THE STEVE MILLER BAND - Book Of Dreams (Capitol Records SO-11630, 1977)
Dem am 5. Oktober 1943 in Milwaukee, Wisconsin geborenen Musiker Steve Miller wurde als Sohn des Arztes George Miller, eines Jazz-Enthusiasten und Amateurproduzenten, und seiner Frau Bertha, einer vom Jazz beeinflussten Sängerin, die Musik quasi in die Wiege gelegt. 1950 zog die Familie nach Texas um. Seine ersten Gitarrenakkorde lernte der kleine Steve Miller im Alter von fünf Jahren vom berühmten Gitarristen Les Paul, der zusammen mit seiner Frau Mary Ford regelmässig im Haus der Millers zu Besuch war. George Miller war ihr Trauzeuge. Auf der St. Mark’s School in Texas gründete Steve Miller seine erste Band namens Marksmen. Miller zeigte seinem Klassenkameraden Royce Scaggs (bekannter unter seinem Spitznamen Boz) einige Gitarrengriffe, damit dieser in die Band einsteigen konnte. Miller machte 1961 seinen Schulabschluss auf der Woodrow Wilson High School, in der Nähe von Lakewood. Während der 60er Jahre besuchte er die University of Wisconsin-Madison, wo er die Band Ardells gründete. Im Jahr darauf schloss sich auch Boz Scaggs dieser Formation an. Ein weiteres Jahr später stiess Ben Sidran als Keyboarder zur Band. Miller war erst sechzehn, als er aufs College ging, wo er mit Absicht durch sein Literaturexamen fiel. Les Paul ermutigte den jungen Miller, sein musikalisches Talent zu nutzen.
Bevor er die Steve Miller Band gründete, war Miller zusammen mit Barry Goldberg in einer Band namens Goldberg-Miller Blues Band, die 1965 gegründet wurde und eine Single veröffentlichte, bevor Miller die Band wieder verliess. Von dieser Formation sind danach noch weitere Songs erschienen, von denen allerdings nur drei von Miller gesungen wurden (zwischenzeitlich auch auf CD erschienen, inzwischen wohl vergriffen). 1967 gründete Miller schliesslich die Steve Miller Band, trat mit ihr beim Monterey Pop Festival auf und steuerte drei Lieder zum Soundtrack für den Hippiefilm 'Revolution' bei (ebenso wie die Gruppe Quicksilver Messenger Service). Bei diesen Songs übernahm Steve Miller selbst den Gesang. 1968 erschien das Album "Children Of The Future", das erste einer Reihe von Alben, die tief im psychedelischen Bluesstil verwurzelt waren, der damals San Francisco's Szene beherrschte. "Sailor", "Brave New World", "Your Saving Grace" und "Number Five" folgten. Diese erste Periode von Millers Musikgeschichte fasste zum Grossteil die Doppelalbum-Kompilation "Anthology" aus dem Jahre 1972 zusammen. Boz Scaggs war in der Anfangsphase ein wichtiges Mitglied der Band, allerdings nur für die ersten beiden Alben, bevor er seine eigene Solokarriere startete.
1970 nahm Steve Miller mit Musikern wie Dave Mason von Traffic einige Stücke für Neil Merryweather's Allstar-Album "Word Of Mouth" auf. Ausserdem kam es zu einem kurzfristigen Zusammenspiel mit John Lee Hooker: Steve Miller nahm mit dem Grossmeister des Blues im Jahre 1970 das Album "Endless Boogie" auf. Die Aufnahmen stammten vom 10., 11. und 12. November 1970. Produzenten waren Bill Szymczyk und Ed Michel. Steve Miller spielte darauf das Electric Piano und die Gitarre auf einigen Titeln. Steve Miller's Album "The Joker" markierte im Jahre 1973 den Beginn einer zweiten Phase von Millers Karriere: obwohl noch immer von Vorläufern inspiriert, bescherte es der Band in Form des Titelsongs einen Nummer 1-Hit in den USA, und einige weitere beliebte Stücke, unter ihnen etwa "Sugar Babe", "Shu Ba Da Du Ma Ma Ma" oder "Something To Believe In". Das Stück "The Joker" wurde 1990 noch einmal aufgenommen und blieb auch in dieser neuen Version länger an der Spitze der englischen Singles-Charts, nachdem es als TV Werbe-Jingle für die Jeans-Firma Levis eingesetzt worden war. Steve Miller liess gut drei Jahre später das Album "Fly Like An Eagle" folgen und 1977 schliesslich "Book Of Dreams". Diese beiden Alben waren der Höhepunkt seiner Karriere. Beide Alben erreichten Spitzenpositionen in den Album-Charts und sorgten für grössere Hit-Singles, darunter "Rock’n Me", "Take The Money And Run", "Jet Airliner", "Swingtown" und "Jungle Love". Die Steve Miller Band wurde im selben Jahr Vorgruppe einer grösseren Stadiontournee mit den Eagles. Nicht nur in den Vereinigten Staaten war Steve Miller inzwischen eine feste Grösse: Weltweit, insbesondere aber auch in Europa, platzieren sich seine Einspielungen hoch in den Charts. Für seinen ganz eigentümlichen und jederzeit wiedererkennbaren speziellen Guitarsound erhielt der Künstler zu dieser Zeit in Fankreisen den Beinamen 'Space Cowboy', der sich auf eine entsprechende Textzeile in seinem Erfolgstitel "The Joker" bezog.
"Book Of Dreams", exakt ein Jahr nach dem Erfolgsalbum "Fly Like An Eagle" veröffentlicht, war weitgehend konform konzipiert wie sein Vorgänger. Informierte Kreise behaupteten gar, dass die Songs von "Fly Like An Eagle" und "Book Of Dreams" während einer langen Studiosession gemeinsam aufgenommen worden seien und auf zwei Alben verteilt wurden, was sich jedoch letztlich als Unsinn erwies. Steve Miller, der ursprünglich ja vom Blues kam, inzwischen jedoch längst auch ein Faible für Folk und Countrymusik entwickelt hatte, präsentierte hier absolut eingängige Rockmusik mit deutlichen Popeinflüssen und versetzte diese zudem mit einem Überzug aus von Synthesizern erzeugten Klängen. Die Zeitschrift 'Musik Express' meinte damals, Steve Miller sei wohl der Rockmusiker, der aus dem Synthesizer die wärmsten, menschlichsten Töne herausholen könne. Zusammen ergab dies alles jedenfalls eine einzigartige, äusserst reizvolle Mixtur. Rückblickend kann man durchaus attestieren, dass Steve Miller hier die stärksten und nachhaltigsten seiner Songs geschrieben und veröffentlicht hatte. Einige davon sind längst zu Evergreens geworden, die noch heute regelmässig am Radio gespielt werden, wie zum Beispiel "Jet Airliner" oder "Swingtown" und "Jungle Love". Genial simple Songs, die mit geheimnisvoll klingenden elektronischen Spielereien ("Threshold", "Electro Lux Imbroglio"), zu Herzen gehenden Balladen ("Wintertime", "Wish Upon A Star") sowie weiteren akustischen Highlights wie "True Fine Love", dem Bluesrock "The Stake", dem wunderbar folkigen "My Own Space" zu einem perfekten Ganzen erweitert wurden. Nicht unbedingt an vorerster Front stehend, überzeugte aber auch das fast schon jazzig wirkende "Sacrifice" mit dem Gastgitarristen Les Dudek sowie das geradezu irisch klingende Instrumental "Babes In The Wood". Fazit daher: Trotz unterschiedlichster Facetten gelang der Steve Miller Band mit "Book Of Dreams" ein absolut harmonisches Album. Dazu kam die angenehm helle, stets optimistisch klingende Gesangsstimme von Steve Miller.
In einem Interview mit dem Rockjournalisten Hermann Haring sagte Landmensch Steve: "I enjoy riding along on my tractor, smoke some dope, have some fun". Genau so entspannt und lebensbejahend klang auch seine Musik. Mit dem Album "Book Of Dreams" hielt die Steve Miller Band erstmalig auch Einzug in die deutschen Albumcharts und stieg dort bis auf Platz 13. Das war zwar für ein Album dieser herausragenden Qualität vielleicht nicht gerade überwältigend, doch immerhin zog es den Vorgänger "Fly Like An Eagle" leicht verspätet mit an die Sonne des Erfolges (Platz 20). Auf dem Höhepunkt seines Erfolges zog sich Steve Miller anschliessend aus dem Aufnahme- und Tourleben zurück, tauchte jedoch 1981 mit dem Album "Circle Of Love", das die Single-Hits "Heart Like A Wheel" und "Circle Of Love" abwarf, wieder auf. Die gesamte zweite Seite jenes Albums bestand aus einem über 18-minütigen Stück, einer Art experimentellem Rapsong, mit dem sich Miller textlich gegen die damalige US-Politik richtete. Die Verkaufszahlen waren allerdings eher enttäuschend. So kehrte er 1982 mit einem weiteren Hit-Album zu seiner Pop-Formel zurück: "Abracadabra". Die gleichnamige Single wurde gleichzeitig in Amerika, Japan und Europa zum Nummer 1-Hit. Auch "Goodbye Love", "Keeps Me Wondering Why" und "Give It Up", sowie die B-Seite von "Abracadabra" mit dem Titel "Never Say No", wurden kleinere Hits in manchen Ländern Europas. Das Album "Abracadabra" war Steve Millers letzter grosser kommerzieller Erfolg; eine Reihe von Best Of-Alben, Live-Kompilationen und Versuche, einen neuen, dem digitalen Zeitalter angepassten Bandstil (Album: "Italian X-Rays", 1984) zu etablieren, folgten sporadisch.
1988 erschien sein erstes Soloalbum mit dem Titel "Born To Be Blue". Steve Miller wollte beweisen, dass sich eine Bluesgitarre ohne weiteres über Standard Jazz-Songs spielen liess. Die Singleauskopplung "Ya Ya", eine Coverversion von Lee Dorsey, floppte jedoch. Ein weiterer Comebackversuch im Jahre 1993 mit dem Album "Wide River" scheiterte trotz passabler Verkaufszahlen vermutlich an der Wahl der Singleauskopplungen und der abermals, im Vergleich zu früheren Releases, undenkbar glatten Produktion. Ausserdem spielte er im selben Jahr für das Muddy Waters Tributealbum "Muddy Water Blues" vom ehemaligen Free-Sänger Paul Rodgers, auf dem sich auch weitere Gitarrenlegenden wie Jeff Beck, Neil Schon, Richie Sambora, Trevor Rabin, Gary Moore, Slash, Brian Setzer, David Gilmour, Brian May und Buddy Guy austoben durften, die Gitarre für den Bluesklassiker "I’m Your Hoochie Coochie Man" ein. Steve Miller nahm seither, nach eigenen Aussagen wegen seines getrübten Verhältnisses zur Musikindustrie, kein Studioalbum mehr auf. Allerdings arbeitete er in der Zwischenzeit mit Paul McCartney für dessen 1997 für den Grammy nominiertes Album "Flaming Pie" zusammen. Dort war er auf einem Song als Leadsänger und an der Gitarre zu hören, eine späte musikalische Danksagung McCartneys in Erinnerung an seine Jam-Session mit Steve Miller zur Zeit von "My Dark Hour" (1969). Während Steve Miller sich in der Zwischenzeit aus dem Bereich der Plattenproduktion fast gänzlich zurückgezogen hatte, schien er seit 1993, mit kleineren Unterbrechungen, ein recht reges Tourleben geführt zu haben, das sich allerdings fast nur auf Konzerte in den USA und Kanada beschränkte.
2006 erschien bei Capitol Records, dem ursprünglichen Stamm-Label Millers, eine CD/DVD-Kopplung des Albums "Fly Like An Eagle", zum 30-jährigen Jubiläum der Platte. Unter dem enthaltenen Bonusmaterial fand sich eine Konzertfilmaufnahme aus dem Jahre 2005 mit Gaststars wie George Thorogood und Joe Satriani. Auch auf dem Les Paul Tributealbum von 2005, "Les Paul & Friends", war der Musiker neben anderen Bekanntheiten wie Eric Clapton, Sting, Sam Cooke, Buddy Guy, Keith Richards, Peter Frampton, Billy Gibbons, Edgar Winter, Rick Derringer, Neil Schon, Richie Sambora, Joe Perry und Jeff Beck mit einer Neuaufnahme seines sozialkritischen Rockklassikers "Fly Like An Eagle", dessen Kultstatus Anfang 1997 der schwarze Sänger Seal durch Neuinterpretation und erneuten Hitstatus weiter untermauerte, vertreten. Nach langjähriger Studiopause wurde im Juni 2010 mit "Bingo!" ein neues Album veröffentlicht, das sofort die Position 1 der amerikanischen Billboard Blues Album Charts eroberte. Im August 2010 begann zudem eine grosse Tournee durch Kanada, die USA und Europa.
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