ELLIOTT MURPHY - Aquashow Deconstructed (Route 61 Music RT612015001, 2015)
"Aquashow Deconstructed" bedeutete die spannende Rückkehr eines inzwischen legendären Kultalbums.Gut 40 Jahre nach Erscheinen seines 1973er Debutalbums "Aquashow" hatte der ungebrochen aktive und besonders in Europa äusserst beliebte New Yorker Sänger und Songschreiber Elliott Murphy mit Wohnsitz in Paris jenes schon lange vergriffene Meisterwerk aus dem Archiv geholt und von jeglicher musikhistorischer Patina befreit. Sämtliche Titel des damaligen Albums wurden signifikant umarrangiert und mit der geballten Lebenserfahrung eines vitalen Rock'n'Rollers in den Mittsechzigern unter tatkräftiger Studioassistenz seines Sohnes neu eingespielt und zeitgemäss produziert. Auf "Aquashow Deconstructed" präsentierte Elliott Murphy alle zehn Songs des ursprünglichen Albums in seinem typisch intensiven Erzählstil und in der Originalreihenfolge von damals. Auch in den neuen Gewändern hatten die intensiven Songs nichts von ihrer ursprünglichen Dringlichkeit und Relevanz eingebüsst, und es schien einfach nur gerecht, dass ihnen so viele Jahre später ein zweites Dasein geschenkt wurde, vielleicht verbunden mit ein bisschen später Hoffnung auf Erfolg, der dem Original "Aquashow" damals leider nicht vergönnt war.
Elliott Murphy gehörte im New York der 70er Jahre zu einer ganz neuen Ära der intellektuellen Rock Troubadour und Storyteller-Szene, die auf Basis von Bob Dylan und Lou Reed mit der Musik von Bruce Springsteen bis David Bowie flirtete. Mit "Aquashow" und solcher Folgewerke wie "Lost Generation", "Night Lights" oder "Just A Story From America" wuchs er zu einem der hoffnungsvollsten, ambitioniertesten Singer Songwriter, der modern klang und sich in seinen Texten mit dem kulturellen Zeitgeist befasste; ein Exzentriker, ein Individualist. Seit jenen Zeiten mit dem Fluch oder Segen des "New Dylan" stand Elliott Murphy nicht mehr so im internationalen Rampenlicht, wie es hätte geschehen können, wenn er nicht Ende der 80er Jahre von New York City weggezogen wäre, um in Frankreich sein Glück und anspruchsvollere künstlerische Herausforderungen zu suchen, wenn er sich nicht ganz bewusst der Major Label-Option verweigert hätte, um lieber bei kleinen unabhängigen Firmen seine Vorstellungen durchzusetzen und eine Art 'letzter aufrechter Rock'n Roll-Bohemian' für sich zu kultivieren. Hier in Europa allerdings hatte er sich mit zahlreichen Veröffentlichungen und häufiger Präsenz in all den einschlägigen Clubs des Kontinents einen klangvollen Namen als hervorragender Entertainer erarbeitet, dem man die Lust zu rocken sofort abkaufte und der immer in der Lage war, sein Publikum mit dieser markanten sonoren Sprechstimme zu hypnotisieren. Ein denkender, belesener, literarisch ambitionierter Amerikaner, der den Lauf dieser Welt durch eine europäische Brille betrachtet.
Seine starken Alben "Elliott Murphy" (2010) und "It Takes A Worried Man" (2013) bildeten sogar das eigens für ihn erfundene Genre "Murphyland", jenes spezielle Gebräu aus Roots und Rock'n'Roll, bildhafter, cinemaskopisch geprägter Musik und grenzenloser Troubadour-Power, mit neuem Leben zu füllen. Auf "Aquashow Deconstructed" ging Murphy diesen Weg stilistisch und soundtechnisch konsequent weiter, schlug aber inhaltlich einen grossen Bogen zurück zu seinen allerersten Songs, von denen einige bis heute zum permanenten Live-Repertoire des Künstlers gehören. Das originale Album "Aquashow" entstand 1973 unter Bezugnahme auf das gleichnamige Freiluft-Theater seines Vaters in den 50er Jahren und unter den fremden Eindrücken eines ersten längeren Aufenthalts in den Strassen der trendigen Hauptstädte Europas wie Rom, Paris, Amsterdam. Seine Songtexte waren geprägt von den grossen Literaten der 20er Jahre wie Hemingway oder Fitzgerald und den Auswirkungen der Verluste seiner musikalischen Helden Hendrix, Morrison und Joplin auf die Rock'n'Roll-Szene. So ging es im Song "Hangin' Out" um die emotionale Leere des Nachtlebens, "Like A Great Gatsby" (wegen möglicher Urheberrechts-Probleme damals auf einigen Pressungen auch alternativ "Like A Crystal Microphone" betitelt) war logischerweise eine direkte Anspielung auf die legendäre F. Scott Fitzgerald-Figur, genauso wie die Monroe im Song "Marilyn" als tragisches Opfer ihres fremdbestimmten Images besungen wurde.
"How's The Family", "Hometown" und besonders der intensive "White Middle Class Blues" verhandelten in düsterer Bob Dylan und Lou Reed Manier den Verlust von traditionellen Werten, scheinheilige Familienidyllen und das langweilige Leben in der behüteten weissen Mittelschicht. Allerdings war es dem kongenialen Albumstarter "Last Of The Rock Stars" vorbehalten, schon damals den grössten Eindruck, unter anderem bei den angesagten Rock-Kritikern der Ära wie Lester Bangs, Robert Christgau, oderDave Marsh, zu hinterlassen und bis heute einen gewichtigen Platz in der umfangreichen Werkschau Murphy's einzunehmen. So deutlich, wie dieser Song umgestaltet, entschleunigt, also im wahrsten Sinne des Wortes 'dekonstruiert' wurde, war man auch mit den übrigen Songs der damaligen Platte verfahren. Gaspard Murphy, der sich bereits seit einigen Jahren immer stärker in die Studioarbeiten seines Vaters einbrachte und dieses Remake produziert und gemixt hatte, kredenzte dazu diverse Instrumentaldarbietungen an der Gitarre, am Bass, an den Keyboards und sogar Perkussion sowie Chorstimmen. Der famose französische Gitarrist Olivier Durand, seit Ende der 90er Jahre bereits ein treuer Begleiter von Elliott Murphy, bot gewohnt delikate Beiträge an der Gitarre, spielte dazu Dobro und Mandoline, am Schlagzeug sass Tom Daveau und ein Streicherduo veredelte den finalen Song "Don't Go Away".
Es blieb dem Protagonisten höchstpersönlich vorbehalten, dieser inspirierten Studiosession seinen Stempel aufzudrücken: an diversen akustischen und elektrischen Gitarren, verschiedenen E-Pianos, einer dylanesken Folk Harp und -natürlich mit diesem unverwechselbaren, sympathisch-kauzigen Sprechgesang, der die alten Songs in den aufgefrischten Versionen sogar noch reifer und glaubwürdiger wirken liessen. Und auch der etwas selbstironisch auf das damalige Cover bezugnehmende weisse Anzug im Dandy Look sass bei den Fotoaufnahmen für "Aquashow Deconstructed" nicht schlechter. So war Elliott Murphy quasi vom Scheitel bis zur Sohle ein rundum überzeugendes Tribut an sein kultiges Erstwerk gelungen, das es wert ist, noch einmal entdeckt zu werden. Vielleicht gemeinsam mit dem damaligen 'Original' "Aquashow ?
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