Apr 26, 2017


THE ROWAN BROTHERS - Crazy People (There Records 005, 2002)

The Rowan Brothers sind ein am Folkrock amerikanischer Ausprägung orientiertes Gesangs-Duo, das in San Francisco beheimatet ist. Chris und Lorin Rowan arbeiten oft mit ihrem älteren Bruder, dem bekannten Bluegrass-Musiker Peter Rowan zusammen. Die Brüder Lorin und Chris Rowan stammen ursprünglich aus Boston, Massachusetts. Musikalisch anfangs durch die Rock'n'Roll-Ära geprägt und dann durch die Beatles und Bob Dylan beeinflusst, begannen sie zunächst als Rock- und Popmusiker. Häufig wurden sie mit den Everly Brothers verglichen, nicht zuletzt wegen ihres guten Aussehens. Ihr älterer Bruder Peter hatte sich zu dieser Zeit bereits zu einem der bekanntesten Bluegrass-Musiker der USA entwickelt. Dessen Weggefährte, der ebenfalls sehr bekannte Mandolinenspieler David Grisman holte die Rowan Brothers nach San Francisco und produzierte mit ihnen das Album "The Rowan Brothers". Über ihren Bruder und über David Grisman fanden Lorin und Chris Rowan in der Folge Anschluss an die kalifornische Folkrock-Szene. Ein erster Höhepunkt war ihre Teilnahme im Jahre 1971 am letzten Konzert des Fillmore West, wo sie als Vorgruppe von Grateful Dead auftreten konnten.

Nachdem ihr Produzent David Grisman die Plattenfirma verlassen hatte, geriet ihre Karriere zunächst ins Stocken. Gemeinsam mit ihrem berühmten Bruder Peter Rowan wurden daraufhin in den folgenden Jahren unter dem Namen The Rowans drei Alben eingespielt. Beeinflusst durch Peter entfernten sich Chris und Lorin etwas von ihrem melodiösen Folkrock und näherten sich einem progressiven Bluegrass an. Öffentliche Auftritte wurden allerdings oft ohne Peter Rowan bestritten. Alle drei Brüder schrieben einen grossen Teil ihrer Songs selbst. Viele ihrer Stücke wurden von anderen Interpreten übernommen. Bei ihren Studioaufnahmen wurden sie ausschliesslich von den besten Musikern der kalifornischen Folkrock- und Bluegrass-Szene unterstützt, darunter insbesondere auch von Jerry Garcia und David Grisman. Neben ihrem Wirken als Duo oder Trio waren sie an verschiedenen anderen musikalischen Projekten beteiligt. Lorin Rowan veröffentlichte mehrere Soloalben. 1994 fanden sich die drei Brüder noch einmal zusammen und spielten als Peter Rowan And The Rowan Brothers das Bluegrass-Album "Tree On A Hill" ein. 2005 erschien die musikalisch breit gefächerte Doppel-CD "Now And Then", die neben aktuellen Songs auch unveröffentlichtes Material und Livemitschnitte enthielt. 
Drei Jahre zuvor überraschten die Rowan Brothers allerdings noch mit einem wundervollen weiteren Studioalbum, das quasi einen Comeback-Versuch darstellte: das Album "Crazy People".

Doch zunächst noch die Geschichte von Peter Rowan, der in Boston Massachusetts geboren wurde und bereits im Teenageralter, nachdem er bereits mit 12 Jahren an Elvis Presley's Musik Gefallen fand, das Gitarrenspiel erlernte und seine erste Schulband gründete, die sich The Cupids nannte. Haupt-Inspirationsquelle für sein zumeist akustisches Gitarrenspiel war der Musiker Eric Von Schmidt, weshalb er schliesslich von der elektrischen zur akustischen Gitarre wechselte und diese zu seinem Hauptinstrument machte. Doch nicht nur der akustische Blues von Eric Von Schmidt war stilprägend für ihn, auch der Folksound von Joan Baez beeinflusste ihn nachhaltig. Im College hörte er dann auch noch den traditionellen Bluegrass etwa der Country Gentlemen oder der Stanley Brothers, was ihn ebenfalls sehr inspirierte. Einer Einladung des Countrymusikers Bill Monroe folgte er nach Nashville, dem Mekka der Countrymuaik und profilierte sich bald als einer der versiertesten akustischen Gitarristen, der in praktisch jedem Musikstil zuhause war, ganz egal, ob im Bereich Folk, Blues oder Country ein ausgewiesener Gitarrist gesucht war: Peter Rowan war stets ein gut gebuchter Studio- und Livemusiker.


Als die Hippie-Aera begann, gründete Peter Rowan zusammen mit David Grisham die Folkrock-Hippieband Earth Opera, mit welcher er regelmässig als Support Act für die Doors auftreten konnte. 1969 trat er der Westcoast-Gruppe Seatrain bei, zusammen mit Richard Greene. Im Jahre 1973 gründeten dann Rowan, Greene, Grisham plus die zusätzlichen Musiker Bill Keith und Clarence White die Bluegrass-Band Muleskinner. Ebenfalls im Jahre 1973 gründete Peter Rowan die Combo Old And In The Way, wiederum mit Greene, aber auch mit Jerry Garcia und John Kahn. Greene verliess kurz darauf Old And In The Way, und für ihn kam der Fiddler Vassar Clements, der später vor allem bei den Allman Brothers, insbesondere aber bei dem Soloalbum von deren Gitarrist Richard Betts ("Highway Call") wundervolle Akzente setzte. Als die Bluegrass-Band Old And In The Way im folgenden Jahr auseinanderbrach, tat sich Peter Rowan mit seinen beiden Brüdern zusammen und die drei gründeten The Rowans. Insbesondere nach deren aktiver Zeit als Trio war Peter Rowan in verschiedensten Projekten aktiv, spielte mal mit Emmylou Harris zusammen, veröffentlichte Soloalben, kooperierte mit seiner Tochter Amanda, mit der Gruppe New Riders Of The Purple Sage oder der britischen Band Art Of Noise.

Die Jahre, in welchen Peter Rowan sich solistisch betätigte, waren die beiden anderen Rowan-Brüder als Duo unterwegs. Im Jahre 1002 schliesslich gaben die drei Rowan Brüder wieder ein Comeback als Trio, und die Platte "Crazy People" wurde zu einem wundervollen Mix aus allerlei Folk- und Country-Traditionen, aber auch mit etlichen weiteren stilistischen Elementen. Die Liste der Gastmusiker las sich wie ein 'Who-is-Who' der amerikanischen Folk- und Akustikblues-Szene. Es gab Tex-Mex-beeinflusste akustische Perlen wie beispielsweise die Nummern "Pretty Senorita", "Don't Pick The Blossom Before It Grows" und den Walzer "Free Mexican Airforce", bei denen der Akkordeonspieler Flaco Jimenez für das nötige Tex-Mex-Flair sorgte. Sam Bush's Mandolinenklänge sorgten bei etlichen Songs für das nötige Country-Feeling. Bei "Red Rockin' Chair" verschmolzen Tex-Mex und Zydeco zu einem herrlichen Rhythmik-Feuerwerk, das vom Akkordeon, gespielt von Mookie Siegel und den tollen Klängen der Bouzouki von Tim O'Brien und dem Banjo von Tom Mitchell dominiert war.

"Crazy People", das Titelstück, sowie die anschliessende Nummer "Nothin' Personal" atmeten ein bisschen den Geist der 30er- und 40er-Jahre, klangen ein wenig nach klassischem Vaudeville Sound auch und wurden dominiert vom herausragenden Dobro-Spiel des Musikers Jerry Douglas, der in dieser Disziplin zurecht als einer der weltbesten Musiker an diesem Instrument gilt. Bei "That's Alright (Long Time)" machten die Rowan Brüder selbst vor Calypsoklängen nicht halt, arrangierten den Song aber wiederum mit Jerry Douglas' genialer Dobro und Sam Bush's Mandoline zu einem äusserst stimmigen und sogar tanzbaren Folksong allererster Güte. Das Album erreichte am Ende mit dem programmatischen Titel "Ain't Nothin' Like A Family" einen Höhepunkt, der die Rowan Brüder in Perfektion zeigten, was sie im Songtitel ja auch kund taten. Bis auf das Titelstück "Crazy People", einer Nummer aus dem Jahre 1932, komponiert von J.V. Monaco und gesungen vom Gesangstrio The Boswell Sisters, stammten alle Songs aus der gemeinsamen Feder der Rowan Brüder.

Man konnte nachlesen, dass die Rowan Brüder dieses Comeback Album damals von langer Hand geplant, immer wieder verschoben und dann wieder in Angriff genommen hatten, und summa summarum ganze zehn Jahre mit der Realisierung des Werks beschäftigt waren, bis es 2002 endlich fertiggestellt war. Für das stimmungsvolle, im 30er-Jahre Stil gehaltene Plattencover sorgte der Designer Pete Tytler, die Fotos der drei Brüder wurden von Peter Rowan's Tochter Amanda in Szene gesetzt. Ein richtiges Familienunternehmen also und eines der stimmungsvollsten der US-amerikanischen Folk- und Country-Szene.



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