Sep 1, 2017


ATLANTA RHYTHM SECTION - A Rock And Roll Alternative
(Polydor Records PD-1-6080, 1976)

Die Band Atlanta Rhythm Section (oder in späteren Jahren auch als ARS bekannt) wurden im Jahre 1971 von Rodney Justo (Gesang), Barry Bailey (Gitarre), Paul Goddard (Bass), Dean Daughtry (Keyboards), Robert Nix (Schlagzeug) und J.R. Cobb (Gitarre) ins Leben gerufen. Die weitreichende Zusammenarbeit begann jedoch schon etwas früher, als im Frühling 1970 drei damalige Mitglieder der Gruppe Candymen (Rodney Justo, Dean Daughtry und Robert Nix), sowie James B. Cobb Jr. von der Band Classics IV die Haus-Sessionband für das neu eröffnete Tonstudio 'Studio One Recording Studio' in Doraville, Georgia in der Nähe von Atlanta bildete. Nachdem die Musiker auf zahlreichen Plattenaufnahmen anderer Einzelinterpreten und Bands als Studiomusiker gearbeitet hatten, entschlossen sie sich dazu, auch selbst als Musikgruppe zusammenzuarbeiten. Das Resultat war die Atlanta Rhythm Section, die in ihrer ersten Phase zunächst für das Plattenlabel Decca Records ein Debutalbum aufnehmen durfte, schlicht betitelt mit "Atlanta Rhythm Section". Das Debutalbum erschien im Januar 1972. Als sich kein nennenswerter Erfolg einstellte, verliess zuerst der Sänger Rodney Justo die Gruppe, ging nach New York, um dort wieder als Session-Sänger zu arbeiten. Er wurde ersetzt durch Ronnie Hammond, der als Assistant des Studio One Toningenieurs Rodney Mills arbeitete. Buddy Buie, der Bandmanager und Produzent, der auch der Mitinhaber des Studio One war, wurde auf dem Debutalbum erstmals auch als Songkomponist mitgeführt, wie später auf praktisch allen Alben der Gruppe. Mit dem neuen Sänger Ronnie Hammond an Bord, geriet auch die zweite, im Februar 1973 veröffentlichte Platte "Back Up Against The Wall" zum Misserfolg und die Plattenfirma Decca Records kündigte den Vertrag mit der Band.

Buddy Buie's Manager Jeff Franklin, der in New York arbeitete und für den Deal mit Decca Records verantwortlich gewesen war, konnte die Atlanta Rhythm Section kurze Zeit später beim Plattenlabel Polydor Records unterbringen, was die Veröffentlichung der dritten Platte "Third Annual Pipe Dream" im August 1974 zur Folge hatte. Der Gastmusiker Mylon LeFevre spielte auf dem Stück "Jesus Hearted People" mit, was der Band einige Beachtung brachte. Das war nicht weiter verwunderlich, da die ARS-Musiker Buie, Bailey, Goddard, Daughtry und Rodney Mills schon zuvor in LeFevre's Tonstudio gearbeitet hatten, bevor sie zu Studio One wechselten - alte Seilschaften. Das Werk "Third Annual Pipe Dream" bescherte der Gruppe ihre erste Hit-Single "Doraville", die bis auf Platz 35 in den Charts kam und dem Album auf einen respektablen Rang 74 der Billboard's Top 200 im November 1974 verhalf. Entgegen der damals landläufigen Meinung, es handle sich bei der Atlanta Rhythm Section um eine Southern Rock Band, bewies bereits die erste Hit-Single, dass die Gruppe wesentlich stärker im Poprock mit leichtem Westcoast-Flair verwurzelt war. Sicherlich ausschlaggebend für die weicheren Klänge der Band war die Stimme des Sängers Ronnie Hammond, der dank seiner laidbacken Stimmfarbe, in Verbindung mit den lockeren und flüssigen, hochmelodischen Gitarrenläufen von Barry Bailey, dem runden und vollen Bass von Paul Goddard und Dean Daughtry's eleganten Keyboard-Sounds, die mehrheitlich auf dem elektrischen und akustischen Piano vorgetragen wurden, für einen insgesamt eher Poprock-orientierten Gesamtsound sorgten.

Die beiden nächsten Alben der Band, das im August 1975 veröffentlichte "Dog Days", sowie "Red Tape", im April 1976 erschienen, verkauften sich wieder eher moderat und vor allem weniger gut als das dritte Werk "Third Annual Pipe Dream". Es fehlte der Band auch ein potentieller Nachfolge-Hit für "Doraville". Entgegen der eher flauen Plattenverkäufe konnten sich Atlanta Rhythm Section jedoch als ausgepsrochen gute Liveband profilieren. In jener Zeit spielte die Gruppe viele Konzerte, darunter Auftritte als gefeierte Headliner ebenso wie Gigs als Vorgruppe, beispielsweise für The Who im Gator Bowl Stadium in Jacksonville, Florida und für die Rolling Stones im Auditorium in West Palm Beach, Florida - beide Konzerte im August 1976. Danach ging die Gruppe erneut ins Studio, um ihr nächstes Album einzuspielen, das viel von der Erfahrung und der sich inzwischen angeeigneten Dynamik auf den Konzertbühnen in den neu verfassten Songs erkennen und Grosses erahnen liess. "A Rock And Roll Alternative" erschien schliesslich im Dezember 1976 und startete regelrecht durch die Decke: Platz 13 in den Billboard Charts und eine Goldene Schallplatte im Frühjahr 1977. Auch einen Single-Hit gab es wieder, nach "Doraville" war die erste aus dem Album ausgekoppelt Single "So Into You" ebenfalls ein grosser Hit, der die Band den Rang 7 am 30. April 30 1977 bescherte. Wenn man bedenkt, dass zu dem Zeitpunkt gerade di Punkwelle so richtig losbrach, war das mehr als ein Achtungserfolg für ein laidbackes Stück, das pure kalifornische Sonne auszustrahlen vermochte.

Am 4. September 1977 spielte die Atlanta Rhythm Section ihre bis dato grösste Show am Dog Day Rockfest in Atlanta's Grant Field auf dem Campus des 'Georgia Institute of Technology'. Die erfolgreichen und bekannten Bands Heart und Foreigner waren die Opening Acts und Bob Seger And The Silver Bullet Band zusammen mit der Atlanta Rhythm Section die Headliner. Im Januar 1978 veröffentlichte die Band nur wenige Monate später dann ihr nächstes Album, das als grösster Erfolg der Band gefeiert werden würde: "Champagne Jam", das mit dem Titel "Large Time", einem Tribute Song zu Ehren der Gruppe Lynyrd Skynyrd, von welcher einige Mitglieder im Oktober 1977 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, einen weiteren Hit abwarf. "Champagne Jam" wurde ihr meistverkauftes Album: Über eine Million Stück wurden verkauft und die Gruppe erhielt dafür eine Platin-Auszeichnung. Das Werk lieferte zwei weitere Single-Hits mit "Imaginary Lover", die es bis auf Rang 7 in den Charts schaffte, sowie "I'm Not Gonna Let It Bother Me Tonight", das Rang 14 erreichte. Am 24. Juni 1978 spielte die Atlanta Rhythm Section am populären Knebworth Festival in Knebworth, England vor einem begeisterten Publikum von 60000 Fans, und sie teilten sich die Bühne mit Genesis, Jefferson Starship, Tom Petty And The Heartbreakers, Brand X, Devo und Roy Harper. Am 26. August 1978 spielte die Band an der Canada Jam im Mosport Park in Bowmanville, Ontario vor der grössten Fankulisse bis anhin: Ueber 110000 Fans waren gekommen, um die Band zu sehen, die sich dort die Bühne mit den Doobie Brothers und den Commodores teilte.

Nur eine Woche später war klar, dass die Band inzwischen ganz oben angekommen war. Sie stemmte ein eigenes Live-Spektakel am 3. September 1978, betitelt "Champagne Jam", in Grant Field am Georgia Tech und spielten dort zusammen mit Santana, den Doobie Brothers, Eddie Money, Mose Jones und Mother's Finest. Drei Wochen später erhielten Atlanta Rhythm Section vom damaligen amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter eine Einladung zum 28. Geburtstag von dessen Sohn Chip im Weissen Haus. Das nächste Studioalbum "Underdog" erschien im Juni 1979 und warf wiederum Top 20 Hits ab: "Do It Or Die" (Platz 19) und "Spooky" (Platz 17), ein Remake eines Songs aus der Feder von J.R. Cobb and Buddy Buie, den diese schon 1968 mit ihrer alten Formation Classics IV in die Hitparade gebracht hatten. 1979 überwarf sich der Schlagzeuger Robert Nix mit dem Bandmanager und Produzenten Buddy Buie. Anlass waren unterschiedliche Ansichten über die zukünftige musikalische Ausrichtung der Band. Nix wollte eine wesentlich Rock orientiertere Richtung einschlagen, während Buie weiterhin auf die Erfolgsformel melodiösen Poprock setzen wollte. Der Rest der Band war ebenfalls auf Buddy Buie's Seite, und so wurde Robert Nix entlassen. Für ihn kam Roy Yeager neu in die Band.

An der 'Champagne Jam II' am 7. Juli 1979 im Georgia Tech spielten Atlanta Rhythm Section zusammen mit Aerosmith, The Cars, den Dixie Dregs und Whiteface. Im Oktober erschien eine Zusammenstellung der besten Momente in Form des Doppelalbums "Are You Ready". Nebst allen bisherigen Hits der Gruppe konnte auf diesem Doppelalbum auch das Lieblingsstück der Fangemeinde gehört werden: Das überlange "Another Man's Woman" inklusive einem phantastischen Bass-Solo von Paul Goddard. Das nächste Studioalbum war dann "The Boys From Doraville", das im August 1980) erschien und das leider nicht mehr so oft im Radio gespielt wurde, weil sich inzwischen die New Wave dort breitgemacht hatte und zum Trend der Zeit wurde. Der Stern der Atlanta Rhythm Section begann kontinuierlich zu sinken, zumindest was Plattenverkäufe anbetrifft. Live waren sie nachwievor eine grosse Attraktion. Weil das Album "The Boys From Doraville" letztlich keine Hit-Single abwarf, löste Polydor den Vertrag mit der Band auf.

Bruce Lundvall offerierte einen Deal mit Columbia Records (CBS), welche das nächste Album "Quinella" im August 1981, das den Hit "Alien" abwarf, veröffentlichte, als Album - nunmehr unter dem Bandnamen ARS veröffentlicht - jedoch weit hinter den Erwartungen der Platttenfirma zurückblieb, weshalb das Label den Vertrag vorzeitig wieder kündigte, obwohl der Vertrag eigentlich die Veröffentlichung von zwei Langspielplatten umfasste, und obwohl für ein weiteres Album auch bereits Aufnahmen getätigt wurden, die dann letztlich unveröffentlicht blieben. diese Aufnahmen kamen 1982 zustande und das entsprechende Album hätte den Titel "Longing For A Feeling" tragen sollen. Schliesslich quittierte auch Ronnie Hammond den Dienst in der Band, weil er eine Solo-Karriere anstrebte. Ab diesem Zeitpunkt wechselte das Line Up der Band häufig und eine erfolgreiche und weitreichende Zusammenarbeit war praktisch nicht mehr möglich. Schliesslich stand die Band auch ohne Vertrag da, weil auch ein weiteres Album, das eingespielt wurde mit neuen Musikern unveröffentlicht blieb.

Erst im Jahre 1988 kamen Hammond, Bailey und Daughtry wieder zusammen, spielten neue Aufnahmen im Studio ein mit Sean Burke und zwei neuen Musikern: Brendan O'Brien (Gitarre) and J. E. Garnett (Bass). Mit dem sehr bekannten Produzenten Rodney Mills spielten ARS nunmehr einen forscheren, rockigeren typischen 80er Jahre Sound. Veröffentlicht im Oktober 1989 auf dem CBS/Epic Sub-Label Imagine Records, bedeutete "Truth In A Structured Form" das erste Album der Band seit acht Jahren. Auffällig war der bombastisch wirkende Schlagzeug-Sound und die dominierenden Synthesizer-Passagen, nebst rockigen Gitarrenläufen von Brendan O'Brien. Auf Tournee wollte O'Brien mit der Band allerdings nicht gehen, weil er als Produzent sehr gefragt war und in Diensten etwa von Bob Dylan, Pearl Jam oder Bruce Springsteen stand. Das Album wurde auch wieder kein Verkaufshit, und so spielte die Band zwar weiterhin teilweise erfolgreiche Tourneen, aber die Plattenverkäufe liessen immer mehr nach. Eine live im Studio eingespielte Platte namens "Atlanta Rhythm Section '96", veröffentlicht auf dem CMC International Label erschien im April 1996 und "Partly Plugged" im Januar 1997 auf dem Independent Southern Tracks Label. Es folgte das Album "Eufaula" (1999) und ein bemerkenswertes Reunion-Konzert im Jahre 2000 am Riverbend Festival in Chattanooga, Tennessee vor bemerkenswerter Kulisse: 150000 begeisterte Zuhörer feierten die Gruppe frenetisch. Es war jedoch leider der letzte wirkliche Erfolg für die Band, die danach noch viele Jahre weiterspielte, jedoch die kommerziellen Erfolge der 70er Jahre nicht mehr wiederholen konnte.










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