Sep 24, 2017


FAITH NO MORE - Angel Dust (Slash Records 9 26785-2, 1992)

Faith No More gelten als Gründerväter und als eine der wichtigsten Bands des Crossover, da sie verschiedene Stile wie Artrock oder Funk mit Metal und Hardcore Punk verschmolzen. Anfang der 80er Jahre spielten der Bassist Billy Gould, der Schlagzeuger Mike Bordin und der Keyboarder Wade Worthington in San Francisco in einer Band, die vom Sänger und Gitarristen Mike 'The Man' Morris gegründet und geleitet wurde und sich Faith No Man nannte. Nach dem Ausstieg von Worthington schloss sich Goulds Mitbewohner Roddy Bottum als Keyboarder an. Nachdem Gould, Bordin und Bottum der Dominanz Morris' überdrüssig wurden, gründeten sie eine neue Band, die auf Empfehlung eines Freundes Faith No More, in Anspielung an den alten Bandnamen ('The Man' is no more), getauft wurde. Bald fand man mit Jim Martin einen Gitarristen, und nach einem enormen Verschleiss an Sängern (beispielsweise auch Courtney Love) erschien schliesslich 1985 mit Chuck Mosley am Mikrophon das Debüt "We Care A Lot". Dieses führte die Band mit dem gleichnamigen Titelsong zu einem kleinen Erfolg. Nach diversen Streitigkeiten wurde jedoch 1988 Mike Patton, der zuvor bei Mr. Bungle und Fantômas am Mikrophon stand, der neue Sänger der Band.

Die Single-Auskopplung "Epic" aus dem folgenden Album "The Real Thing", bei welcher der die Band einen harten Gitarrensound mit Rap kombinierte, wurde der erste grosse Erfolg und machte die Band auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Mit Mike Patton als Sänger wurden bis zur vorläufigen Trennung vier Studioalben aufgenommen. In Europa wurde eine im Rahmen des 1992er Albums "Angel Dust" aufgenommene Coverversion des Songs "Easy" von Lionel Richie aus dem Jahre 1977 mit The Commodores ein besonderer Erfolg. Bereits bei den Aufnahmen zum Album "Angel Dust" zeichneten sich aber Differenzen zwischen Martin und der Band hinsichtlich der musikalischen Richtung ab, weshalb Gould einen Grossteil der Gitarrenparts des Albums einspielte. Zwischen 1990 und 1993 waren Faith No More insgesamt dreimal für den Grammy nominiert. "Angel Dust" wurde zu einem der erfolgreichsten Alben von Faith No More.

Auf "Angel Dust" war Mike Patton erstmals intensiv am Songwriting beteiligt. Im Gegensatz dazu hielt sich Gitarrist Jim Martin zusehends zurück, da er mit der musikalischen Entwicklung der Band unzufrieden war. Angeblich übernahm Bassist Billy Gould sogar einen Teil der Gitarrenparts auf "Angel Dust". Folge dieser Entwicklung war der Rauswurf von Jim Martin und ein Richtungswechsel der Band. Zum ersten Mal lastete auf Faith No More ein gewisser Druck bei der Produktion eines Albums, da der Vorgänger "The Real Thing" weltweit ein grosser Erfolg geworden war. Die Band reagierte trotzig auf die kommerziellen Erwartungen und erweiterte ihr musikalisches Spektrum erheblich und kombinierte dabei Stile wie Metal, Funk, Country, Filmmusik und weitere Genres. Sänger Mike Patton liess sich für seine Texte ebenfalls einiges einfallen. So führte er zum Beispiel ein Schlafentzugs-Experiment durch, das ihn zu dem Song "Caffeine" inspirierte. Für den Songtext zu "Land Of Sunshine" kombinierte Patton Fragen aus einem Scientology-Buch mit Sprüchen aus chinesischen Glückskeksen.

In der Country-Ballade "RV" ("Recreational Vehicle") besang Mike Patton das Leben des White Trash in den USA, der Titel "Crack Hitler" beschrieb das despotische Verhalten eines Crack-Dealers. Bei "Be Aggressive", einer Fellatio-Beschreibung, forderte eine Cheerleader-Gruppe zu aggressivem Verhalten auf, während sich die Stücke "Midlife Crisis", "Everything's Ruined" und "Kindergarten" mit spezifischen Problemen menschlicher Lebensphasen beschäftigten. Alle Songs wurden von Faith No More geschrieben, ausser dem Stück "Midnight Cowboy", das von John Barry geschrieben wurde und "Easy", welches von Lionel Richie stammte, das als Bonustrack auf einer Wiederveröffentlichung des Albums "Angel Dust" zu finden war und zu Faith No Mores grösstem Hit in Europa avancierte. Es waren einige Samples zu hören, so unter anderem das Streichquartett Nr. 8 von Dmitri Schostakowitsch, in der Version von Kronos Quartet in "Malpractice" oder "Cecilia" von Simon & Garfunkel im Schlagzeug-Track von "Midlife Crisis", in welchem auch ein Sample von "Car Thief" von den Beastie Boys zu finden war.

Vor den Aufnahmen zum Folgealbum "King For A Day, Fool For A Lifetime" wurde Jim Martin aus der Band entlassen, und somit erfolgte wieder ein Besetzungswechsel, der auch das Klangbild der Band weiter veränderte. Im Studio kam der Mr. Bungle Gitarrist Trey Spruance zum Einsatz, der die Band aber nach den Aufnahmen wieder verliess und für die anschliessende Tournee von Dean Menta, einem ehemaligen Roadie, abgelöst wurde. "King For A Day, Fool For A Lifetime" drängte die Crossover-Elemente endgültig in den Hintergrund, auch die Keyboards waren nun nur noch wenig prominent vertreten. Stattdessen prägten Spruance' harte Gitarren und vor allem der kompromisslose, sehr expressive Gesang Pattons das melodisch wenig eingängige Album. Diese Erkundung neuer musikalischer Ufer und besonders die Trennung von Martin wurde von einigen Fans und Fanzines skeptisch aufgenommen. Das Album verkaufte sich besonders auf dem amerikanischen, aber auch auf dem europäischen Markt weitaus schlechter als die beiden Vorgänger. Heute jedoch gilt das Album vielen Kritikern als das unterbewertete Highlight der Bandgeschichte.

Nach einem weiteren Werk mit dem Titel "Album Of The Year" im Jahre 1997 mit dem neuen Gitarristen Jon Hudson, wieder deutlich konventionelleren Songs und einer ausgiebigen Tournee (unter anderem spielten Faith No More als einer der Headliner des Bizarre-Festivals) kamen Anfang 1998 Auflösungsgerüchte auf, welche am 19. April 1998, kurz nach einem Konzert in Lissabon, in der tatsächlichen Auflösung der Band mündeten. Die Plattenfirma reagierte hierauf mit der Single-Veröffentlichung der Bee Gees Coverversion "I Started A Joke", welche schon zuvor als B-Seite dem Publikum vorgestellt worden war. Das Aushängeschild der Band, Mike Patton, hatte bereits früh neben diversen Projekten weitere Bands namens Fantômas, Tomahawk und Peeping Tom gegründet. Des Weiteren unterhält er mit Ipecac eine eigene Plattenfirma, die Künstler unterschiedlichster Stile veröffentlichte. Der Schwerpunkt lag vor allem bei kreativen Grenzgängen. Patton selbst beteiligte sich darüber hinaus dauerhaft an diversen Projekten seines eigenen Labels. Auch der Bassist Billy Gould führte eine eigene Plattenfirma mit dem Namen Kool Arrow Records. Diese widmete sich Underground-Formationen aus aller Welt. Neben seiner Tätigkeit als Produzent war er bei der skandinavischen Cover-Band Black Diamond Brigade zu hören, deren Mitglieder, ebenso wie bei Pattons Kollaborationen, aus anderen namhaften Bands bekannt waren. Im November 2006 stieg Gould bei der deutschen Band Harmful, deren im Februar 2007 erschienenes Album "7" er produziert hatte, zeitweilig als zweiter Gitarrist ein. Der ehemalige Schlagzeuger Mike Bordin war neben regelmässigen Aushilfsjobs unter anderem bei der Band Korn, aber auch bei Jerry Cantrell längere Zeit fester Schlagzeuger bei Ozzy Osbourne und auch bei Black Sabbath. Keyboarder Roddy Bottum betrieb sein Indie Pop-Projekt Imperial Teen.

Im Februar 2009 wurde überraschend bekannt gegeben, dass die Band sich für eine Europatour wiedervereinigen würde. Nach der Europatournee im Sommer 2009 mit über 30 Auftritten (vornehmlich im Rahmen von Festivals) wurden im Herbst Konzerte in Südamerika (Chile, Argentinien, Peru, Brasilien) und Mexiko gespielt. Im Februar und März 2010 gaben Faith No More Konzerte in Neuseeland und Australien, im April und im Juni in den USA. Bei Konzerten in San Francisco spielten sie das erste Mal seit 1988 mit Chuck Mosley. Im Juli traten sie erneut in Europa auf. Im September 2010 wurde bekanntgegeben, dass Faith No More nach dem letzten Konzert, das im Dezember in Chile stattfand, vorerst keine weiteren Aktivitäten verfolgen würden. Diese Meldung wurde vielfach als die endgültige Auflösung der Band interpretiert. Allerdings trat die Band im November des Jahres 2011 bei vier Festivals in Südamerika auf, zuletzt am 14. November in São Paulo, Brasilien, beim SWU Festival. Billy Gould hielt weiterhin offen, ob weitere Aktivitäten der Band zu erwarten seien. Im Juni und Juli 2012 fanden dann tatsächlich wieder mehrere Live-Auftritte bei verschiedenen europäischen Festivals statt, bei denen auch der neue Song "Matador" gespielt wurde.

Danach wurde es zunächst für zwei Jahre wieder still um die Band, bis sie am 4. Juli 2014 gemeinsam mit Black Sabbath im Londoner Hyde Park auftrat, wobei sie neues Songmaterial spielte. Kurz darauf wurde ein neues Album, das fünfte mit Patton, angekündigt. Seit dem 20. November 2014 war die neue Single "Motherfucker" über den Streamingdienst Sound Cloud zu hören. Ab dem 9. Dezember 2014 war der Song als Download verfügbar. Am 15. Mai 2015 erschien dann erstmals seit 18 Jahren ein neues, von Bassist Billy Gould produziertes Studioalbum namens "Sol Invictus" auf dem bandeigenen Plattenlabel Reclamation Records. Das Werk wurde von Siouxsie And The Banshees und Roxy Music inspiriert. Es wurde von der Kritik überwiegend positiv aufgenommen. Faith No More erlangten vor allem Berühmtheit durch ihre Extravaganz. Ihr Stil wechselte bei nahezu jedem Album. Zu Beginn ihrer Laufbahn spielten sie noch eine harte Version von Post-Punk im Stil von Killing Joke. Nach dem Einstieg von Mike Patton dominierten die Elemente Metal und Funk, weshalb ihr Stil anfangs als Funk Metal bezeichnet wurde. Später kamen immer mehr Elemente hinzu, andere gingen wieder verloren. Von Soul und Easy Listening bis Hardcore Punk, Industrial Rock und Weltmusik-Elementen wurde die Bandbreite ergiebig ausgeschöpft. Es wurden sogar klassische Elemente und Filmmusik ins Klangspektrum der Band einbezogen, zum Beispiel endete "Epic" (von "The Real Thing") mit einem Klavier-Thema und "Jizzlobber" ("Angel Dust") mit einer Art Kirchenmusik.










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