JOHN CALE & BAND -
Live 1983 Zeche Bochum & 1984 Grugahalle Essen Rockpalast
(MIG Records 90301, 2010)
Natürlich ist John Cale auch heute noch in erster Linie dafür bekannt, neben Lou Reed, Maureen Tucker und Sterling Morrison, einst Mitglied der legendären Velvet Underground gewesen zu sein. Weit weniger bekannt sind seinen Fans die frühen Werke mit Avantgarde-Musikern, wie John Cage oder La Monte Young. Somit waren auch die Soloarbeiten des John Cale von Anbeginn eine Mixtur aus klassisch beeinflusster Avantgarde, orchestralen Werken und dynamischem, experimentellem Rock. John Cale arbeitete als Musiker, Produzent (Nico, Patti Smith, Happy Mondays, um nur einige zu nennen) und Arrangeur. Seine Arbeiten mit Künstlern wie Brian Eno, Kevin Ayers oder Little Feat sind legendär.
Als John Cale zum Rockpalast-Festival am 14. Oktober 1984 eingeladen wurde, hatte er gerade das desolate Meisterwerk "Music For A New Society" (1982), "Caribbean Sunset" (1983) und das Live-Album "John Cale Comes Alive" (1984) veröffentlicht. Im Gegensatz zu dem letztgenannten offiziellen Live-Album, war John Cale's Performance beim Rockpalast-Auftritt weitaus intensiver, verzweifelter und ungezügelter. Es war ein schroffer Auftritt, bei dem Strukturen teilweise bewusst zerstört wurden, ziemlich radikal etwa im Song "Heartbreak Hotel"; die Reaktionen des Publikums, das soeben die Auftritte von Level 42, Huey Lewis & The News und Chalice überlebt hatte, waren dementsprechend gemischt. Als John Cale gegen 3 Uhr morgens die Bühne betrat, war die Atmosphäre so angespannt und bedrohlich, wie das Konzert, das nun folgen sollte.
Der selbstironische Opener "Autobiography", ein Song, der weder zuvor noch danach von Cale gespielt wurde, war der Auftakt eines Konzerts, das vornehmlich den Rockmusiker Cale repräsentierte. Neben den Highlights seines damaligen letzten Studioalbums "Caribbean Sunset", war der Auftritt von Klassikern seines Songschaffens wie etwa "Fear Is A Man’s Best Friend", "Paris 1919" und einer atemberaubenden Version des Velvet Underground-Klassikers "Waiting For My Man" geprägt. Begleitet und unterstützt von David Lichtenstein am Schlagzeug, Andy Heermanns am Bass und David Young an der Gitarre präsentierte der Künstler die Songs in sehr rauen, sparsamen, ja geradezu minimalistischen Arrangements und haarscharfen Interpretationen, die stets auf den emotionalen Kern des Songs zielten. Bis zum heutigen Tag repräsentiert dieser Auftritt eines der bemerkenswertesten und spektakulärsten Konzerte in der langen Historie des Rockpalasts.
Im scharfen, reizvollen Kontrast zu diesem Konzert steht dagegen das John Cale-Solokonzert, das am 6. März 1983 in Bochum in der Zeche aufgenommen wurde. Hier begegnet man dem introvertierten John Cale. Ein Mann und seine Gitarre und sein Klavier betören mit den besten Songs seiner Karriere. Das Bochumer Konzert wurde nur kurze Zeit nach der Veröffentlichung des sehr intimen, zerbrechlichen Albums "Music For A New Society" aufgenommen. Dementsprechend reduziert, aber dennoch kraftvoll und sensibel sind die Interpretationen grosser Klassiker wie "Buffalo Ballet". "A Child’s Christmas In Wales" vom formidablen Studiowerk "Paris 1919" oder "Close Watch". Insgesamt repräsentierten diese beiden Auftritte die zahlreichen Facetten des John Cale der frühen 80er Jahre. Ein wunderbares historisches Dokument, das die Zeit überdauern wird. Beide Auftritte von John Cale im Rahmen der Rockpalast-Reihe sind sehr intensiv und zeigen einen brillianten Künstler in jeweils hervorragenden Performances.
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