ROY WOOD - Boulders (Harvest Records SHVL 803, 1973)
WIZZARD - Wizzard Brew (Harvest Records SHSP 4025, 1973)
Da Roy Wood aufgrund seiner Leistungen in den Aufnahmestudios bereits als "Phil Spector der 70er Jahre" bezeichnet wurde, erwarteten die Fans und Musikkritiker natürlich schon im Vorfeld Grossartiges von diesem Musiker. Er war sowohl exzentrisch wie exzellent, und man konnte sich nie so ganz sicher sein, was er als Nächstes an Verrücktheiten aus dem Hut zaubern würde. Denn zusammen mit Jeff Lynne hatte er schon mit dem Electric Light Orchestra zu überraschen gewusst. Diese exaltierte Mixtur aus klassischer Beethoven-Adaption, brettgeilem Rock'n'Roll der Marke Chuck Berry und wulstig aufgeplusterte progressive Schallwände liessen so einiges erwarten. Und so spielte Wood dann auf seinem Soloalbum "Boulders" den Folkrock-Cowboy, der alle Instrumente selber spielte und somit die komplette Produktion von A bis Z kontrollierte und steuerte, bis zum fertigen Produkt. Und nebenher kleidete er die Gruppe Wizzard in eine Glam Rock- und Progressive Rock-Uniform, die aufgrund unzähliger Verrücktheiten nicht selten ins Lächerliche zu kippen drohte. Er schaffte es indes immer kurz vor dem Umfallen, einen neuen Raketenstart hinzubekommen, der ihn wieder in die obersten Ränge der Hitlisten katapultierte.
Hits wie "See My Baby Jive", "I Wish It Could Be Christmas Everyday" oder "Ball Park Incident" sind noch heute unvergessen, seine Teenager-Hommage "Angel Fingers" noch heute herrlich anzuhören. Sein ganz eigenes Markenzeichen war dabei stets, das Unmögliche möglich zu machen: Musikstile so verquer miteinander zu verbinden, dass dabei so manch schräger Song herauskommt. Dass dies durchaus zu unsterblichen Songs führen konnte, beweist bis heute der Chuck Berry-Klassiker "Roll Over Beethoven", den Roy Wood mit dem Electric Light Orchestra als knalligen Rocker mit klassischem Instrumentarium zu einer Art Bombast Rock'n'Roll aufgepimpt hatte. Was Roy Wood zeit seines Musikerlebens nie so recht gelingen wollte war indes, dass seine verrückten Konzepte eine letztendlich wohldurchdachte Reife erhielten, weshalb er zwar kurzzeitig durchaus Hits abliefern konnte, die ihr Publikum erreichten, jedoch nichts Nachhaltiges schaffen konnte, das diese spezielle Spannung über eine längere Zeitspanne aufrecht zu erhalten vermochte.
Trotzdem hat Roy Wood der Rockwelt einige tolle und denkwürdige Momente beschert. Auf seinem Soloalbum "Boulders" sind dies zum Beispiel das herrliche Pop-Kunstwerk "Songs Of Praise", das auch als Single erschienen war und recht erfolgreich war, ausserdem das mit Wasserplatsch-Effekt angereicherte akustisch gehaltene und herrlich verspielt arrangierte, überdeutlich an die Beatles erinnernde Folkie-Stück "Wake Up". Der kernige Rocker "Rock Down Low" klang dann genauso wie der Sound, den er zeitgleich auch mit WIZZARD propagierte. Der üppig arrangierte und sehr cool arrangierte Dreiteiler "Rock Medley" schliesslich ist eines der grossen Meisterwerke von Roy Wood. Einer kontinuierlichen Steigerung entgegenfiebernd klingen die drei Teile "Rockin' Shoes", "She's Too Good For Me" und "Locomotive" genauso genial, als wären es Songs von namhaften Komponisten aus der Blütezeit des klassischen Rock'n'Rolls. Beeindruckend sieht das Instrumentarium auf dem Album "Boulders" aus, das samt und sonders von Roy Wood gespielt wurde: Akustische und elektrische Gitarren, Banjo, Bass, Bells, Cello, Cowbells, Double Bass, Schlagzeug, Glockenspiel, Klavier, Saxophone, Sitar, Slide Gitarre, Trometen, Geigen, Waschbrett, Flöten und allerlei Perkussion.
Auf dem LP-Debut "Wizzard Brew" seiner Band WIZZARD hingegen rotzte er bisweilen recht überdreht und führte zahlreiche progressive Elemente schon fast ad absurdum. Hier klang fast jedes Stück ziemlich überdreht und vor allem oft hoffnungslos überproduziert. Schon der Opener "You Can Dance Your Rock'n'Roll" klang wie ein Phil Spector-Stück mit viel zu viel übertriebener Verve. Aber das war genau die Intention dieses in jeder Hinsicht genialistischen Musikers, der keinerlei kreativen Scheuklappen kannte, wenn es darum ging, wohlbekannte musikalische Muster bis an seine noch erträglichen Grenzen zu führen, nur um kurz vor dem Kippen gerade mal noch die Kurve zu kriegen und einen herrlichen Refrain in Szene zu setzen, der dem Hörer dann wieder im Gehirn kleben blieb. Der über 13 Minuten fordernde Jam "Meet Me At The Jailhouse" war so eine genialistische Meisterleistung exaltierten Musikschaffens. Das krass überfrachtete Arrangement, das sich in wahren Bläser-Eskarpaden explosiv in Szene setzte, später wiederum in gitarristischen Prachts-Orgien entlud und schliesslich völlig auseinanderfiel, kann durchaus als eine Art freie Jazz-Rock Jam bezeichnet werden. Allerdings schaffte es Roy Wood auch hier noch, Strophen und Refrains zu platzieren, die einen immer wieder daran erinnerten, dass der Musiker eigentlich Songs zum mitsingen schrieb und keine ausschliesslich abgehobenen progressiven Schrägheiten ohne Fundament.
Beide Alben sind im Jahre 1973 erschienen und im Laufe der Zeit immer mal wieder neu aufgelegt worden. Wer sich die originalen Vinyl-Scheiben nicht zulegen mag, dem seien die umfangreichen Remasters von 2006 und 2007 empfohlen. Diese CD-Varianten der beiden Alben, auf EMI Harvest Records wiederveröffentlicht, bieten neben den originalen Alben auch zahlreiche Bonus Tracks, von denen jene auf der "Wizzard Brew" vor allem die erfolgreichen WIZZARD-Singles bieten, samt deren B-Seiten. Interessant am Rande: Teile der LP "Boulders" wurden damals von Alan Parsons produziert. Beim Album "Wizzard Brew" war Alan Parsons sogar der alleinige Produzent.
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