Oct 4, 2016


JIMMY CAMPBELL - Half Baked (Vertigo Records 6360 010, 1970)

Einer der vielen obskuren britischen Musiker der mittleren und ausgehenden 60er Jahre, die sich kommerziell ziemlich erfolglos im Folk und Folk-Rock Bereich betätigten, war der in Liverpool geborene Jimmy Campbell, der während seiner gesamten aktiven Musikerkarriere gerade mal drei Singles und drei Alben einspielte, dies zudem noch bei drei verschiedenen Plattenlabels. Sein Debutwerk "Son Of Anastasia" erschien 1969 bei Fontana Records, das nachfolgende "Half Baked" ein Jahr später bei Vertigo Records und das finale Album "Jimmy Campbell's Album" 1972 bei Philips. Dazwischen machte er noch mit der Band Rockin' Horse auf sich aufmerksam, die 1971 ein hervorragendes Power Pop-Album voller Anleihen an die Beatles veröffentlichte, Titel "Yes It Is", das leider ebenso unbeachtet blieb wie praktisch sein gesamtes anderes Solo-Werk. Dabei war Jimmy Campbell nun so ein Unbekannter auch nicht. Schon früh in den 60er Jahren tauchte er zunächst als Solo-Folkie in Clubs und Pubs auf, spielte mit akustischer Gitarre zumeist Traditionals und erste eigene Folklieder, von denen er später einige wieder aufgriff und in Bandarrangements gekleidet neu einspielte.

Der Sänger, Gitarrist und Songwriter arbeitete danach als Mitglied der Merseybeat Band The Panthers, die unter anderem mit den Beatles im legendären Liverpooler Cavern Club spielten. Danach stieg er bei der Beatband The Kirbys ein und landete schliesslich bei der Psychedelik Pop-Combo The 23rd Turnoff, die einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichten mit ihrer Single "Michael Angelo". Durch die Zusammenarbeit mit The 23rd Turnoff wurde schliesslich das Plattenlabel Fontana Records auf den Songwriter und Sänger aufmerksam und bot ihm einen Plattenvertrag als Solokünstler an. Die Idee dahinter schien nachvollziehbar: Die Firma sah in Jimmy Campbell eine weitere Donovan-ähnliche Figur, ein Musiker, der gute Songs schreiben konnte und diese folkig-traurige Aura verströmte, die sich zu der Zeit relativ gut vermarkten liess. Der immer etwas melancholisch-verträumt wirkende Campbell begann, die Lieder zu seinem Debutalbum zu schreiben, das er schliesslich unter dem Titel "Son Of Anastasia" auf den Markt brachte. Leider war die Resonanz auf das Werk gleich null, was die Plattenfirma dazu bewog, auch sogleich wieder die Notbremse zu ziehen. Es gab damals einfach zu viele interessante Nachwuchskünstler, und so gab man kaum einem dieser Musiker mehr als eine Singles- oder Albumchance.

Auch der Wechsel zum Underground-Label Vertigo Records dürfte eine schlechte Wahl gewesen sein, denn Vertigo Records stand für progressive Musik, und Jimmy CAmpbell's zweites Werk "Half Baked" wirkte zwischen all den obskuren Veröffentlichungen des Labels schon fast wie ein Fremdkörper. Dabei wies das Album eine Fülle an hervorragenden Geschichten auf, die manchmal sehr an Bob Dylan erinnerten, nicht nur, was die Songtexte betraf, sondern auch bezogen auf die instrumentale Umsetzung. Manch ein Titel auf "Half Baked" klingt fast schon wie die ersten Aufnahmen von Bob Dylan mit The Band und weisen da und dort ein bisschen deren "Basement Tapes" Charakter auf. Der Titelsong "Half Baked" war als Favorit gehandelt worden und Vertigo Records versuchte, den Song populär zu machen, so nahm das Label den Titel auch auf einen ihrer spärlichen Label-Sampler mit drauf ("The Vertigo Annual"). Das Echo blieb allerdings aus, die Single floppte ebenso wie das dazugehörige Album, sodass auch Vertigo die Reissleine zog.

1972 folgte Campbell's letztes Album, schlicht "Jimmy Campbell's Album" betitelt. Diesmal war der Musiker bei Philips Records untergekommen, das jedoch nicht einmal mehr eine Single aus dem Werk auskoppeln mochte, nachdem Jimmy Campbell im Jahr zuvor mit seiner Band Rockin' Horse das brilliante, aber erfolglose Werk "Yes It Is" veröffentlicht hatte. Ohne jegliche Resonanz bei den Musikkäufern blieben die beiden aus dem Album ausgekoppelten Singles "Biggest Gossip in Town" und "Stayed Out Late Last Night", weshalb Philips nach dem weiteren Soloalbum den Künstler fallen liess.

Eine weitere Enttäuschung ist das Werk "Half Baked" auch für die brettharten Vertigo Swirl-Sammler. Erzielen originale Swirl-Langspielplatten teils exorbitante Preise auf dem 2nd Hand Markt, so findet man die LP von Jimmy Campbell immer wieder sehr günstig. Dies, weil Vertigo Records eine recht hohe Auflage der Platte produzierte, weshalb die Preise für ein Original nie sonderlich angestiegen sind. Die Platte ist also selbst unter Sammlern noch heute unpopulär, ganz genauso wie die Musik damals, als sie erschien. Das widerspiegelt indes in keinster Weise die womöglich nicht vorhandene Qualität der Songs auf dieser Platte. Jimmy Campbell scheint einfach stets zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein, denn seine Musik klingt bis heute frisch, positiv, ja manchmal fast fröhlich und humorvoll. Jedenfalls gibt es viele andere Scheiben, an denen der Zahn der Zeit sehr viel mehr genagt hat und die heute bestenfalls noch den Nostalgiebonus erhalten. "Half Baked" gehört da mit Sicherheit nicht dazu. Campbell zog sich nach seinem dritten und letzten Solo-Album aus dem Musikbusiness zurück, er starb im Jahre 2007 im Alter von 63 Jahren.


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