RIDE - Carnival Of Light (Creation Records CRELP 147, 1994)
Die britische Shoegazing Band Ride wurde 1988 in Oxford von Mark Gardener (Gitarre, Gesang), Andy Bell (Gitarre, Gesang), Steve Queralt (Bass) und Laurence Colbert (Schlagzeug) gegründet. Zu dieser Zeit waren die Mitglieder der Band Studenten des Banbury Art College. Nach einer Tour als Vorband für die Soup Dragons wurde 1989 Alan McGee von Creation Records auf sie aufmerksam und offerierte ihnen einen Plattenvertrag. Mit der Unterstützung durch ihre Plattenfirma nahmen sie 1990 die EPs "Ride", "Play" und "Fall" auf, die sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte. Der Melody Maker kürte sie zu einer der Hoffnungsträger des Jahres. Im Oktober desselben Jahres erschien schliesslich ihre erste LP "Nowhere", die es bis auf Platz 11 in den britischen Charts schaffte. Die Alben "Ride" und "Play" wurden 1992 auf der Zusammenstellung "Smile" wiederveröffentlicht, während die Stücke von "Fall" auf der CD-Version von "Nowhere" wiederzufinden waren. Im März 1991 erschien die nächste EP der Band, "Today Forever" genannt, die von der ersten internationalen Tournee durch Japan, Australien und Frankreich gefolgt wurde.
Im März 1992 erschien schliesslich "Going Blank Again", produziert von Alan Moulder. Besonders der erste Titel "Leave Them All Behind" gilt als beispielhaft für das Genre Shoegazing. Über acht Minuten produzierten Ride den typischen Wall of Sound-Klang mit Hilfe der zwei Gitarren von Gardener und Bell, die verzerrt und mit Wah Wah-Pedalen eine hypnotische Atmosphäre schufen. "Going Blank Again" war ein grosser kommerzieller Erfolg und stieg in den englischen Charts bis auf Platz 5 auf. Auch die Single "Leave Them All Behind" schaffte es, in die Top Ten der Singlecharts aufzusteigen. Lange Konzerttouren und musikalische Differenzen führten dazu, dass es innerhalb der Band jedoch zu immer grössseren Spannungen, besonders zwischen Gardener und Bell, kam.
1994 erschien das nächste Album, "Carnival Of Light" mit Jon Lord als Gastmusiker. Auch dieses Album konnte sich noch in den Top Ten der Albumcharts platzieren; allerdings hatte sich die Musikszene in Grossbritannien mittlerweile verändert. Die typischen Shoegazing Bands Ride und My Bloody Valentine wurden in der Wahrnehmung des Mainstream-Publikums langsam von Britpop-Bands wie Blur und Oasis abgelöst. Die Songs auf "Carnival Of Light" reflektierten die bandinternen Spannungen, da nun die Songs der ersten Hälfte allein von Gardener und die Songs der zweiten Hälfte allein von Bell geschrieben wurden. Die vorherige Kooperation beim Songwriting wurde aufgegeben. Dennoch wurde das Album zu einem der besten der Band, denn beide einzelnen Teile, die zusammen ein Ganzes bildeten, hatten eine feine und vor allem druckvoll und erdig produzierte Mixtur aus Shoegazing und Psychedelik Rock, der dank seiner Gitarrenarrangements stilistisch nun sehr stark an die Byrds heranreichte. Der relative Miserfolg des Albums "Carnival Of Light" verstärkten die Spannungen innerhalb der Gruppe. Nicht nur mochten ihre Fans das Album nicht, es gelang der Band auch nicht, neue Fans hinzu zu gewinnen, was schliesslich Konsequenzen haben würde.
Mit dem bleiern schweren "Moonlight Medicine" starteten Ride das Album, und bereits bei dieser Nummer erhielt der Deep Purple Keyboarder Jon Lord eine grosse Fläche Raum für seine berühmte Hammond Orgel. Es folgten weitere Titel, die aus der Feder von Mark Gardener stammten - die Stücke waren strikte getrennt auf dem Album. Andy Bell's kompositorischen Beiträge folgten anschliessend ebenfalls als geschlossener Block. Das zweite Stück "1000 Miles" offenbarte, wenn man sich den Rest der Stücke von beiden Musikern anhörte, jedoch keine grösseren stilistischen Abweichungen. Interessanterweise schrieben die beiden Musiker sich ähnelnde Songs, deren Ingredienzien ziemlich dieselben waren: Jangling Guitars, Byrds-ähnlicher mehrstimmiger Gesang, bisweilen traumwandlerische ätherische Songs, die allesamt eine Grundmelancholie in sich trugen, die aber keineswegs traurig wirkten und schon gar nicht auf die vorhandenen Spannungen innerhalb der Band schliessen liessen. Am lieblichsten klang dieses veränderte Band-Klangbild beim vom Schlagzeuger Laurence Colbert geschriebenen Stück "Natural Grace", das eine akustische Brücke bildete zwischen den Songs von Bell und Gardiner.
Aus der Feder von Andy Bell stammten zwei der besten Titel auf diesem Album, nämlich das romantische Folkrock-Stück "Crown Of Creation", das vielleicht jeder anderen Band zum Hit hätte gereichen können, für die Band Ride jedoch leider nur ein Song unter vielen auf einem viel zu wenig beachteten Album blieb. Und dann dieses letzte Stück, genannt "I Don't Know Where It Comes From", bei welchem die Gruppe im legendären Manor Studio in Monmouth mit einem Schulchor zusammenarbeitete, dem Christchurch Cathedral School Choir unter der Leitung von Simon Whalley. Erwähnenswert ist auch die Coverversion von "How Does It Feel To Feel ?", einer Nummer der 60's Legende The Creation ("We Are Paintermen"), das die Band mit George Drakoulias aufgenommen hatte, jenem Produzenten, der sich zu der Zeit auch um Primal Scream, die Black Crowes und The Jayhawks kümmerte. Was die Fans der Gruppe Ride letztlich am meisten an diesem Album bemängelten, war das fehlende Alternative Rock-Element, das typisch rockige Element, das die vorherigen Alben auszeichnete und der Band ihren Wiedererkennungswert gab. Man muss auf der anderen Seite den vier Musikern zugute halten, dass sie sich aufgrund der schwelenden Konflikte untereinander wohl vor allem auf eine musikalische Gemeinsamkeit ohne Reibungsflächen beschränken wollten. Dies führte zu einem eher wenig engagierten Rock, der den Songs aber letztlich wirklich gut tat. Aus heutiger Sicht dürfte "Carnival Of Light" dadurch zum entspanntesten Werk der Gruppe geworden sein, bei welchem die Songs und deren musikalische Umsetzung ziemlich perfekt miteinander harmonieren.
Frustriert durch die eher verhaltenen Kritiken der Fachpresse und der reservierten Aufnahme durch ihre Fans, begaben sich Ride im Sommer 1995 erneut ins Tonstudio, um den Nachfolger "Tarantula", ihr viertes Album, einzuspielen. Noch während der Aufnahmen zum Album waren erste Auflösungserscheinungen in der Band sichtbar. Mark Gardener begab sich in ein inneres Exil und schrieb nur noch einen Song für dieses Werk, der Rest wurde von Andy Bell verfasst. Noch vor der Veröffentlichung löste sich die Band auf. Als das Album auf den Markt kam, fiel es bei Kritikern und Fans durch und wurde nach einer Woche wieder zurückgezogen. Andy Bell gründete nach seiner Zeit bei Ride die Band Hurricane #1. Diese löste sich nach zwei Alben ebenfalls auf, woraufhin Bell, bis zu deren Split im Jahr 2009, Bassist bei der britischen Rockband Oasis wurde. Anschliessend übernahm er die Gitarre bei Liam Gallaghers neuer Band Beady Eye, die im Oktober 2014 ihre Trennung bekanntgab. Mark Gardener hatte bei diversen kommerziell weniger bedeutsamen Musikprojekten mitgewirkt. Mit der Band The Animalhouse veröffentlichte er im Jahr 2000 ein Album und verliess diese Gruppe im Anschluss. Ab 2005 arbeitete Mark Gardener mit Goldrush und dem Produzenten Bill Racine zusammen und veröffentlichte 2006 sein Solodebüt mit dem Titel "These Beautiful Ghosts".
Im Jahre 2001 kam es für eine Dokumentation des Fernsehsenders Channel 4 über die Gruppe Sonic Youth zu einer Wiedervereinigung von Ride, um die Verwendung von Feedback und Effektgeräten zu demonstrieren. Diese 30-minütige Session und zwei weitere Songs wurden 2002 als EP "Coming Up For Air" veröffentlicht. In der Folge erschienen weitere CDs von Liveauftritten und eine CD-Box. Hoffnungen auf eine permanente Wiedervereinigung wurden zerschlagen, als Andy Bell dieses explizit ausschloss. Allerdings gab es mehrere kleinere Zusammenarbeiten zwischen einzelnen Mitgliedern der Band. Am 18. November 2014 wurde in Barcelona in Vorbereitung zum 'Primavera Sound Festival' 2015 ein riesiges, anonymes Poster mit dem Bandnamen ausgerollt. Da diese Taktik im Rahmen der Vermarktung des Festivals schon häufiger zum Einsatz kam, war davon auszugehen, dass Ride dort auftreten würden. Noch am selben Tag wurde die Reunion in Originalbesetzung mit der Veröffentlichung von zehn Konzertdaten in Europa und Nordamerika im Sommer 2015 bestätigt. Unter anderem traten Ride beim 'Coachella Valley Music and Arts Festival' (Indio, USA), und auf dem 'Melt!' (Ferropolis bei Dessau) auf. In der Folge gingen Ride auch wieder ins Tonstudio und veröffentlichten 2017 ihr erstes neues Album seit 21 Jahren mit dem Titel "Weather Diaries".
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