HANS-A-PLAST - Ausradiert (No Fun Records NF 020, 1983)
Hans-A-Plast bestanden aus Bettina Schröder am Schlagzeug, und Gesang, Klaus-Michael Polten an der Gitarre, Annette Benjamin-Haddrell als Sängerin, Jens Meyer ebenfalls an der Gitarre, sowie Renate Baumgart am Bass. 1978 kam es zum Hans-A-Plast Live-Debüt auf dem ersten No Fun-Festival im Jugendzentrum Badenstedt vor ungefähr 200 Zuschauern. Jens Meyer erinnerte sich später an dieses Ereignis und meinte, Hans-A-Plast wollten Rockmusik machen, für die man sich eben nicht vorher zehn Jahre lang klammheimlich im Übungsraum Fingerfertigkeiten antrainieren musste - das typische Motiv für alle Punk-Kapellen der damaligen Zeit. Zunächst als Quartett mit Bettina Schröder, Michael Polten, Jens Meyer und Renate Baumgart, gewannen Hans-A-Plast im Winter 1978 die Sängerin Annette Benjamin, in der die Süddeutsche Zeitung später neben Peter Hein (Fehlfarben, Family 5) die beeindruckendste Bühnenpersönlichkeit der Neuen Deutschen Welle erkannte. Annette kam von Slime, einer Braunschweiger Pogo-Band, die so richtig zum fürchten war. Dagegen erschienen Hans-A-Plast fast schon wie eine Studentencombo, ironisierte Annette Benjamin.
Als Quintett folgten Auftritte auf den drei richtungsweisenden nationalen Punk-Festivals. 'Into The Future' hiess das erste in der Hamburger Markthalle im Januar 1979. 'In die Zukunft' war dann das zweite an gleicher Stelle im Juni des Jahres benannt und im September stand in Berlin das 'Antifa'-Festival auf dem Programm. In eigener Regie organisierten die Bandmitglieder ausserdem ein Festival unter dem plakativen Namen 'Die Zukunft hat keinen Namen'. Im September entstand dann auch die legendäre gleichnamige, erste Hans-A-Plast-LP mit dem Ratten-Cover. Die Band hatte sich damals das Geld geliehen, um vier Tage im Tonstudio aufnehmen zu können, die Aufnahmen waren ziemlich preiswert. Die Gruppe musste lediglich 1000 Stück verkaufen, um die entstandenen Kosten wieder einzufahren. Innerhalb kürzester Zeit waren bereits 10000 Exemplare der zunächst auf dem Lava-Label veröffentlichten LP abgesetzt. Die deutsche Plattenindustrie wurde hellhörig, doch nach unbefriedigenden Vertragsverhandlungen entschlossen sich die Hans-A-Plast Musiker Meyer und Polten im März 1980, gemeinsam mit Hollow Skai ihr eigenes Label No Fun Records zu gründen. Das Motto lautete ziemlich einfach und schlicht: Wenn man es selber machen kann, warum sollte man es dann nicht tatsächlich auch selber machen ?
Die im Oktober 1979 veröffentlichte Langspielplatte wurde zu einer der wichtigsten LP's der deutschen Rockgeschichte. Hans-A-Plast präsentierte Rockmusik mit konventioneller Besetzung: Schlagzeug, Bass, zwei Gitarren, Gesang. Kein Punk für Mode-Punks am Freitagabend, keine in Hippie-Nostalgie erstarrten Politsongs. Jedes der zehn Stücke hatte eine inhaltliche, textliche Aussage, die von der Musik interpretiert, verstärkt wurde. Hans-A-Plast war eine der wichtigsten deutschen Bands, schrieb die Musikzeitschrift Sounds damals. Und im Musik Express konnte man nachlesen: 'Definitionsversuche, etwa Punk, New Wave, Neue Welle oder Wellenreiter erscheinen müssig. Hans-A-Plast bieten ihrerseits auf ihrem A 5 Programm- und Textheft zur LP ironisch die 'Neue Welle zur Frikadelle' an. Für die fünf Hannoveraner ist die direkte, ungekünstelte, schnelle und harte Spielwiese die adäquate Ausdrucksform für ihre bösen, bissigen, ironischen und sarkastischen Texte. Der 'Rock'n'Roll-Freitag' ist die Realität des Saturday Night Fevers, der 'Lederhosentyp' die Umkehrung (?) männlichen Chauvinismus', 'Rank Xerox' ein politisches Statement zu BKA, Fahndung und Datenschutz, der 'Starfighter' eine Absturzbestandsaufnahme'.
Hans-A-Plast wurden dann 1980 von den Sounds-Lesern zur Newcomer-Band des Jahres '79 gekürt, die Redakteure des Blattes wählten das erste Album für Rowohlts bunte Liste unter die 15 international wichtigsten Produktionen der 70er Jahre. 1980 folgte eine Unmenge von Auftritten für Hans-A-Plast, so unter anderem beim zweiten No Fun-Festival und dem 'Rock gegen Rechts' Open Air im Sommer in Frankfurt. Der Rockpalast des Senders WDR zeichnete ein Konzert fürs Fernsehen auf. Im November ging die Band erneut ins Studio, um das zweite Album, wiederum ohne Titel, einzuspielen. "Hans-A-Plast" erschien im Dezember. Für Sounds ein schwieriges, abwechslungsreiches Album, mit dem auseinanderzusetzen sich lohne. Viele der Texte enthielten Tiefen und Anspielungen, die sich erst bei häufigerem Gebrauch auftun wollten. Statt Polit-Romanitik und Rock'n'Roll-Strassenstaub präsentierten die Musiker hier ein ausgeklügeltes, ausgefeiltes Studioalbum.
1981 tourte die Band erneut durch Deutschland, war zu Gast im Bayerischen Fernsehen und bei den 1. Münchner Rocktagen. Zwischen dem 5. und 20. Juni waren Hans-A-Plast Headliner auf der Jubel '81-Tournee des No Fun-Labels (mit dabei auch Der Moderne Man). Das Tour-Finale in Hannovers 'Rotation' wurde das vorerst letzte Konzert der Formation. Mit dem konsequenten Rückzug aus dem Konzertgeschehen begegnete man dem Trubel, der längst allerorts um Hans-A-Plast gemacht wurde. Im August erschien noch die Single "Sex Sex Sex" mit der B-Seite "Lemminger Punks", danach legte die Band erstmal eine längere sogenannte Kreativpause ein. Erst im Sommer 1982 bereitete Hans-A-Plast das Material für das dritte Album vor, das dann im Herbst im Horus Sound Studio mit Co-Produzent Jan Nemec eingespielt wurde. Bis dahin waren auf alternativen Vertriebswegen rund 120000 Einheiten der ersten beiden Tonträger verkauft worden. Der australische Radiosender 3PBS-FM entdeckte Hans-A-Plast für seine Zuhörer und spielte eine ganze Seite der zweiten LP.
Ende Februar 1983 kam "Ausradiert" auf den Markt. Mit der dritten LP verhielt es sich wie mit einer stehengebliebenen Uhr: Zweimal am Tag zeigte sie die richtige Zeit an. Hans-A-Plast lief daher der Mode nicht hinterher, denn diese würde Hans-A-Plast schon einholen, betrieb die Gruppe nicht allzu ernsthaft Standortbestimmung in ihrem Infotext. Den Verdacht, die Band habe sich bewusst und kalkuliert durch die verzögerte Veröffentlichung aus der Vermarktung im Rahmen der neuen Deutschen Welle heraushalten wollen, wiesen sie von sich. Für sie waren lediglich persönliche Gründe entscheidend für diese Terminplanungen. Über "Ausradiert", für die Musiker selbst ihr bis dato subjektivstes Album, schrieb zum Beispiel der Musik Express: Knapp zwei Jahre privatisierten Hap. Auf "Ausradiert" waren sie trotzdem so politisch wie eh und je. Adenauers 'Keine Experimente'-Programmatik (im Vorspann der Platte im O-Ton zu hören) hatte mehr mit Hap gemein, als ihnen gefallen dürfte. Denn die Themen der neuen Songs waren dieselben wie die der altbekannten: Politik und Sex, Zukunftsparanoia und Geschlechterkampf. Die Musik Szene druckte: 'Da gibt's auch weiterhin keine Flirts mit der Industrie noch mit Modischem. Da trübt kein Sequenzer, kein Synthesizer, den gitarrenorientierten Beat der Band. Da bleiben Salsa-, Reggae-, Latino-Adaptionen vor der Tür. Da singt Annette noch immer mit dem ihr eigenen Charme. Hans-A-Plast gehen ihren Weg konsequent weiter und verbreiten ihre Befreiungssongs gegen Kirche, Staat, Institutionen, Helden, Erzieher, Verführer. Politisch brisant, anti-sexistisch, aber keineswegs a-sexuell - eine Musik gegen Chauvinismus jeder Coleur'.
Im März gingen die Hans-A-Plast Musiker auf Promotion-Tour, besuchten alle wichtigen Funk- und Printmedien-Redakteure. Und zwischen dem 15. April und und dem 23. Mai stand nach fast zweijähriger Konzertpause die erste Tournee mit dem neuen Material auf dem Programm. Das knappe Resümee: viel zu wenig Besucher (im Schnitt nur 300-400 pro Konzert) sahen eine spielfreudige, energische, sehr lockere aber durchdachte Show. Trotz Problemen mit dem Vertriebspartner waren bis Herbst 1983 gut 10000 Exemplare von "Ausradiert" verkauft worden. Nachdem Annette Benjamin heiratete und aus der Band ausstieg, lösten sich Hans-A-Plast kurz darauf auf. 1988 erschien neben einer CD-Kompilation von Hans-A-Plast auch eine Solo-LP der Schlagzeugerin Bettina Schröder. Sie war als einzige noch mit 'Herzen in Terzen' musikalisch aktiv. 2005 wurden die Hans-A-Plast-LPs remastered auf CD neu veröffentlicht, auch eine Nachpressung der ersten LP fand in Punk-Kreisen nicht ganz unerwartet grosse Nachfrage. Die Hans-A-Plast-Sängerin Annette Benjamin nahm im Jahre 2005 den Hans-A-Plast-Song "Monstertanz" zusammen mit der deutschen Deathrock-Band Bloody Dead And Sexy neu auf. Der Song wurde auf der limitierten Version des Bloody Dead And Sexy-Albums "Narcotic Room" veröffentlicht.
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