May 9, 2017


HANDS ON THE WHEEL - The Seed (EMI Electrola Records 7243 8 29537 2 2, 1994)

Hands On The Wheel - keine Ahnung, ob diese deutsche Band bei den Musikhörern ausserhalb Deutschlands jemals angekommen ist. Jedenfalls finden sich so gut wie keinerlei Infos zu dieser hervorragenden Gruppe im weltweiten Netz. Und das schon seit vielen Jahren. Es war auch nicht gerade einfach, an die Platten der Band heranzukommen, und zumindest eine weitere Platte (oder mehrere ?) von Hands On The Wheel habe ich auch bis heute nicht finden können. Aber immerhin bin ich überhaupt erst auf diese Gruppe um den wundervollen Sänger Tom Ripphahn aufmerksam geworden. Der Weg führte wie schon so oft über eine Grabbelbox, in welcher diese Platte mal für halb geschenkt gelegen hat. Das CD-Cover sprach mich sofort an: die vier Grundelemente, stilistisch sehr schön eingefangen mit der Gitarre als dem Element Feuer. Und sofort entfachte die Gruppe auch in mir dieses Feuer der Begeisterung, als ich mir die Platte "The Seed" anhörte. Diese Begeisterung hält bis heute an und was ich damals schon dachte, hat sich längst bestätigt: Die Songs von Hands On The Wheel sind absolut zeitlos, haben kein Verfallsdatum, könnten genauso gut letzte Woche veröffentlicht worden sein.

Angefangen hatte alles im Jahre 1996, als ich mit Freunden der mir völlig unbekannten Band zum erstenmal lauschen konnte. Dabei fiel mir vor allem der Sänger Thomas Ripphahn auf, der über eine wohlig warme, sehr sympathische Stimme verfügte. Die Band hatte kurz zuvor die CD "Promised Land" veröffentlicht, welche ich mir dann einige Zeit später auch kaufte. "Promised Land" präsentierte ein Textbooklet aus Packpapier, was einerseits sehr schön aussah, sich aber auch von der Haptik her richtig toll anfühlte. Vor allem aber fanden sich auf "Promised Land" etliche gnadenlose Ohrwürmer, die man sich auch nach mehrmaligem Anhören immer wieder auflegen wollte: "Life Is A River" wurde rasch zu einem meiner persönlichen Favoriten von Hands On The Wheel, genauso wie "Road Kill Café" oder "Never Get Enough Of You".

Später fing ich dann an, Infos über die Band zu sammeln und dabei entdeckte ich, dass die Gruppe schon vorher Platten veröffentlicht hatte. So stiess ich kurze Zeit später auf die Veröffentlichung "The Seed" von 1994, eine wunderschöne Platte mit Songs, die sich in meinem Kopf einbrannten und die mich genauso begeistern konnten wie das "Promised Land" Album. Mehr noch: Hier hörte ich Titel, die selbst jeder originalen Westcoast-Truppe aus Amerika locker Paroli bieten konnten. Das Stück "For Your Love", das mich in seiner Machart ein bisschen an U2 erinnerte, das beseelt groovende "Sold Down The River" (Klasse!), das melancholische "Too Easy Too Late" und der Traumsong "Face The Music": das alles waren Songs, die ich, wenn ich eine vergleichbare deutsche Band nennen wollte, höchstens LAKE zugeschrieben hätte. Diese Lieder gefielen mir alleine schon der warmen Stimme Tom Ripphahn's wegen. Dazu gesellte sich mit dem Stück "The Free Electric Band" ein ebenso klasse umgesetztes Albert Hammond-Cover und mit "Run!" ein rock'n'rolliger Edel-Americana, der so überhaupt nicht 'amtlich deutsch' wirkte, sondern schon eher authentisches Kalifornien-Feeling von Sonne und der Freiheit herüberbringen konnte. Das Stück "Too Easy Too Late"gefiel mir letztlich über all die Jahre wohl dann am besten.

Produziert von Jens Krause in den Peppermint Park Studios spielten Hands On The Wheel in der Besetzung Tom Ripphahn (Gesang, Gitarre, Dobro, Mundharmonika), Henning Doms (Hammond B3, Klavier, Keyboards, Gesang), Ole Rausch (Gitarre, Mandoline), Stephan Arnold (Bass, Perkussion) und René Detroy (Schlagzeug und Perkussion) mit einigen Gastmusikern dieses Werk ein. Zu den Gastmusikern gehörten etwa der Fury In The Slaughterhouse Gitarrist Thorsten Wingenfelder (beim Stück "Run!"), Andrea Schneider, Background Gesang beim Stück "Face The Music" und zahlreiche weitere, zu denen auch der Produzent Jens Krause zählte, der zusätzliche Keyboards und bei "Cold Flame" und "Face The Music" auch Schlagzeug spielte. Jens Krause hatte auch Anne Clark, Randy Crawford, Fury In The Slaughterhouse und Fischer-Z produziert, bzw. bei Alben dieser Künstler und Bands auch mitgespielt.

Zu guter letzt hatte ich dann in einem Second Hand Shop noch eine dritte CD der Band ergattert: "Restless Heart", die 'handmade' zu sein schien, denn anstelle eines Booklets war lediglich eine Laserkopie als Cover und Inlett vorhanden, dazu ein kleiner Konzertflyer - trotzdem handelte es sich um eine offizielle CD und keinen Bootleg oder eine CD-R. Ausser dem Titeltrack bekam ich auch hier bei Songs wie "Still Waters Run Deep", "In Your Eyes", "For Your Love" (einem wunderschönen Zweiteiler) und "Never Going Home" echte Gänsehaut und ich fragte mich ernsthaft, warum ich in meinem gesamten Bekanntenkreis nie den Namen dieser Band gehört hatte, resp. warum ich nie auf diese Gruppe gestossen war über Plattenkritiken oder in Plattenläden, wo ich mir regelmässig Tipps zu guten Gruppen und Musikern abholte. Jedenfalls finde ich es noch heute schön, dass ich diese Band damals überhaupt entdeckt habe, und deren Musik mir auch heute noch so gut reinkommt wie vor über 20 Jahren. Hands On The Wheel - das ist zeitlos gute Popmusik ohne jegliche Abnützungserscheinungen.

Im Jahre 2011 gab es dann wieder ein neues Lebenszeichen von Tom Ripphahn alias Hands On The Wheel. Nach einem letzten Album unter dem Pseudonym Mr. Phillips, und einer längeren Pause, kam nochmals eine neue Platte von Hands On The Wheel mit dem Titel "River Of Time". Man fühlte sich sofort nach den ersten Takten wieder darin zuhause. Da waren sie wieder: Diese melancholischen verträumten Songs im Americana-Gewand, die auch mal zupacken konnten, da war wieder diese unvergleichliche charismatische Stimme mit den intelligenten Texten, das warme Gitarrenspiel, da sah man wieder die amerikanischen Wüstenlandschaften an einem vorbeiziehen. Tom Ripphahn machte schon Americana, als in unseren Breitengraden noch niemand mit diesem Begriff etwas anfangen konnte. In einer so rastlosen Zeit, in der so unendlich viel belanglose Musik produziert wird, ist dieses Album eine wahre Wohltat. Damals in den 90er Jahren, als Tom Ripphahn mit Rockgrössen wie Bob Dylan, Joe Cocker und den Hooters auf der Bühne stand, wurde er in die Rockstar-Schablone gedrängt, und er hatte den Spagat gut hingekriegt, die EMI Alben waren genauso genial wie die Alben unter eigener Regie danach. 2011 war Ripphahn denn auch längst so weit, die Musik zu machen die ihm gefällt, am breiten Massengeschmack vorbei und das war letztlich auch gut so.


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