Nov 3, 2017


ELLIOTT SMITH - From A Basement On The Hill
(Domino Records WIGLP147, 2004)

Seine Kindheit hatte Elliott Smith mit seiner Mutter in Dallas Texas, verbracht, bevor er zu seinem Vater nach Portland Oregon, zog, um die Highschool zu besuchen. Smith begann im Alter von neun Jahren Klavier zu spielen. Ein Jahr später eignete er sich erste Fertigkeiten auf einer akustischen Gitarre an, die ihm sein Vater geschenkt hatte. Nach seinem Umzug nach Portland begann Smith erste eigene Lieder aufzunehmen. Er studierte Philosophie und Politik am Hampshire College in Amherst (Massachusetts). Hier gründete er mit Neil Gust die Band Heatmiser. Nach den Heatmiser-Konzerten gab er Zugaben aus seinem eigenen Liedfundus, was zu Konflikten mit seinen Mitmusikern führte. 1994 erschien sein erstes Soloalbum "Roman Candle", 1995 "Elliott Smith". 1996, nach Veröffentlichung des letzten Albums "Mic City Sons", trennte er sich von Heatmiser. Zu dieser Zeit absolvierte Smith bereits regelmässig Solo-Auftritte, unter anderem im Vorprogramm von Bands wie Sebadoh. 1997 zog er nach Brooklyn, New York.

Smiths drittes Album "Either/Or" machte den Filmregisseur Gus Van Sant auf ihn aufmerksam. Der Musiker steuerte einige Lieder zu Van Sant's Film 'Good Will Hunting' bei. Mit dem Song "Miss Misery" wurde er sogar für den Oscar nominiert. Seine zwei folgenden Alben "XO" und "Figure 8" erschienen bei dem grossen Plattenlabel DreamWorks, wobei Smith aufgrund einer Vertragsklausel absolute künstlerische Schaffensfreiheit genoss. 1999 wurde Smith's Coverversion des Beatles Songs "Because" auf dem Soundtrack des Films 'American Beauty' verwendet; zwei Jahre später der Song "Needle In The Hay" im Film 'The Royal Tenenbaums'. Elliott Smith hatte jahrelang mit Alkoholsucht, Depressionen und Drogen zu kämpfen.
Trotzdem war er letztlich immer derjenige, der einem selbst dann noch Hoffnung schenkte, wenn man meinte, nun wirklich ganz am Boden zu sein. Der Leidensmann, der von den kleinen Enttäuschungen, den inneren Zerrissenheiten und den alltäglichen Plagen sang. Melodien liess er stets wie kleine Kinder wirken. Naiv. Unschuldig. Zerbrechlich. Seine Gefühle lagen wie funkelnde Juwelen in einer offenen Vitrine. Man konnte teilhaben an Smiths Kampf gegen die Welt. Und zwischen Depressionen und Drogen entstanden dann oft sehr berührende Pop-Preziosien.

Als dann nach seiner grandiosen Veröffentlichung "Fugire 8" ruchbar wurde, dass Elliott Smith an einem Doppelalbum arbeitete, erwarteten viele nicht weniger als ein künstlerisches Opus Magnum, wo er sich doch schon auf "Figure 8" selbst übertroffen hatte. Eine weitere grosse Skizze der Emotionen, ein weiteres melodietrunkenes Zwinkern aus dem Halbdunkel. Doch eines Tages wachte die Welt auf und war um einen ihrer Poeten ärmer. Mitten im Aufnahmeprozess von "From A Basement On The Hill" riss das Schicksal in Form eines Küchenmessers den Künstler aus dem Leben. Doch keine Trauer dauert ewig. Als Smith's Familie bewusst wurde, dass der grossartige Künstler in seinem eigenen Tonstudio eine in Eigenregie fast fertig produzierte Platte hinterlassen hatte, baten sie den Langzeitproduzenten Rob Schnapf und Smith's Ex-Freundin Joanna Bolme, die mittlerweile bei Stephen Malkmus den Bass bediente, um Hilfe. Mit fast kriminologischer Akribie spürten die beiden Smith's Notizen und Partituren hinterher, fahndeten auf den vorhandenen Bändern mit Arbeitsmaterial nach Song-Bruchstücken und interviewten damalige Studio-Besucher, um sich Schritt für Schritt in seine verschrobene Gedankenwelt zu versetzen und langsam wuchs "From A Basement On The Hill" schliesslich zusammen. Und was man am Ende zu hören bekam, überraschte und begeisterte gleichermassen.

Schon das Stück "Coast To Coast" liess erkennen, dass Elliott Smith an den Verstärkern gedreht hatte. Seine markanten Harmonien versteckten sich hinter einem scheppernden Schlagzeug und sägenden Gitarren. Sein Falsett schwebte über dem dezenten Lärm. Gleich im Anschluss streichelte er die sechs Saiten wieder so behutsam, als traute er sich kaum vor die Tür. Dabei sang er im selben Atemzug: "Burning every bridge that I cross. To find some beautiful place to get lost". Anmutige Folkrock Songs wie etwa "Pretty (Ugly Before)", der Independent Rock-Rumpler "Don't Go Down" oder das entrückt stampfende "King's Crossing" ergaben ein blassbuntes Songpuzzle, das mit jedem Stück mehr Klarheit zu gewinnen schien und doch rätselhaft blieb. Auch wenn die hoffnungsvolle Unfertigkeit des Albums letztlich nicht ganz an das überwältigende Vorgängerwerk "Figure 8" anknüpfen konnte, blieben Smith's Eigenarten und Absonderlichkeiten stets unbedingt liebenswert. In Euphorie und Depression fand sich der Zwang zur bittersüssen Leidenschaft. Immer wieder stiess der gebannt lauschende Zuhörer auf diese typischen Elliott Smith Momente: das tänzelnde Klavier aus "A Passing Feeling", die kippende Harmonie von "Memory Lane", das seltsame Lick aus "Strung Out Again". Und immer wieder diese heimtückisch faszinierende Ohrwurm-Melodie, gegen die man  sich schlicht machtlos wähnte. Wie in "A Fond Farewell". Oder im gehauchten "I'm Already Somebody's Baby" aus "Twilight", das nach unentschlossener Romanze schmeckte.

"I Don't Gice A Fuck", säuselte Smith im abschließenden "A Distorted Reality Is Now A Necessity To Be Free" wie einst die Beach Boys. Kryptische Ironie und betäubter Zynismus. "The Last Hour" wirkte daneben wie ein resignierter Abschied. "Make It Over". Elliott Smith starb am 21. Oktober 2003. Ob er sich die so symbolträchtigen Messerstiche in der Brust selber zugefügt hat, blieb unklar. Auf "From A Basement On The Hill" wwürde man Hinweise finden, wenn man sie denn sehen wollte. Aber waren seine Songs nicht immer schon selbsterfüllende Prophezeiungen ? Laut Aussage seiner damaligen Freundin Jennifer Chiba soll er sich diese Stichwunden nach einem Disput mit ihr selbst zugefügt haben. Seine Obduktion gab jedoch als Todesursache 'nicht feststellbar' und nicht Suizid an. Die Musik zum Film 'Thumbsucker' sollte ebenfalls von Smith komponiert werden, doch schied er während der Produktionsphase des Films aus dem Leben. Nach seinem Tod widmeten ihm zahlreiche Musiker und Bands Lieder. Beck verarbeitete den Tod seines Freundes mit dem Song "Broken Drum". Auch Ben Folds, Pearl Jam und Rilo Kiley würdigten ihn postum. 2006 veröffentlichte Christopher O'Riley das Tributealbum "Home To Oblivion: Elliott Smith Tribute". 2007 erschien das Doppelalbum "New Moon" mit unveröffentlichtem Material. Die Einnahmen wurden zum Teil für wohltätige Zwecke gespendet.

Elliott Smith's Musik wurde in weiteren Filmen verwendet, so beispielsweise im Jahre 2006 in dem von Tobby Holzinger produzierten Film 'Die Österreichische Methode' (Song: "Tomorrow, Tomorrow"), für den 2009 von Ivan Reitman produzierten Film 'Up in the Air' mit George Clooney und in Gus Van Sants Film 'Paranoid Park' (2007) ("The White Lady Loves You More" und "Angeles"). Smiths Nachlass umfasst ungefähr 100 unveröffentlichte Songs. Der nach seinem Tod gegründete Elliott Smith Memorial Fund kümmert sich um soziale Projekte für Kinder und Jugendliche in und um Portland.










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