Oct 27, 2016


PASSPORT - Infinity Machine (Atlantic Records K 50254, 1976)

Der deutsche Musiker Klaus Doldinger, geboren am 12. Mai 1936 in Berlin ist ein Meister am Saxophon, zunächst auch an der Klarinette. Er ist vor allem als Jazzmusiker und als Komponist von Filmmusik bekannt. Seine wohl bekanntesten Werke sind die Titelmusik zu dem Film "Das Boot", den TV-Serien "Tatort", "Liebling Kreuzberg" sowie "Ein Fall für Zwei" und die Filmmusik zu "Die unendliche Geschichte". Doldinger wuchs als Sohn des Diplomingenieurs Erich Doldinger und dessen Ehefrau Ingeborg, geb. Mann, zunächst in Berlin auf. Von 1947 bis zum Abitur 1957 besuchte Doldinger das Jacobi Gymnasium und ebenfalls ab 1947 mit einem Stipendium das Robert Schumann Konservatorium in Düsseldorf, wo er zunächst Klavier und ab 1952 Klarinette studierte. Während dieser Zeit sammelte er erste Erfahrungen in der Musikbranche mit der 1952 von Freunden gegründeten Band The Feetwarmers, einer Dixieformation, mit der er 1953 erstmals auftrat und 1955 auch seine erste Plattenaufnahme machte. Zeitweise spielten bei den Feetwarmers auch der Kabarettist Dieter Süverkrüp (Banjo) und der spätere Minister Manfred Lahnstein (Posaune).

1955 gründete Doldinger zudem seine eigene Band Oscar’s Trio, deren Namen er in Anlehnung an sein grosses Vorbild Oscar Peterson gewählt hatte. Mit dieser Gruppe gewann er den ersten Preis beim Jazzfestival Brüssel, den Coup Sidney Bechet. Nach dem Abitur studierte er Musikwissenschaften und Tontechnik und wurde Tonmeister. Nach einem Erfolg mit seiner Version von "Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus" für eine US-Getränkefirma ging er 1960 auf seine erste Auslandstournee in die USA, spielte unter anderem mit George Lewis und im Jazzclub Birdland und erhielt mit 24 Jahren während seiner ersten US-Tournee die Ehrenbürgerwürde von New Orleans. 1961 spielte er Modern Jazz mit US-Expatriates wie Don Ellis, Johnny Griffin, Idrees Sulieman, Kenny Clarke, Donald Byrd und Benny Bailey. 1962 gründete er das Klaus Doldinger Quartett, mit dem er im Jahr darauf für das Philips Label seine erste Platte, "Jazz Made In Germany" veröffentlichte. Die LP wurde auch international ein grosser Erfolg, da hier kein weisser Cool Jazz gespielt wurde, sondern Komponenten des Bebop verwendet wurden.

Mitglieder in diesem Quartett waren Doldinger (Tenorsaxophon), Ingfried Hoffmann (Hammond Orgel), Helmut Kandlberger (Bass) und Klaus Weiss (Schlagzeug). Als weitere LP mit dieser Besetzung wurde 1963 "Doldinger Live At Blue Note Berlin" aufgenommen und 1964 veröffentlicht. Im selben Jahr unternahm das Quartett eine erste grosse Auslandstournee im Auftrag des Goethe Instituts unter anderem nach Marokko, ein Aufenthalt, der sein Interesse für afrikanische Musik weckte. Es folgten internationale Auftritte beim Festival in Antibes und im Blue Note in Paris. 1965 stiegen Klaus Weiss und Helmut Kandlberger aus. An ihre Stellen traten der niederländische Schlagzeuger Cees See und der Bassist Peter Trunk. Verstärkt durch den Gitarristen Attila Zoller, nahm das Quartett die LP "Doldinger" in Südamerika auf. Doldinger ist auf mehreren Stücken auch auf dem Sopransaxophon zu hören, und Hoffmann spielt nur auf zwei der zehn Tracks Orgel. 1966 wirkte Doldinger an den Aufnahmen zur Filmmusik des Will Tremper Films "Playgirl" mit. Unter der Leitung von Peter Thomas sind auf dem auf einer Philips LP veröffentlichten Soundtrack auch Ingfried Hoffmann (Hammond-Orgel), Peter Trunk (Bass) und Rafi Lüderitz (Schlagzeug) zu hören. 1967 nahm Doldinger die LP "Doldinger Goes On" auf. Das Quartett aus Doldinger, Hoffmann, Trunk und See wurde mit drei weiteren Musikern zum Septett erweitert: Helmut Kandlberger spielte zusätzlich E-Bass, Volker Kriegel zupfte die Gitarre, und der Belgier Fats Sadi bediente die Percussion.

1968 entstand die LP "Blues Happening"; die erste Seite ist dem Postbop gewidmet. Neben Doldinger, der Tenor- und Sopransaxophon spielte, wirkten Hoffmann (Piano), Kandlberger (Bass) und See (Schlagzeug) mit. Die zweite Seite ist als Suite in 5 Sätzen konzipiert, die Anleihen sowohl beim gemässigten Free Jazz als auch bei der Rockmusik macht. Als Gastmusiker wirkten (im ersten Satz) eine nicht näher spezifizierte Bläsergruppe mit, sowie Kurt Bong (Schlagzeug), (im fünften Satz) Joe Quick (Gitarre), Lothar Meid (E-Bass) und Wolfgang Paap (Schlagzeug); Hoffmann spielte die Hammond B3. Die Doppel-LP "The Ambassador" von 1969 besteht zu einer Hälfte aus Studioaufnahmen, zur anderen Hälfte aus einem live-Mitschnitt im Münchner Domicile. Die Musik ist geprägt von spanischen und maurischen Einflüssen. Das Stück "Sahara", ein Amalgam aus afrikanischer Musik und gemässigtem Free Jazz von der Live-Platte, das schon in dem Stück "Blues Happening" angeklungen war, hinterliess damals bei vielen Doldinger-Fans den grössten Eindruck. Doldinger hat es später mit Passport auf den CDs "Talk Back" (1988), "Passport Live" (2000) und "Back To Morocco" gecovert.

Noch im selben Jahr wandte sich Doldinger dem Rock-Jazz respektive der Fusion Music zu. Seine erste Band mit dieser Musik hiess Motherhood. 1969 und 1970 spielte diese Band zwei LPs ein: "I Feel So Free" und "Doldinger’s Motherhood", beide für das Label Liberty Records. 1971 gründete er dann die Band Passport mit Udo Lindenberg am Schlagzeug, mit der er im Jahr darauf das erste von 28 Alben bei Atlantic Records (als erste deutsche Band bei diesem Label) veröffentlichte. Schon mit dem Album "Cross-Collateral" von 1975 hatte Passport auch in den USA grossen Erfolg, wo die Gruppe als deutsche Antwort auf Weather Report galt. Auf dem 1976 veröffentlichten Album "Infinity Machine" präsentierte Doldinger eine seiner besten Performances, so man denn bei diesem Musiker so eine Aussage überhaupt machen kann. Eine in vielen Jahren top eingespielte Gruppe präsentierte sich hier in Höchstform. Passport's Sound war insgesamt noch amerikanischer geworden, was damit zusammenhängt, dass die Gruppe einen so grossen Erfolg in den USA feiern konnte. Der lockere und griffige 10 Minuten Jam "Ju-Ju Man" startete das Album perfekt, und auch die nachfolgenden Stücke "Morning Sun" und "Blue Aura" folgten der bewährten musikalischen Rezeptur aus Pop-Publikum freundlichem Jazz-Rock und sehr laidbackem und würzigen Funkgroove, der seine Wirkung in den Staaten wiederum nicht verfehlte. Auch "Infinity Machine" verkaufte sich in den USA sehr gut. Mit dem quirligen und anspruchsvollen "Ostinato" findet sich auf dem Album ein grosser Klassiker der Gruppe Passport und das finale "Contemplation" gehört ebenso zu den besten Kompositionen dieser Passport-Phase von Mitte der 70er Jahre.

In den folgenden Jahrzehnten war Doldinger einerseits als Komponist sehr produktiv, verfolgte aber die Karriere mit Passport weiterhin intensiv. Im Jahre 2000 trat Klaus Doldinger mit seiner Formation erneut bei mehreren Festivals auf. 2001 überraschte er die Jazz-Szene mit dem Projekt RMX. In den Folgejahren spielte Doldinger weltweit (Brasilien, USA, Asien usw.) mit wechselnder Bandbesetzung live oder schrieb Film- und Werbemusik. 2005 absolvierten Klaus Doldinger und Passport eine ausgiebige Tour durch Marokko ("Passport to Morocco"), nahmen dabei einige einheimische Musiker mit auf die Bühne, und die dabei entstandene Fusion aus traditionellen marokkanischen Volksliedelementen und Doldinger's Jazzvariationen konnte man auf der im Folgejahr veröffentlichten CD hören. Im Mai 2006 feierte Doldinger seinen 70. Geburtstag; zu diesem Anlass wurde die kostenlose Mini CD "Happy Birthday Klaus" aufgelegt, die er bei seinen Auftritten an Fans und Autogrammjäger verteilte. Die CD "The Best of Doldinger" zeigt anlässlich seines 70. Geburtstages eine Retrospektive der Jahre 1963 bis 1978. Im Frühjahr 2006 beging Doldinger das 35. Bühnenjubiläum von Passport und präsentierte dabei mit Wolfgang Schmid am E-Bass einen Virtuosen der frühen Passport-Tage auf der Bühne. Die Musiker der aktuellen Passport-Besetzung sind Martin Scales (Gitarre), Michael Hornek (Keyboards), Patrick Scales (E-Bass), Ernst Ströer (Percussion), Biboul Darouiche (Percussion), Christian Lettner (Schlagzeug).



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