Apr 29, 2017


NEIL YOUNG - Everybody Knows This Is Nowhere
(Reprise Records RS 6349, 1969)

Danny Whitten, Billy Talbot, Ralph Molina und zwei weitere Musiker gründeten 1963 die Tanz- und Gesangsgruppe Danny And The Memories. Sie trugen grüne Samtpullover und schwarze Hosen und gingen, wie man im Englischen sagt, nirgendwohin. 1965 kamen sie nach San Francisco, nahmen eine Menge Drogen und beschlossen, inspiriert durch ein Konzert der Byrds (bei denen der spätere Crazy Horse-Hasser David Crosby mitspielte), Instrumente zu lernen. Sie schrieben eigene Songs und nannten sich The Psyrcle, was in einer Zeit, in der Plattenfirmenmenschen lieber keine eindeutigen Drogenanspielungen in den Namen der von ihnen unter Vertrag genommenen Bands haben wollten, nicht besonders karrierefördernd war. Sie brachten eine Single auf Lorna Records zustande, einem Label, das nach der grossbusigen Russ Meyer-Darstellerin Lorna Maitland ("Mudhoney", "Lorna") benannt worden war, gingen nach Los Angeles und dann wieder nirgendwohin. Danny Whitten spielte Gitarre, Billy Talbot Bass, Ralph Molina trommelte. Um sie herum war ein Kommen und Gehen, und am Ende war da eine Band namens The Rockets. Sie veröffentlichten eine Platte, kriegten es aber wiederum nicht hin, die Dinge für sich zum Laufen zu bringen.

Wie Neil Young und die Rockets schliesslich zusammentrafen, weiss wohl niemand mehr so genau. Es gab wohl viele Jam-Sessions, die Neil Young das Gefühl gegeben haben müssen, mit diesen schratigen Gestalten nahe an der Ursuppe des Rock'n'Roll zu sein. Anfang 1969 begannen Whitten, Talbot, Molina und Young in Los Angeles mit den Aufnahmen zu "Everybody Knows This Is Nowhere". Im Rückblick hat Neil Young über dieses Album gesagt: "I started just trying to be real instead of fabricate something", und 'fabricate something' ist ziemlich genau eins der Dinge, die man über sein damals gerade ein Jahr altes erstes Album sagen konnte, denn hier präsentierten ein paar Musiker einen richtig ungehobelten Sound, der herrlich unproduziert klang undwohl schon früh eine Duftmarke setzte für das, was Neil Young später in seiner musikalischen Weiterreise immer wieder in den Vordergrund stellte: Ungefilterte, roh erscheinende Musik, handgemacht und möglicht ohne technische Ausstaffierungen, die sich dem billigen Hochglanz nähern und die Sicht auf das Rudimentäre verbergen.

Wenn man sich das Werk "Everybody Knows This Is Nowhere" nach einer längeren Zit wieder einmal auflegt, ist man in der Tat erstaunt, wie ungehobelt und nicht-produziert sie noch immer klingt: Wie stumpf Ralph Molina einen Beat spielt, wie stoned sich Billy Talbot's Bassläufe anhören, wie scharfkantig und doch hochgradig lässig Danny Whitten mit diesem relativ cleanen Sound Rhythmusgitarre spielt. Und in all dem der Meister selbst, Neil Young und seine damals gerade neu erworbene schwarze Gibson Les Paul mit dem Bigsby-Vibrato, gespielt durch einen Fender Deluxe, über dessen einmaligen Sound in Jimmy McDonoughs "Shakey"-Biografie viele kleine Geschichten zu lesen sind. "Down By The River" und natürlich "Cowgirl In The Sand" waren die Gründe, aus denen man sich "Everybody Knows This Is Nowhere" einfach anhören musste. Das waren fabelhafte Jam-Stücke. Songs mit Strophen und Refrains in erster Linie, aber hier vor allem Trägermedien für "Big Pictures, wide open spaces", wie Neil Young seine Musik selbst beschrieben hatte: Weite, offene Räume, in denen es vor allem elektrische Gitarren zu hören gibt. Neil Young's Soli auf "Everybody Knows This Is Nowhere" strotzten vor ungeschliffenem Elan und der naiven Chuzpe eines Wirrkopfes, dem es beim Musikmachen vor allem um zweierlei ging: Emotionen und Abenteuer. Auf diesem frühen Album konnte man ihm zuhören, wie er sich gerade selbst erfand. Er kümmerte sich einen Dreck um Virtuosität. Schönes Beispiel hierfür: Sein Gitarrensolo im Titel "Cinnamon Girl" bestand nur aus einem einzigen Ton.

Neil Young drehte einfach ab. Und Crazy Horse, über die einige Kritiker urteilten, sie wären gar keine Musiker, trugen ihn dabei mit stoischen Backbeats, die den Hörer in Trance versetzten und so gar nichts von puscheliger Flowerpower-Seligkeit hatten. Crazy Horse klangen einfach saucool und wirkten gerade so, als würden sie (und Ähnliches wurde über Dylan gesagt) aus alter Zeit kommen und ein Wissen bei sich tragen, das ihnen den gänzlichen Verzicht auf Big Star-Attitüde erlaubt und handkehrum unbekümmertes Hippie-Gesäusel ermöglicht. Auch die beiden Popsongs der Platte, "Cinnamon Girl" und das der aufgeblasenen Szene von Los Angeles freundlich den Mittelfinger zeigende Titelstück, beschränkten sich auf das Nötigste und erreichten damit direkt das Herz des Hörers; allein das twangy Eröffnungs-Lick von "Everybody Knows This Is Nowhere" soll hiererwähnt werden: So direkt, so einfach, so beseelt, als wäre es schon immer da gewesen, und jetzt hatte es endlich Jemand gespielt. Solche Platten machten geringere Geister, nachdem sie alles Andere bereits durch hatten und nur noch simple und ehrliche Musik machen wollten. Dabei waren Crazy Horse doch nur ein Haufen Rüpel, die in Neil Young den passenden Kapitän gefunden hatten. Nach dieser Platte verharrten Crazy Horse die meiste Zeit in ihrer nach Haschisch duftenden Garage und warteten, bis Neil Young sie für eine neue Platte zusammentrommelte. Anti-Rockstars. Anti-Musiker. Passiv-aggressive Soziopathen mit dem Herz am rechten Fleck, sollte es so etwas je gegeben haben "Everybody Knows This Is Nowhere" war ganz eindeutig Punk, lange bevor es Punk gab.

"Everybody Knows This Is Nowhere" war Neil Young's zweites Album und das erste gemeinsame Werk mit der Band Crazy Horse, die Young bisweilen bis heute begleitet. Young erhielt für dieses Album eine Platinauszeichnung in den USA. Die deutsche Ausgabe der Musikzeitschrift Rolling Stone setzte das Album 2004 in ihrer Liste der 500 besten Alben aller Zeiten auf Platz 134. Das Album folgte damit auf das erfolgreichste Album von Neil Young, "Harvest" von 1972 (Platz 33), es stand unter den besten 500 vor weiteren Alben, die er ebenfalls eingespielt hatte, nämlich "Weld", "Freedom", "Zuma" und "Tonight’s The Night", womit er als einer der grössten Rockmusiker überhaupt gilt. Innerhalb von nur zwei Wochen wurde das Album "Everybody Knows This Is Nowhere" fertiggestellt. Das Album, das sieben Titel enthielt, wurde im Geiste ausgiebiger Instrumentalpassagen zusammengestellt. Die Songs des Albums soll Young der Ueberlieferung zufolge mit 39,5 Grad Fieber geschrieben haben. Das Album zeigte sich insgesamt noch sehr vom Westküsten-Folkrock seiner vorherigen Band Buffalo Springfield beeinflusst. Bei "Round & Round (It Won’t Be Long)" wirkte im übrigen Robin Lane mit, die später als Sängerin der Band The Chartbusters bekannt wurde.







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