlagzeuger. Das Repertoire umfasste dabei weitgehend die Songs ihrer beiden ersten Alben, die zwischen 1965 und 1966 auf dem ESP Label erschienen waren und allgemein als die populärsten der Gruppe galten. Obwohl es viele Fans der Fugs gab, die vom Liveprogramm enttäuscht waren, weil keine aktuelleren Songs zu hören waren, so gab es viele Fugs-Kenner, die die Platte sehr schätzten, weil die an dem Auftritt gespielten frühen Titel teils drastisch von den Originalversionen abwichen. Einer der hörbarsten Unterschiede war der Umstand, dass vor allem die erste LP noch ziemlich roh, schroff und 'unproduziert' geklungen hatte. Hier konnte man die darauf vorgestellten Songs erstmals als füllige, gut arrangierte Rocksongs hören, die durch die bessere Klangqualität und auch der grösseren Band noch einmal markant als Gehalt zulegen konnten.
Insbesondere die Titel "Slum Goddess", "Supergirl", "Nothing", "I Couldn't Get High", "Coca Cola Douche" und "How Sweet I Roamed" klangen fabelhaft und waren mit den originalen Studioversionen nicht mehr zu vergleichen. Es ist wirklich schade, dass die Gruppe sich nach der relativ kurzen Zeit ihrer Existenz bereits aufgelöst hatte. Die während des Auftritts typischen gesprochenen Halb-Poems waren ebenfalls vorhanden. Sie gehörten zum Standard-Repertoire der Fugs, und provozierten damals ziemlich im prüden Amerika. Heute kann man milde schmunzeln, wenn Ed Sanders zu einem seiner Monologe startete über lesbische Zwerge und kotzende Zebras, oder wenn Tuli Kupferberg bat: "I want a Titty!". Damals wurden solche Sprüche als schockierend empfunden, als Tabubruch gewertet und als primitiven Aktionismus gewertet. 1984 vereinigte sich das Ensemble wieder für ein satirisches Rezital, trat fortan immer wieder mal auf und begeisterte alte wie junge Musikfans im Jahre 1994 mit ihrem Auftritt am Woodstock 2 Festival in Saugerties als gealterte, aber nachwievor unangepasste Alt-Beatniks. Ein Fan meinte zu dem Livealbum: "This was my introduction to the Fugs back in the very early 70s. I still love it, I wouldn't play it for my mother, but I love it".
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