THE SEVENS - The Sevens (Layola Records LY 70'011ST, 1966)
The Sevens gehörten zweifellos zu den grossen Wegbereitern der Popmusik in der Schweiz (damals Beat genannt), bezeichnete man sie doch als eine der markantesten Schweizer Bands der 60er Jahre. Sie waren Pioniere in einer Zeit, in der es noch keine für die Musikszene spezialisierten Journalisten gab. In den damaligen Presseartikeln ging es eigentlich nie um die Musik an sich, sondern immer nur um deren Begleiterscheinungen wie Krawalle, schreiende Fans und Lärmbelästigung. Dabei gaben die seinerzeitigen Verstärker nicht mehr als 150 Watt her. Die Bild- und Tontechnik steckte sozusagen noch in den Kinderschuhen. Damals kam bei TV-Aufnahmen beispielsweise der Tonmeister in Arbeitsschürze daher und erkundigte sich, wohin er das einzige Mikrophon stellen solle. Aehnliches erlebte man auch in den Musikstudios. Niemand wusste so richtig, wie mit dieser Musik umzugehen ist. Auch die Auftritte waren in der Regel sehr amateurhaft organisiert. Ab und zu wurde die Polizei nervös und stellte kurzerhand den Strom ab! Das Phänomen war neu. Diese Musik war der Schweiz voraus. Sie gehörte der Jugend. Eine neue Aera war angebrochen.
The Sevens wurden im Februar 1964 gegründet, unter dem Namen Les Pirates. Schon die erste Besetzung der Band, die Gebrüder Nando (Schlagzeug) und Pino Gasparini (Leadgitarre), Charles Gemperli (Leadgesang, Rhythmusgitarre) und Michel Bovay (Bass), überraschte. Die Piraten entwickelten sich sowohl in musikalischer als auch in optischer Hinsicht rasant. Wild und für die damaligen Verhältnisse laut spielten sie höchst gekonnt den von England her über den Kontinent schwappenden Beat. Die Musiker hatten den Beatsound und -look äusserst gut drauf und ihre attraktive Show riss die Zuhörer und Zuschauer völlig mit. Nachdem Charles Gemperli aus gesundheitlichen Gründen die Band verlassen musste, wurde die entstandene Lücke rasch mit Pierre Aebischer gefüllt, einem alten Bekannten der Gebrüder Gasparini aus einer früheren Band. Die Pirates eroberten bei ihren Auftritten in der ganzen Schweiz die Herzen der boomenden Szene, und so nahmen die Träume, Profis zu werden, immer konkretere Formen an.
Am 1. August 1965 erfolgte der Startschuss in eine intensive, zuweilen auch hektische Phase. Die Band verstärkte sich mit dem Organisten Markus Hungerbühler, dessen schriller Orgelsound den Pirates etwas Modernes, Eigenständiges verlieh. Am gleichen Tag wurde bei Layola Records, dem Plattenlabel des Geschäftsmannes John Lay zudem ein Plattenvertrag unterschrieben, und noch in derselben Woche standen die fünf Musiker im Aufnahmestudio, um - wohlgemerkt im ersten Take - die beiden Singles "Seven" und "Be My Loving Baby" aufzunehmen. Die ursprünglich für einen Sampler mit Schweizer Bands gedachten Eigenkompositionen begeisterten den Aufnahmeleiter derart, dass er mit den Pirates möglichst bald eine ganze LP aufnehmen wollte. Und so wurde über's Wochenende fleissig komponiert, eingeübt und im Playback-Verfahren auch gleich aufgenommen. Die immense Energie und Kreativität der Band erreichte ein solches Ausmass, dass Giorgio Moroder, seinerzeitiger Berater und Produzent im Auftrag von Layola Records, die Burschen zwischenzeitlich beiseite nahm, um sie ein wenig zu bremsen. Kurz vor der Veröffentlichung der LP bemerkte man bei Layola, dass in Frankreich bereits eine Band mit dem Namen Les Pirates existierte. Um allfällige Verwechslungen oder gar Schwierigkeiten zu vermeiden, wurde die Gruppe aufgefordert, sich in aller Eile einen neuen Namen zuzulegen. Und so sollte die simple Idee, sich ganz einfach nach der ersten Single zu benennen, zu einem neuen, vielbeachteten Markennamen in der Schweizer Beatszene werden.
Mit der entstandenen LP waren die Musiker alsdann gar nicht zufrieden, da die Bänder vor dem Pressen ohne ihr Wissen nachbearbeitet und die Qualität der Aufnahmen massiv verschlechtert wurden. Auf einer Probepressung klingt die Band eindeutig frischer, lebendiger, ungeschliffener, ganz einfach um einiges besser. Ueberhaupt: The Sevens waren auf der Bühne eindeutig stärker als auf ihren Platten. Das erste Profi-Engagement hatten die Sevens im November 1965 in Solothurn. Als sie etwa ein halbes Jahr später für ein Konzert hierher zurückkehrten, spielten sich in der Kleinstadt Szenen ab, die man eher von England her kannte: Eine Unmenge vor Begeisterung tobenender Fans, Polizei- und Feuerwehreinsatz, um den fünf Musikern die Flucht aus dem Gebäude zu ermöglichen, stundenlanges Skandieren der Menschenmasse auf der Strasse und neckische Stars, die von Hotelfenstern aus Autogrammkarten in den Nachthimmel streuten.
So nahe wie die Sevens war keine andere Schweizer Gruppe an der Bealtemania. Wilde Verfolgungsjagden durch kreischende Fans, polizeiliche Schutzkordons, heruntergelassene Brandschutzwände, um die Erstürmung der Bühne zu verunmöglichen. Die Tumulte waren wohl und vor allem auchdem Look der Basler zuzuschreiben. Mit ihrer gepflegten Haartracht, ihrer Selbstsicherheit und ihrem gestylten Auftreten in hochelegantem Outfit wirkten sie höchst anziehend. In einer der Nachbetrachtungen über die Sixties in der Schweiz wurden die Sevens wie folgt beschrieben: "Pierre kokettierte mit der Rolle des jugendlichen Herzensbrechers, Michel posierte als in sich gekehrter Denker, Muggi war der Typ zum knuddeln, und Nando und Pino versprühten südländischen Charme. Kein Zweifel: Die Sevens waren die erste Schweizer Boygroup. Keine gitarrenklimpernden Kumpels aus der Parallelklasse, nein, richtige Stars". Das gepflegte Erscheinungsbild der Band gipfelte darin, dass der von Nando entworfene Bühnen-Veston im Konfektionshaus Herren-Globus, im "Globe Dress Club", zum Renner der Saison 1965/66 wurde. Die Sevens trugen zum schwarzen Veston meist weisse Hemden mit schmalen Krawatten sowie schwarz-grau gestreifte Hüfthosen mit Latz und Knopfreihen. Dass auch die Medien auf die Basler aufmerksam wurden. liegt auf der Hand, und so kam die Band auch zu Radio- und Fernsehauftritten.
Harter Rhythm'n'Blues stand den Burschen von Anfang an näher als poppige Liebeslieder. Als einzige Schweizer Band ihrer Zeit legten sie ein Schwergewicht auf Eigenkompositionen und hielten sich bei der Uebernahme von Pflichtstoff aus den Hitparaden sehr zurückhaltend. Dem Druck des schnöden Kommerzes konnten jedoch auch sie sich nicht gänzlich entziehen. Uum einen Hit zu erzwingen, bedrängte Layola Records Ende 1965 die Sevens, den Song "Balla Balla" aufzunehmen, von dem eine Demo-Version der deutschen Gruppe The Rainbows vorlag. Obwohl dieser Sound und das Stück selbst bei ihnen auf völliges Missfallen stiess, wehrten sie sich nicht oder zumindest zuwenig gegen das Ansinnen. Noch lange sauer aufgestossen ist den Musikern dann die unglaublich unprofessionelle Art der Aufnahme: an einem Sonntagnachmittag in einem Zürcher Schulzimmer und mit völlig amateurhaften Mitteln - einem Revox Tonbandgerät, einem wohl selbstgebastelten Mischpult und nur einem Mikrophon. Im Wissen um den begangenen Fehler insistierte die enttäuschte Band, dass die Platte unter ihrem alten Namen Les Pirates erscheinen sollte. Bei der etwa gleichzeitig mit dem Original auf dem Markt erscheinenden Single kam es schliesslich, wie es kommen musste: Sie wurde ein Flop, während die Rainbows tatsächlich den vorausgesagten Erfolg einheimsen konnten.
Interessant bleibt immerhin, dass Layola bei ihrer Ausgabe auf dem Plattencover tatsächlich Les Pirates angibt, auf der Plattenhülle jedoch The Sevens. Ihre ungeheure nationale Popularität verhalf der Band zu sehr vielen Auftritten. Bemerkenswert war die Mammut-Tournee "Beat 66", die sie zusammen mit den SLAVES, einer aggressiven Gruppe aus Oesterreich, während 43 Tagen bzw. Nächten in die grösseren Orte und in zahlreiche Kleinstädte führte. Ob Stadt oder Provinz, das Bild war überall das gleiche: kreischende Teenies in übervollen Sälen und Lokalen, hin und wieder aber auch Aufruhr und Tumult, was zum Einsatz von Ordnungskräften führte. Auch im benachbarten Ausland feiertne die Sevens Erfolge. Sie tourten zusammen mit den LORDS während zwei Monaten quer durch Deutschland und gaben anschliessend noch etwa zwälf Konzerte in den heimischen Gefilden.
Als Markus "Muggi" Hungerbühler als erster die Band verliess, weil er seine eigenen Ideen zuwenig einbringen konnte, beschlossen die anderen vier, die vakante Position nicht neu zu besetzen und sich vermehrt dem Ausland zuzuwenden. Im Anschluss an verschiedene Auftritte in Deutschland sowie einer dreimonatigen Tournee durch skandinavische Länder, wo sie als Stars gefeiert wurden, standen in Zürich wieder Studioaufnahmen für die neue Single "I'm Not The Right" und "Run Me Down" aufdem Programm. Nach einer Schweizer Tournee der Sevens mit CASEY JONES kam es dann zu einer Wende: Pierre und Nando entschlossen sich ebenfalls, die Band zu verlassen und wieder in ihre angestammten Berufe zurückzukehren. Sie konnten sich mit dem angestrebten musikalischen Neubeginn der Band mit psychedelischen Klängen und Flowerpower nicht anfreunden.
In neuer Besetzung mit Peter Schäfer am Schlagzeug und Jelly Pastorini an der Orgel verblüfften die Sevens in der Folge mit brilliantem, sattem Sound, tollen Stücken und poppigen Kleidern. Es folgten starke Auftritte im In- und Ausland. Unvergesslich bleibt derjenige vom 14. April 1967 im Zürcher Hallenstadion als Höhepunkt des Vorprogramms des legendären Rolling Stones Konzertes. "Der Sound der wohl besten aller nationalen Bands bewegte sich stark in Richtung psychedelische Gefilde, verknüpft mit vielen souligen Elementen. Ihr Auftritt war musikalisch und visuell absolut professionell und machte klar, weshalb sie im Ausland so erfolgreich war" (Zitat aus einem Medienbericht). Enttäuschend war für die Sevens, dass sie ein interessantes Vertragsangebot von Liberty Records ausschlagen mussten, weil Layola sie nicht aus dem noch laufenden, jedoch eingeschlafenen Vertrag entliess. Die Band verzeichnete danach noch weitere personelle Veränderungen und Erfolge. Anfang 1968 verabschiedeten sich die Sevens mit einem letzten, bemerkenswerten Konzert in Glattbrugg souverän und mit Stil. Damit fand ein zwar nicht allzu langes, jedoch gewichtiges Kapitel der Basler und der Schweizer Musikgeschichte sein Ende.
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