May 29, 2017


JERICHO - Jericho (A&M Records AMLS 68079, 1972)

Dieses legendäre selbstbetitelte Album der israelischen Band Jericho war gleichzeitig auch schon der Schwanengesang dieser Gruppe, deren Wurzeln bis weit zurück in die 60er Jahre reichten. Ursprünglich von Arik Einstein im Jahre 1965 als The Churchills gegründet, war diese erste Inkarnation von Einstein's Band die erste Gruppe, die ein Rockalbum in Israel veröffentlicht hatte, das sich richtig gut verkaufte und als Nährboden für viele spätere Rockmusiker und Bands in Israel galt. Die Churchills waren eine typische Beatgruppe zu Mitte der 60er Jahre. Gegründet wurden sie im Jahre 1965 und sie konnten vor allem in ihrer Heimat Israel gute Erfolge verbuchen. Ihr Werk "Churchills" wurde allerdings auch nur in Israel veröffentlicht, weshalb ausserhalb ihrer Heimat nur Wenige Notiz von der Band nahmen, die gekonnt zwischen typischem 60's Beat und wunderbaren psychedelischen und auch einigen arabischen Elementen hin und her pendelten. 1969 tat sich der englische ehemalige Tornados Gitarrist Robb Huxley mit Arik Einstein zusammen, weil er durch Israel tourte. Diese Zusammenarbeit führte dazu, dass Huxley die Musiker der Churchills mit nach England nahm und mit ihnen eine neue Band mit dem Namen Jericho Jones gründete. Mit dieser neuen Gruppe, die stilistisch nicht mehr viel gemeinsam hatte mit den Churchills, spielten Arik Einstein und Robb Huxley eher zeitgemässen progressiven Rock.

Zuvor allerdings hatte Arik Einstein in Israel auch noch Soloplatten veröffentlicht, und die Kollaboration zwischen den Churchills und Einstein hatten in dessen drittes Album  "Poozy" gemündet, welches als das eigentlich erste Rockalbum in hebräischer Sprache gilt. Die Churchills spielten auf diesem Album auf der Hälfte der Tracks mit, nahmen sogar eines ihrer Stücke in einer neuen hebräischen Variante auf ("When You're Gone"). Anschliessend an die Aufnahmen gingen The Churchills mit Arik Einstein auch auf Tournee und blieben dem Musiker auch in den folgenden Jahren treue Begleiter. Selbst keine weitere LP mehr veröffentlichend, halfen sie allerdings bei drei weiteren Soloalben von Einstein mit, nämlich "Shablul" (1970), "Plastelina" (1970) und "On Avigdor's Grass" (1971). Dann kam der Brite Robb Huxley hinzu und ausserdem noch der kanadische Sänger Stan Solomon. Diese in der Zwischenzeit gut eingespielte Gruppe wechselte dann ihr Domizil und ging nach London.

Ab jetzt spiele die Band in ihrer neuen Wahlheimat vor allem britisch-gefärbte bluesige und progressive Rockmusik, wobei sie sich erstaunlich offen und breitgefächert präsentierten. Auch psychedelischer Rock und gar Hardrock konnte die Gruppe in ihren Sound einbauen, der somit sehr abwechslungsreich wirkte. Dies wiederum rief albald einige Plattenfirmen auf den Plan, welche ihre Talentscouts aussandten, um sich die Gruppe näher anzuschauen. Schlussendlich unterschrieben die nun unter dem Bandnamen Jericho Jones operierenden Musiker beim Plattenlabel A&M Records und veröffentlichten 1971 ein überraschend gelungenes, sehr zeitgemässes und der Konkurrenz problemlos die Stirn bieten könnendes Rockalbum, das jedoch gemessen an seiner Qualität viel zu wenig Beachtung fand. Ganz anders viele Jahre später, als diese Platte schon fast kultartig verehrt wurde von Rocksammlern aus aller Welt, was astronomische Preise für ihre originalen Alben zur Folge hatte. Jericho Jones' Debutalbum "Junkies, Monkeys & Donkeys" und vor allem auch das ein Jahr später nachgereichte "Jericho" gerieten zu Sammelobjekten der Begierde, für die Sammler bereit waren, teilweise mehrere hundert Euro hinzublättern.

Die Aenderung des Bandnamens in schlicht Jericho ging mit der Ueberlegung einher, dass der Name der Gruppe schlichter sein müsse, da dies vielleicht eher beim Publikum hängen bleibt. Das gleichnamige Album erschien 1972 und war qualitativ auf derselben hohen Linie wie der Vorgänger. Diesem gegenüber fiel jedoch auf, dass die nur fünf Songs des Albums teils wesentlich längere Laufzeiten präsentierten, was dem Umstand geschuldet war, dass die Gruppe noch einmal leicht progressivere Stücke geschrieben hatte, die einfach mehr solistischen Freiraum bekamen. Der Opener "Ethiopia" gefiel durch grossartige Gitarrenarbeit und einem leichten Hang zum Krautrock. Die recht progressive Nummer wirkte sehr reif, klang gut arrangiert und bot absolut professionellen Rock der damaligen Zeit. Das nachfolgende "Don't You Let Me Down" geriet genauso gut, und zeigte herrliche Wishbone Ash-ähnliche Twin Guitar-Passagen, einen insgesamt nahe am bluesorientierten Rock der etwas härteren Gangart angesiedelten Sound und eine ausgezeichnete Melodieführung. Auch der mehrstimmige Gesang konnte überzeugen. Das Stück erschien auch als Singleauskopplung, jedoch ohne nennenswerte Beachtung, was schade ist angesichts dieser wirklich tollen Nummer.

Mit dem dritten Titel "Featherbed" folgte der erste von insgesamt drei eher langen Tracks, die alle einem progressiven Rock-Aufbau folgten. "Featherbed" wusste durch eine geschickte Verschmelzung von britischem Rock mit typischen Soundmustern des Mittleren Ostens zu gefallen. Insbesondere der Sound der Gitarren wies typische Muster der Musik des Mittleren Ostens auf. Zusammen ergab dies ein Amalgam aus einerseits recht rockigem Progressiv-Sound, andererseits vermittelte die Nummer ein entspanntes leicht orientalisches Flair mit relativ viel Freiraum für allerlei Solo-Exkursionen und auch mal einem Scat-Gesang. Das geniale vierte Stück "Justin And Nova" würde ich persönlich als das Highlight des Albums bezeichnen. Hier kam eigentlich alles zusammen, was die Gruppe Jericho ausmachte. Mit dezenten und leicht Acid-verträumten Folkrock-Elementen begann diese Nummer, die sich in der Folge kontinuierlich steigerte. Die Melodie war einmaligschön zum mitsingen geeignet, die Geschichte traurig-schön und die instrumentale Qualität schlicht beeindruckend. Alleine schon nur wegen dieser einen Nummer auf diesem Album ist es schade, dass hier nicht mehr Erfolg heraus sprang damals. Dieses Stück gehört für mich bis heute zum Besten, was der frühe Progressive- und/oder Folk-Art-Prog-Rock zu bieten hatte.

Noch einmal recht rockig geriet dann das dieses Album beschliessende "Kill Me With Your Love", bei welchem Jericho wieder eher rockorientierter spielten, und im Grunde schon auch nahe am Jam-Rock waren. Denn hier gab es für die Instrumentalisten insgesamt am meisten Freiraum, es war auch der Titel, der am wenigstens durchkomponiert wirkte, verglichen mit den Titeln zuvor. Am ehesten könnte man diesen Titel als Heavy Rock bezeichnen, das progressive Element war zwar auch da, aber nicht mehr so gewichtig im Vordergrund. Auch die typischen Heavy Rock-Elemente fehlten letztlich, sodass "Kill Me With Your Love" etwas recht Eigenständiges geworden war: Eine Art Jam-Heavy Rock. Die fehlenden griffigen Melodie-Eckpfeiler, respektive der Mitsing-Charakter wurden bei dem Stück durch konsequentes und hochklassiges Solieren mehr als wett gemacht.

Die beiden Alben von Jericho wurden ab den 90er Jahren regelmässig als CD neu aufgelegt. Es empfiehlt sich, nach jenen Versionen des deutschen Labels Repertoire Records Ausschau zu halten. Es handelt sich dabei um keine Bootlegs und um ordentlich klanglich restaurierte Neufassungen. Inzwischen wurden dank des erneuten Vinyl-Booms auch beide Alben wieder als Vinyl-Ausgaben verfügbar gemacht. Ein Neuentdecken wird dem interessierten Hörer also relativ leicht gemacht. Prädikat: sehr empfehlenswert.











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