Oct 20, 2016


THE OZARK MOUNTAIN DAREDEVILS - The Ozark Mountain Daredevils 
(A&M Records SP-4411, 1973)

Manch eine Platte ist wie ein treuer Freund, den man seit Jahrzehnten kennt und der immer wieder mal zum gemütlichen schnacken und zu einem lecker Bierchen vorbeischaut, und mit dem man sich die vielen kleinen und unspektakulären Geschichtchen des Lebens teilt, die man sich seit dem letzten Treffen nicht mehr erzählt hat. So eine Platte ist für mich das Debutalbum der amerikanischen Country Rock-Band The Ozark Mountain Daredevils. Die Band brachte ihr Erstlings-Werk zu einem Zeitpunkt heraus, da die erste Welle des amerikanischen Country Rocks bereits am abflauen war: Die Byrds kamen langsam aber sicher an ihr kreatives Ende und in den USA machte sich die Disco-Welle breit. In Europa spalteten sich die Country Rock Bands indes ab in zwei unterschiedliche musikalische Lager: Die einen wechselten zum Pub Rock, indem sie ihrem Country Rock eine gute Portion Rock'n'Roll beifügten, die anderen mutierten zu hundsnormalen Rockbands, die sukzessive auf die typischen Country-Elemente verzichteten.

Die Ozarks kamen von Anfang an mit dieser Mischung in die Szene: Sie kannten keine stilistischen Grenzen, weshalb es in den folgenden Jahren auch zahlreiche Musikkritiker nicht schafften, die Musik der Band klar einzuordnen, was letztlich aber klar für die Band spricht. Oft wird die Gruppe in Zusammenhang mit Southern Rock gebracht, was falsch ist, denn typischen Südstaaten-Rock hat die Band nie gespielt, auf keinem ihrer Alben findet sich auch nur annähernd ein Song, der dem klassischen Southern Rock zugeschrieben werden könnte.  Richtig ist viel eher, dass die Ozarks eine Band mit starker traditionalistischer Verbundenheit war und sich die folkloristischen Merkmale der Musik aus ihrer Heimat Missouri auf die Fahne geschrieben hatte, mit Kansas City als dem musikalischen Schmelztiegel, der Synonym ist für zahlreiche musikalische Strömungen wie Soul, Blues und Rock'n'Roll. Zu ihren folkloristischen Ideen spielten die Ozarks einen dem Pop und dem Rock'n'Roll zugewandten, manchmal gar Artrock-ähnlichen Sound, der vor allem auf ihrem dritten Album "The Car Over The Lake Album" am ausgeprägtesten zu hören war. Das Debutalbum indes war noch stark countryesk ausgefallen und zeigte auch klassische Rock'n'Roll-Muster, welche ihnen beispielsweise mit dem Song "If You Wanna Get To Heaven" auch den ersten mittelgrossen Hit bescherten. Was die Band aber auf ihrem Debutalbum vor allem zeigte, war diese ungemeine Lässigkeit, die ausgesprochen fröhliche Lockerheit, welche vergleichbaren Bands oder Platten teilweise einfach fehlte.

Schon mit dem Opener "Country Girl" ging die Schunkelei los. Dieser Song bediente sich all jener Zutaten, die den klassischen Countryrock definierten und brillierte gleich zu Anfang an mit wundervoll unspektakulärem Songwriting, perfektem mehrstimmigem Gesang und einer lockerleichten Inszenierung. Bemerkenswert ist, dass die Platte nicht nur in den USA, sondern auch in England, Kanada, Japan und Deutschland erschienen war. Gerade in England nahm man die Platte ungewöhnlich interessiert zur Kenntnis, denn rein von der Atmosphäre her passte sie gut zu typisch britischen Vertretern dieses Musikstils, wie etwa Brinsley Schwarz oder auch Country Gazette, der Band mit dem Countryfiddler Byron Berlin. Mit "If You Wanna Get To Heaven" zeigte die Band einen astreinen Rock'n'Roll, der seine Wirkung beim Publikum nicht verfehlte. Die von einer prägnanten Mundharmonika geprägte Nummer enterte die amerikanischen Singles-Charts. 

Das durch aus Patchwork-Stoffstücken zusammengesetzte Plattencover machte die Platte auch als das sogenannte "Quilt"-Album bekannt. Die beiden Erfolgs-Produzenten David Anderle und Glyn Johns (letzter hatte einige Monate zuvor bereits das Debutalbum der Eagles produziert) setzten mit dem Erstlingswer der Ozarks genau dort an, wo Glyn Johns auch bei den Eagles ansetzte: Country soll zwar noch vorhanden sein, die Band insgesamt aber nicht als Country-Band assoziiert werden, ein Erfolgsrezept, das Glyn Johns zuvor bei den Eagles erfolgreich lanciert hatte. Die erste LP der Ozark Mountain Daredevils ernteten aber natürlich nicht denselben Erfolg wie das Debutalbum der Eagles. Immerhin konnte sich die Singleauskopplung "If You Wanna Get To Heaven" bis auf einen respektablen Rang 25 in der Hitparade vorarbeiten, währenddem das dazugehörige Album eine Chartsplatzierung verfehlte.

Ergreifend schöne Balladen wie das aus der Feder von Larry Lee stammende verträumte "Spaceship Orion" oder das wehmütig-sehnsuchtsvolle "Within Without", ebenfalls geschrieben von Larry Lee, standen neben wundervoll fluffigen Uptempo-Nummern wie dem akustisch gehaltenen, schnellen "Standing On The Rock" oder dem Mitsing-Schunkler "Beauty In The River", beide komponiert von Gitarrist und Sänger John Dillon. Daneben überzeugten auch die Songs "Black Sky" von Steve Cash, "Road To Glory" von Randle Chowning und der vor allem live immer für eine tolle Stimmung sorgende "Chicken Train" von Steve Cash, bei welchem an Konzerten nicht nur die Bandmitglieder, sondern auch das Publikum jeweils ausgedehnte Hühner-Gackereien intonierten. Herrlich! 

Ueberhaupt war es während der nicht allzu langen Karriere der Band meist so, dass alle Bandmitglieder in perfekt demokratischer Weise ihre Songideen verwirklichen konnten. Jedes Mitglied der Gruppe durfte seine eigenen Songs komponieren, ab und zu gab es auch Kollaborationen, dann zumeist von John Dillon und Steve Cash. Ein Beispiel, bei welchem die beiden Genannten gemeinsam eine Traumnummer schrieben, findet sich im "Colorado Song", einem Titel, in welchem sich alle stilistischen Ingredienzien der Ozark Mountain Daredevils vereint finden: Verhalten-zaghafter Balladenaufbau, gefolgt von einem folkrockigen Mittelteil bis hin zu einem sehnsuchtsvollen Rock-Teil mit fast hymnenhaftem Gitarren-Solo. Schon mit dem im darauffolgenden Jahr erschienenen zweiten Album "It'll Shine When It Shines" durften die Musiker der Ozark Mountain Daredevils dann den endgültigen Durchbruch feiern. Doch auch dieses Debutalbum besass schon alle qualitativen Merkmale der späteren Erfolgs-Platte.







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