MARC BOLAN & T. REX - Zinc Alloy
And The Hidden Riders Of Tomorrow Or A Creamed Cage In August
(EMI Records BLNA 7751, 1974)
Das vierte Album von Marc Bolan und seiner Band T.Rex führte 1974 zum endgültigen Karriere-Aus und wurde von der Kritik ziemlich abgestraft. Damals verstand kaum Jemand, weshalb Marc Bolan anscheinend mutwillig seine eigene Karriere zerstören wollte. Musikalisch liest man in Kritiken und Besprechungen immer, dass es sich um eine Platte handle, die dem amerikanischen Markt entsprechen sollte, als Beleg dafür wird/wurde die Präsenz der Backing-Sängerinnen genannt, sowie gezielt platzierte Soulelemente. Das liegt aber natürlich letztendlich immer beim individuellen Hörer, sich einen entsprechenden Eindruck zu verschaffen, wenn er sich nicht nur auf Kritikergeschreibsel verlassen will. Man wird nämlich schon beim ersten Titel "Venus Loon" angenehm überrascht. Befürchten musste man nach den schlechten Kritiken ja doch einiges. Dann folgte mit "Sound Pit" die nächste grosse Ueberraschung, denn solche Töne hatte man von Marc Bolan bis anhin nicht gehört. Diesen Eindruck erhielt man eigentlich das ganze Album hindurch: "Change", "Teenage Dream", "Liquid Gang" sowie "Interstellar Soul" waren grossartige durchaus neu klingende Songs der Gruppe.
"Zinc Alloy" brauchte auf jeden Fall mehrere Hördurchgänge, bis sich die Faszination für diese Songs so richtig entfalten konnte. So eine Platte hatte es bis dahin nicht gegeben, weder davor noch danach ist ein Album erschienen, welches sich mit diesem ungewöhnlichen Werk auch nur annähernd vergleichen lässt. Die Titel sind, wenn man sich darauf einlässt, am ehesten mit originell zu bezeichnen. Es ist ein mutiges Album eines Musikers, der sich keine kreativen Schranken aufzwingen liess, ein konsequentes Album und vor allem ein sehr schönes Beispiel für die musikalische Kompromisslosigkeit von Marc Bolan, die stets unterschätzt wurde. Zu sehr sieht man auch heute noch den Musiker als Glam und Teenie Star, was er nachweislich nicht war, und wenn, dann arbeitete er konsequent daran, dieses Image loszuwerden, sich zu emanzipieren.
Ich würde dieses völlig unterbewertete und oft falsch eingeordnete Kunstwerk als eines der vielseitigsten und ausgereiftesten Alben von Marc Bolan bezeichnen. Vom Teenie-Glam der Hits davor war noch immer viel vorhanden, jedoch klangen die Songs nun viel emanzipierter, ausgereifter und auch anspruchsvoller. Noch immer bediente er dieses musikalische Genre, doch wandte er sich in seinen Kompositionen nunmehr auch stark dem Art Rock zu, etwa demjenigen der Sparks, vielleicht auch ansatzweise von Cockney Rebel oder Be Bop Deluxe, mit diesen manchmal leicht schräg wirkenden Abweichungen von der musikalischen Normalkost, was fast allen hier präsentierten Songs sehr gut tat und ihnen den Hauch einer gewissen Exklusivität verliehen. Leider gôutierten dies weder die Fans, noch die Kritiker.
Folgt man den Ausführungen seines Produzenten Tony Visconti, war Marc Bolan zu dieser Zeit "heavy drinking" und in panischer Angst vor dem eigenen Karriere-Aus. Die Fans der "Electric Warrior" und "The Slider" Zeit waren älter geworden, und für die neuen "Teenies" war Bolan nicht mehr der Star der Stunde. Weil es aus verschiedenen Gründen eine schwierige, nichtsdestotrotz aber auch eine äusserst ungewöhnliche und interessante Platte ist, geriet sie im Laufe der Zeit bei mir zu einem immer wieder aufgelegten Werk, das ich mir gerne immer wieder anhörte. Ich höre heute "Zinc Alloy" zwar nicht mehr sehr oft, eher nur noch sporadisch, und sicher, mit dem heutigen Abstand mag vieles auch völlig "out of fashion" klingen; lässt man sich allerdings bewusst auf das Album ein, dann spürt man die Genialität und die Kompromisslosigkeit dieser Phase und mittelmässige bis gar schlechte Songs sind da auf keinen Fall zu hören, eher vielleicht weniger ungewöhnliche als auch sehr ungewöhnliche Songideen. Whatever happened to the teenage dream ? Nach "T.Rex", "Electric Warrior", "The Slider" und "Tanx" sollte "Zinc Alloy" ursprünglich ein Marc Bolan Solo-Album werden.
Marc Bolan wollte, dass dieses Album nicht unter dem Banner von "T.Rex" erscheint und hatte sich den Namen "Zinc Alloy" ausgedacht. Seine Begleitband (so sah es jedenfalls Marc Bolan selbst) nannte er "The Hidden Riders Of Tomorrow" und der eigentliche Albumtitel war "A Creamed Cage In August". Die Plattenfirma EMI bestand jedoch auf dem Schriftzug "Marc Bolan & T.Rex" und so erschien dieses Album im Frühling 1974 als vermeintlich weiteres Band-Werk. Es ist geprägt durch Bolan's Eindrücke in Amerika, daher auch die Veränderung des klassischen T.Rex Sounds durch mehr oder weniger geglückte Soul-Elemente, wie die teilweise gewöhnungsbedürftigen Stimmen von Gloria Jones, Sister Pat Hall und weiteren Stimmen, die diesem Album einen völlig neuen Anstrich gaben. Mir persönlich gefällt das Album seit jeher, es ist mutig im Sinne von etwas Besonderem, und in einem Interview von 1974 bezieht Marc Bolan ausführlich Stellung dazu. Hört man das Werk heute, wirkt es wie ein Neuanfang und der wohl bekannteste Titel, das auch als Single ausgekoppelte "Teenage Dream"; eine bittersüsse Ballade, die thematisch seinen Fall vom "Teenage Idol" zum erwachsenen Musiker darstellen sollte und auch tut, bekräftigte diesen Neuanfang sehr eindrücklich. Auch die weiteren Titel wie "Venus Loon" oder "Liquid Gang" wären durchaus hitparadentauglich gewesen und als Singles gewiss erfolgreich, wenn auch nicht in den Dimensionen seiner grossen Hits "Get It On" oder "Metal Guru".
Ich betrachte dieses Album als etwas Aussergewöhnliches, es wäre ohne Bolan's Status als Glamrocker nie möglich gewesen und wenn man sich Zeit nimmt, spürt man, dass sehr viel Herzblut darin steckt. Es wirkt exotisch und nicht sofort eingängig, man muss sich darauf einlassen wollen um zu verstehen, weshalb es so klingt wie es klingt. Für mich ein mutiges Album von einem risikobereiten Musiker. Marc Bolan hat sich mit diesem Album für meine Begriffe ein Denkmal gesetzt, was es so kein zweitesmal gibt. Seine wunderschöne Ballade "Change" lässt mir auch fast 40 Jahre später wohlige Schauer über den Rücken laufen. Aber auch "The Leopards feat. Gardeniea And The Mighty Slug" hat einen ausssergewöhlichen Reiz. Es beweist für mich zumindest, dass Marc Bolan eine Vision hatte und nicht auf die durchaus genialen Singles reduziert werden darf.
Kommerziell gesehen ist es leider nicht so erfolgreich gewesen, aber es ist auf jeden Fall das Album, das die Veränderungsbereitschaft von Marc Bolan am besten dokumentiert. Ohne jetzt am historischen Status seiner erfolgsreichsten Alben "Electric Warrior", "The Slider" und "Tanx" kratzen zu wollen, ist es mein persönliches Lieblingsalbum von ihm. Es ist wunderbar schräg und überraschend in jedem Song. Es hat sein eigenes Flair und eine weitere Platte in diesem Sinne hat es nicht wieder gegeben. "Tanx", das Album vor "Zinc Alloy" und "Bolan's Zip Gun" von 1974 passen recht gut zusammen. Sie stellen gewissermassen eine Trilogie dar, die zwar das Ende der klassischen T.Rex Aera einläutet, aber aus heutiger Sicht musikalisch ihren historischen Wert besitzen. Was soll ich sonst noch dazu schreiben ? Ausser, dass es sich lohnt, sich diesem Album vorurteilfrei zu nähern und es intensiv zu hören. Es ist ein sehr wichtiges Album in der viel zu kurzen Karriere und dem viel zu kurzen Leben von Marc Bolan.
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