VIV AKAULDREN - Old Bags And Party Rags (Akashic Records ohne Nr., 1985)
Viv Akauldren waren eine der besten US-amerikanischen Psychedelic Bands der 80er Jahre, die nicht so sehr den für jene Szene typischen Neo Garage-Stil pflegten, sondern eher mit britischen Neo Psychedelic Bands vergleichbar waren. Es bestanden durchaus Kontakte zu amerikanischen Undergroundbands jener Zeit, die dann in den 90er Jahren im alternativen Bereich grossen Erfolg feierten und die Festivals bestimmten. Viv Akauldren allerdings blieben ihrem Genre treu, verblieben im musikalischen Underground und waren ein Geheimtipp, der leider nie über die entsprechenden Fankreise hinaus reichte. Im Juni 1982 fanden sich der Sänger, Gitarrist und Bassist Jeff Phry, der Keyboarder Keir McDonald und der Schlagzeuger Robert Wannacott in der Band Trancegland in ihrer Heimatstadt Detroit. Schon wenig später kam mit Phry's Freundin und späterer Ehefrau Deb Agolli Ersatz für Robert Wannacott als neue Schlagzeugerin in die Band, was ebenfalls mit einer Umbenennung in Viv Akauldren einherging. Das Trio gilt bis heute als einer der grossen unbekannt gebliebenen Acts des amerikanischen Neo Psychedelik Rocks. Ihre Auftritte waren legendär, arteten regelmässig zu Happenings aus und boten allerlei schräge Performance-Einlagen verschiedenster visueller und akustischer Art. Der ziemlich schwer im Garagen- und Psychosound der 60er Jahre verwurzelte Gitarrist Jeff Phry teilte sich den Gesang mit der Schlagzeugerin Deb Agolli. Musikalisch war das 1985 als Eigenproduktion veröffentlichte Debutalbum "Old Bags And Party Rags" eine einmalige Mixtur aus unterschiedlichsten Freak-Rock Variationen, die weit über das hinaus reichten, was man sich damals gemeinhin unter dem Oberbegriff Garagenrock vorstellte. Viv Akauldren waren im positiven Sinne hoffnungslos überdreht. Die Band bediente sich allerlei Stilmuster, griffen dabei sowohl in die Rock-Kiste, mäanderten aber auch im typischen, etwa von Gong oder Henry Cow gepflegten Canterbury Sound. Progressiver Rock und Spaced-Out Elemente kamen bei Viv Akauldren aber genauso vor wie das spontane Herunterschrauben in der Lautstärke und einem damit verbundenen Griff zur akustischen Gitarre, um sich irgendwo im Freak-Folk britischer Ausprägung zu verlieren.
Ihr Debutalbum "Old Bags And Party Rags" präsentierte eine quirlige Band, die sich so ziemlich überall zuhause fühlte, die aber ganz klar einen eigenen Stil pflegte, der sehr eigenständig und vor allem höchst unkommerziell klang. Während man noch catchy Rocksound etwa im Stück "Censored" zeigte, klang der Longtrack "Life Expectancy" schon sehr Space Rock orientiert, während der "Catabolic Blues" gar Tribal-Elemente aufwies. Eine Nuance typischen Krautrocks streuten sie dann auch noch ein, am besten nachzuhören im Stück "As You Wish". Dieses Stück zeigte einige Arrangement-Merkmale, wie sie beispielsweise auch bei der deutschen Krautrock-Formation Can zu hören sind. Was das Besondere an der Gruppe Viv Akauldren war: Sie verstand es wie nur ganz Wenige zu ihrer Zeit, den archetypischen amerikanischen Garagerock aus seiner stilistischen Isolation zu reissen. Während andere typische Vertreter dieser Musik eher am Beat und dem frühen Rock der 60er Jahre orientiert waren, mischten Viv Akauldren ihrer Musik viele weitere Ingredienzien bei, die etwa vom Krautrock, dem Space Rock und vor allem dem experimentellen Underground-Sound der ausgehenden 60er Jahre inspiriert war. Jedenfalls präsentierte sich die Band bei ihrem erstne Album noch so. Später ging die Band jedoch noch wesentlich weiter, indem sie eine anfänglich noch eher moderate Punk-Attitüde stärker in den Fokus stellte, was die nachfolgenden drei Werke zwar härter und bisweilen etwas kakophonisch, aber auch weiterhin sehr spannend und ungemein vielfältig machte. In dieser Art und Weise hat dasdamals keine 80er Jahre Band gemacht, nicht einmal die britische Magic Mushroom Band, die ein klein bisschen in dieselbe stilistische Richtung ging damals. Viv Akauldren aber waren wesentlich kompromissloser, suchender und experimentierfreudiger auch. Gut möglich, dass ein fehlender grosser Deal mit einer Plattenfirma diese zweifellos vorhandene Magie in ihrer Musik bewahren half.
Auch die drei weiteren Alben von Viv Akauldren sind sehr empfehlenswert. Einige Kritiker meinen gar, dass das Debutalbum "Old Bags And Party Rags" soweit okay, die nachfolgenden drei Werke aber allesamt Meisterwerke gewesen sind. So weit würde ich vielleicht nicht gehen wollen, denn ich finde auch das Debutalbum extrem entdeckungswürdig und hörenswert. Nach einer gemeinsam mit der Gruppe The Titanic Mind veröffentlichten Live EP, folgte 1987 das zweite Werk von Viv Akauldren mit dem Titel "I'll Call You Sometime". Eine grosse Ueberraschung stellte die Musik des zweiten Albums dar: Hier fand man plötzlich eine Mixtur aus klar progressivem Rock, Weltmusik und Minimal Music, die zeitweilig in den Ambient Bereich hinein zielte. Nicht unbedingt das, was man nach dem Debutalbum, das deutlich mehr Rockanteil zeigte, erwarten konnte. Diese Vielseitigkeit widerspiegelt allerdings die Live-Qualitäten der Gruppe, die in ihren Performances immer wieder auf unberechenbare Weise plötzlich in ein anderes musikalisches Gesamtbild springen konnte, die Zuhörer manchmal sehr forderte, indem sie stilistische Breaks vollführte, die das Publikum von einem bestimmten Eindruck urplötzlich und ohne Vorwarnung in einen ganz anderen katapultierte. Es gab auch spirituelle Momente, und insgesamt eine noch breiter gefächerte Mélange als auf dem Debutalbum.
Einem nachfolgenden Mini-Album mit dem Titel "Witness", das 1988 folgte, setzten Viv Akauldren schliesslich wie ein Alter Ego der Gruppe Hawkwind einen verrückten Space-Hardrock in Szene und wirkten wie Punks, die Science Fiction entdeckt hatten. die Musik wirkte nun wesentlich aggressiver, jedoch ohne die typischen Punk-Schrubbereien, die man vielleicht vom Vorgänger serviert bekommen hatte. Danach veröffentlichte die Gruppe mit dem Album "Vivian's Fountain" im Jahre 1990 eine quasi Anthologie mit unveröffentlichtem Material, vor allem mit Stücken aus der Frühphase der Gruppe, als sie sich noch Trancegland nannte. Hier waren vor allem die Titel "Magnolia" und "May As Well" phantastisch. Auf dem Spätwerk waren viele neue Aufnahmen alter Songs zu finden, die bereits von der Vorgängerband Trancegland Anfang der 80er Jahre deutlich waveiger gespielt wurden. Das Album sollte die Geschichte und Entwicklung der Band wiederspiegeln, dafür wurde auch der ursprüngliche Schlagzeuger noch einmal mit ins Studio geholt. Heraus gekommen war eine hervorragende Mischung, die das Album zu einem der wichtigsten Zeitzeugen der amerikanischen Psychedelic Szene seiner Zeit machte. Dieses Werk kam allerdings erst posthum heraus, denn nachdem die Gruppe im November 1989 von einer England-Tournee zurück nach Detroit gekommen war, löste sie sich auf. Jeff Phry wurde ein Opfer der harten Drogen und zog sich vollständig aus dem Musikgeschäft zurück, zog aber nach einigen Jahren wieder nach Europa, kam nach Berlin und verdingte sich da als Strassenmusiker. Seine Frau Deb, die sich inzwischen von ihm getrennt hatte, gründete die neue Band Hot Footin' Puddin' Pie und trat später der Formation Outrageous Cherry bei.
Der Keyboarder Keir McDonald, dessen Fähigkeiten selbst einem Keith Emerson des Undergrounds zur Ehre gereichten, gründete in der Folge das Projekt Medusa Cyclone, eigentlich ein Solo-Unternehmen, für welches der Keyboarder beispielsweise Sun Ra oder die Gruppe Wire als Inspirationsquelle und musikalischen Einfluss nannte. McDonald spielte auf seinem Album "Medusa Cyclone", das 1996 erschien, nebst den Keyboards auch Gitarre und arbeitete mit Tape Loops. Das Album enthielt seine ersten drei neu überarbeiteten Singles. Daneben überraschte er mit sehr unterschiedlichen musikalischen Ausrichtungen, die mal an die Band Faust erinnerten, wie beispielsweise in der viertelstündigen Suite "Assigned Frequency" oder im Stück "Helium Head", oder er bediente sich der Rhythmik der Krautrock-Gruppe Neu!("Chemical"), präsentierte synthesizerüberladene Popsongs wie "Gravity Serpent" oder wandte sich auch der World Music zu. Am stärksten geriet seine in bester Freak-Folk Tradition gehaltene Ballade "House", die klang, als würde Syd Barrett bei Spacemen 3 singen, dessen Sänger Jeff Oakes bei diesem Song auch mitsang. In seinen stärksten Momenten präsentierte Keir McDonald einen vortrefflichen Mix aus Shoegaze, kosmischer Musik, Spacemen 3 und Tangerine Dream.
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