Oct 24, 2016


THE DOORS - Live Pittsburgh Civic Arena May 2, 1970 
(DMC Bright Midnight Records 8122-79970-7, 2008, Originalaufnahmen von 1970)

Die Konzert-Geschichte der Doors ist relativ gut dokumentiert. Ausser den bekannten und offiziell veröffentlichten Live-Platten wie zum Beispiel der herausragenden "Absolutely Live" gibt es auch zahlreiche halboffizielle Veröffentlichungen und selbstverständlich auch unzählige Bootlegs. Manchmal klingen diese nicht offiziellen Veröffentlichungen erstaunlich gut, ein anderes Mal aber auch grottenschlecht. Es war damals halt durchaus üblich, unter dem Mantel versteckte Tonbandgeräte in Konzerthallen zu schleppen, um ein Live-Ereignis aufzuzeichnen und danach als Bootleg in den Verkauf zu bringen. Erschwerend kam bei vielen dieser halbseidenen Doors-Platten noch hinzu, dass die Qualität eines Auftritts der Band weitgehend von der Tagesform von Jim Morrison abhing, ob er völlig zugedröhnt oder, was eher selten der Fall war, auch mal recht gut bei Sinnen war. In beiderlei Hinsicht stellt dieses am 2. Mai 1970 in Pittsburgh aufgezeichnete Konzert eine Ausnahme dar: Sowohl die Qualität der Aufnahme wie auch der Zustand von Jim Morrison waren blendend. Trotzdem muss man glücklich sein, dass diese Aufnahmen überhaupt das Licht der Welt haben erblicken können.

Die Civic Arena in Pittsburgh, Pennsylvania ist ein bemerkenswerter Ort. Das Stadion verfügt über eine ausfahrbare Dachkonstruktion, man kann also unter freiem Himmel oder mit geschlossenem Dach die Veranstaltungen geniessen, je nach Witterung. Leider wollten die Verantwortlichen trotz passendem Wetter das Dach an jenem 2. Mai Konzert nicht öffnen. Aus soundtechnischer Sicht vielleicht sogar ein kluger Entscheid, denn so hinterlassen die Doors mit diesem bemerkenswerten Auftritt eine ihrer besten Live Performances für alle Zeiten auf einer restaurierten Platte, die einer ganz normalen, mit grossem Aufwand produzierten Live-Platte annähernd das Wasser reichen kann. Bis zur regulär veröffentlichten Aufnahme war es allerdings ein relativ weiter Weg, denn zwei der drei originalen Tonbänder mit den Multitrack-Aufnahmen waren unauffindbar. Bruce Botnik, langjähriger Doors Sound Engineer und der Verantwortliche der Restaurierung begab sich auf die Suche nach alternativen Möglichkeiten, insbesondere suchte er Zeitzeugen, die das Konzert ebenfalls aufgezeichnet hatten und vielleicht noch intakte Bänder des Ereignisses irgendwo aufbewahrten. Dass Bruce Botnick vor allem an diesem Konzert so interessiert war, erklärt sich damit, dass Jim Morrison am Konzert zuvor in Boston wie so oft total neben den Schuhen stand, sturzbetrunken auf der Bühne erschien, viele Textzeilen einfach vergass oder gar Songs verwechselte und das Publikum teils heftig provozierte. Beim Auftritt in Pittsburgh jedoch war Morrison klar bei Verstand, war nüchtern und konzentriert, suchte auch nicht die Interaktion mit dem Publikum (respektive die Provokation) und begann erst im mittleren Teil des zweiten Sets, mit dem Publikum zu spielen. 

Was diese Konzertaufnahme genauso interessant macht ist, dass die Band hier vor allem am lustvollen Jammen war: Viele Titel kannten keinen Anfang und kein Ende. Bis zu vier Titel wurden als einzige ausufernde Jam präsentiert, etwas, wofür die Gruppe allerdings bekannt war. Auf offiziellen Live-Veröffentlichungen findet man diese aneinandergehängten Jams leider nicht, weshalb es vor allem auch interessant ist, sich bei den zahlreichen inoffiziellen Veröffentlichungen der Band umzusehen. Dabei gibt es seit einigen Jahren dank der Firma DMC (Doors Music Company) offiziell die Möglichkeit, ganz reguläre Konzerte in teils dramatisch gut restaurierter Fassung zu erwerben. Diese Veröffentlichungen umspannen zeitlich fast die gesamte Schaffenszeit der Doors, von 1967 bis 1971. Allerdings sollte man sich eher nach frühreren Platten umsehen, denn mit den Jahren wurde Jim Morrison auf der Bühne immer unberechenbarer, was seiner Popularität allerdings kaum einen Abbruch tat, doch in soundtechnischer Hinsicht hat man heutzutags wohl eher mehr von einem Live-Dokument, bei welchem alle Musiker ihre sieben Sinne beisammen haben. Aber das machte die Magie eines Auftritts der Doors eigentlich erst aus: Wenn man Glück hatte, konnte man einem Jahrhundert-Ereignis beiwohnen, wenn man Pech hatte einem Desaster.

Diese Live-Aufnahme vom Auftritt in Pittsburgh bietet einige herausragende Momente im Konzertschaffen der Doors. So spielte die Band bei klarem Verstand ihres Frontmannes erstklassige Jams, unterstützte die Erzählphasen von Morrison perfekt, liessen immer wieder Gitarren- und/oder Orgel-Sounds mit Morrison's Lala-Gesängen mitschlaufen, alle experimentierten auf den Punkt, fanden sich, liessen einander wieder los und gipfelten gemeinsam in einer mehr als 22 Minuten langen Version von "When The Music's Over", der vielleicht besten Version dieses Titels überhaupt auf einer Live-Platte. Bei dieser grandiosen Inszenierung eines ihrer Top-Titel stimmte Jim Morrison immer wieder Text- und Sing-Fragmente anderer Songs aus dem Repertoire der Band an, welche die Gruppe selten oder gar nie live spielte - und die Musiker gingen perfekt auf die gesungenen Vorlagen ein. Das so entstandene "Medley" ist einzigartig und in dieser Variante auch auf keinem anderen Live-Dokument der Gruppe zu hören.

Etwas viel Aufwand betrieb Bruce Botnick beim Song "Close To You", dem Willie Dixon Stück, das die Band praktisch immer live spielte. Da fehlte bei den zur Verfügung stehenden originalen Tonbändern der Anfang des Stücks, genauso wie die Ansage von Jim Morrison. Es fand sich schliesslich eine komplette Version des Titels auf einem 2-Zoll Stereo Masterband, die dann zugemixt wurde. Die längere Ansage durch Jim Morrison erhielt hier die Titelbezeichnung "Tonight You're In For A Special Treat". Der Dreiteiler "Back Door Man" / "Love Hides" / "Five To One", mit dem die Band diesen Auftritt begann, spielte sie durchgehend ohne Uebergänge, als lange ineinander verzahnte Jam. Grossartig gespielt und ohne Längen. Speziell diese "Längen", die bei Doors Auftritten durchaus üblich waren, gefallen hier durch spielfreudige kleine Instrumental-Licks sowohl von Ray Manzarek an der Orgel, wie auch von Robbie Krieger an der Gitarre. Der "Roadhouse Blues" gefällt hier durch seine toughe Vortragsweise, der Song trabt kompromisslos vorwärts und Jim Morrison singsangt sich jammend einfach in den Song hinein, der dadurch einen tollen Flow erreicht, wohingegen gerade dieser Track auf anderen Live-Platten oft "durchhängt", weil Morrison grade mal wieder einer seiner Bewusstseinstrübungen frönt. Auch der "Roadhouse Blues" kommt hier als lange Jam, dem mit "Away In India" und dem von Robert Johnson geschriebenen "Crossroads Blues" zwei weitere Songs angehängt wurden.

Das finale "Light My Fire" stellt auch hier wie auf anderen Live-Dokumenten der Doors den krönenden Abschluss des Auftritts und den musikalischen Höhepunkt dar. Meistens ist Jim Morrison zu dem Zeitpunkt schon ziemlich neben der Kappe, aber hier bleibt der Sänger klar bei sich und bietet dem Publikum einen erstklassigen Abschluss eines hervorragenden Konzertes, das insgesamt guten Gewissens als eines der strahlenden Glanzlichter im veröffentlichten Live-Katalog der Gruppe bezeichnet werden kann. Die Band wirkte nicht allzu oft so klar und diszipliniert wie hier an diesem Abend. Dabei zeigte sie wie in anderen Konzeten auch, bemerkenswerte Momente, ausufernde Jams, die zu keiner Zeit irgendwelche Durchhänger erkennen liessen, was allerdings fast nie etwas mit den Musikern selber zu tun hatte, sondern ausschliesslich mit dem Zustand ihres Frontmannes am Mikrophon, der hier in Pittsburgh einen seiner seltenen klaren Momente hatte und das von Anfang bis zum Ende der Show. Eine absolut überzeugende Performance.


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