Jun 3, 2016


THE JAYHAWKS - Rainy Day Music (American Recordings 077 136-2, 2003)


Die grosse Preisfrage lautete bei den Jayhawks - wie übrigens bei vielen Bands vor ihnen, denen dasselbe schon passiert ist: Wie würde es weitergehen, wenn der Kopf der Band ausgestiegen ist ? Man musste kein Experte sein um festzustellen, dass die Band vor allem das Baby von Sänger und Gitarrist Mark Olson war und seine wundervollen Songs ein Comeback der guten alten Byrds-Traditionen bedeuteten. Er gilt als einer der Wegbereiter des modernen Americana Sounds, des sogenannten Roots Rock, Country Rock - egal, wie man diesen Stil auch immer bezeichnen mag: Er holte dieses typisch amerikanische Lebensgefühl zurück in die Charts. Und nicht nur das: Er befreite diesen Sound gleichzeitg auch vom Muff der traditionellen Countrymusik, hob sich mit seiner Band ab vom glattgebügelten Nashville-Country und brachte frischen Wind in dieses totproduzierte Genre. Während zehn Jahren zwischen 1985 und 1995 veröffentlichten die Jayhawks insgesamt vier Platten mit Mark Olson, ehe er die Band verliess.

Der Sänger und Gitarrist Gary Louris, der die Gruppe mit Mark Olson zusammen gegründet hatte, machte ohne Olson weiter und veröffentlichte mit "Sound Of Lies" (1997) und "Smile" (2000) zwei weitere Platten, die den vorherigen Alben nicht ganz das Wasser reichen konnten, ehe er mit dem Album "Rainy Day Music" im Jahre 2003 einen Volltreffer landete. Spätestens mit diesem Album hatten die Jayhawks wieder das Top-Niveau der frühen Jahre mit Mark Olson erreicht und darüber hinaus sogar eine vorher nicht gekannte Homogenität geschaffen: Stilistisch nicht ganz so vielseitig wie zu Anfang, dafür aber nun mit klarem Konzept und einheitlichem, zusammenhängendem Sound, der als kompaktes Ganzes wirkte und dabei vor allem durch hochkarätige Kompositionen glänzte, die mit einer enormen Lässigkeit eingespielt worden waren.

Verantwortlich für diese hervorragende Produktion war Rick Rubin, der Mastermind, der sich seit Mitte der 80er Jahre einen Namen als Top-Produzent gemacht hatte und schon Platten beispielsweise von Johnny Cash, den Black Crowes oder veredelt hatte, obgleich er eigentlich aus einem ganz anderen musikalischen Bereich kam. Er produzierte in seinen Anfangsjahren hauptsächlich Rap wie etwa denjenigen von LL Cool J, den Beastie Boys oder Run DMC, oder den Alternative Rock der Red Hot Chili Peppers, von Danzig, The Cult, den Masters Of Reality oder Public Enemy bis hin zum (Nu-)Metal von Slayer oder Nine Inch Nails, bis er auch beim Roots Rock etwa von Dan Baird (Georgia Satellites) und Tom Petty - und eben bei den Jayhawks landete. Dabei zeigte er jederzeit ein Faible für all diese vielen verschiedenen Stilrichtungen, drückte jeder Platte, die er produziet hat seinen eigenen Stempel auf, ohne dabei den Künstler, resp. die Band aus dem Fokus zu verlieren. Am Ende klang jede von Rick Rubin produzierte Platte dennoch wie ein Werk der entsprechenden Künstler. Rick Rubin gilt daher nicht zu Unrecht als einer der renommiertesten Musikproduzenten unserer Zeit.

Für die Aufnahmen zum Album "Rainy Day Music" griffen die Jayhawks auf einige herausragende Gastmusiker zurück, die mit ihren punktuierten Einsätzen die ohnehin schon tollen Songs noch zusätzlich zu veredeln mochten. Das als Single ausgekoppelte Stück "Tailspin" zeigte als Gastmusiker beispielsweise den legendären Bernie Leadon am Banjo. Leadon war Gründungsmitglied der EAGLES und spielte unter anderem auch bei den FLYING BURRITO BROTHERS mit. Mit dem Sänger JAKOB DYLAN, der beispielsweise dem Stück "Come To The River" seine hervorragende Stimme lieh, ist der Sohn von Bob Dylan und Leader seiner Band THE WALLFLOWERS. Als zusätzliche Sänger wurden der grossartige Matthew Sweet und mit Chris Stills der Sohn des legendären Stephen Stills verpflichtet.

Das Album besticht durch ausgezeichnete Songs, fast komplett aus der Feder von Gary Louris, der auf dieser Platte die mit Abstand besten Titel geschrieben hat, die er bislang aus seinem Aermel schüttelte. Neben der glasklaren Produktion von Rick Rubin besticht das Album auch durch die ausgewählten Arrangements, die Songs wirken immer transparent, nie überladen und verzichten auf jegliches Pathos. Alle Songs bewegen sich im perfekten Radioformat, verfügen über mit traumwandlerischer Sicherheit inszenierte Melodien und überzeugen durch Refrains, die sich sofort in den Gehörgängen festkrallen. Eine Platte vollgepackt mit klasse Ohrwürmern, von denen keiner auch nur im geringsten abfällt. Trotzdem gibt es für mich auch auf diesem Werk die paar Sterne, die besonders hell leuchten.

Da möchte ich etwa "Tailspin" nennen, einen Song, den man sofort wieder anhören möchte, kaum ist er verstummt. Oder "Come To The River", das mit seiner Grundmelodie tief in die 60er Jahre zurückreist und eine umwerfend schöne Akkordfolge präsentiert, die auch einem Tom Petty gut anstehen würde. Oder das nicht minder schöne "Angelyne", das aus demselben Holz geschnitzt ist. Ueber allen Songs schwebt der fühlbare Geist der Byrds, was hauptsächlich am Gitarrensound von Gary Louris liegt, der meist unverzerrt und sehr clean spielt und dabei oft die Halbakustische zum Einsatz bringt. Dadurch wirkt die Musik absolut zeitlos, könnte so in dieser Form schon vor 40 Jahren erschienen sein, was als grosses Kompliment zu werten ist.

Statt Vorwärtsdrang also eher Rückbesinnung. So klingt dieses Album, und erreicht mit Lockerheit das Niveau der grossen Country Rrock Wegbereiter der späten 60er und frühen 70er Jahre. Die durchaus edel zu bezeichnende, glasklare Produktion von Rick Rubin ist meisterlich gelungen und macht dieses Werk zu einem wirklichen Juwel. Das schlichte Cover-Artwork, eine glatte Untertreibung im Hinblick auf die gebotene Musik auf der Platte, unterstreicht den Charakter der Songs: Stilvoll, aber bescheiden.



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